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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Gräfinn von G**
fen, da der Krieg mit den Russen und Schwe-
den noch immer fortdauerte? Jch stand eben
um die Mittagszeit mit Steeleyn an unserm
kleinen Fenster, als ich den Juden mit schnel-
len Schritten über den Hof durch den tiefsten
Schnee laufen sah. Er pflegte um diese Zeit
nie zu kommen, und ich schloß aus seiner freu-
digen Mine, daß er mir einen Brief von seinem
Correspondenten, dem Pohlnischen Juden,
bringen würde. Er brachte mir auch einen
Brief, aber von der Gemahlinn des Gouver-
neurs. Sie schrieb mir folgendes. Der
Graf laß mir darauf einen Brief, den ich noch
besitze. Jch will ihn hier einrücken.

Mein Herr,

Jch melde Jhnen eine Nachricht, die ich
Jhnen lieber mündlich ertheilen möchte, da-
mit ich das Vergnügen hätte, ihre Freude mit
anzusehn und zu geniessen. Sie sind frey.
Der Befehl wegen Jhrer Befreyung ist gestern
mit dem neu angelangten Gefangnen angekom-
men, und sie sollen Morgen nebst vier andern
Verwiesenen wieder auf die Art zurück nach
der Stadt Moskau gebracht werden, wie Sie
hieher gebracht worden sind. Alsdann haben
Sie die Erlaubniß Sich hinzuwenden, wo Sie
hinwollen. |Jch habe Jhnen Jhre Freyheit durch

eine

Graͤfinn von G**
fen, da der Krieg mit den Ruſſen und Schwe-
den noch immer fortdauerte? Jch ſtand eben
um die Mittagszeit mit Steeleyn an unſerm
kleinen Fenſter, als ich den Juden mit ſchnel-
len Schritten uͤber den Hof durch den tiefſten
Schnee laufen ſah. Er pflegte um dieſe Zeit
nie zu kommen, und ich ſchloß aus ſeiner freu-
digen Mine, daß er mir einen Brief von ſeinem
Correſpondenten, dem Pohlniſchen Juden,
bringen wuͤrde. Er brachte mir auch einen
Brief, aber von der Gemahlinn des Gouver-
neurs. Sie ſchrieb mir folgendes. Der
Graf laß mir darauf einen Brief, den ich noch
beſitze. Jch will ihn hier einruͤcken.

Mein Herr,

Jch melde Jhnen eine Nachricht, die ich
Jhnen lieber muͤndlich ertheilen moͤchte, da-
mit ich das Vergnuͤgen haͤtte, ihre Freude mit
anzuſehn und zu genieſſen. Sie ſind frey.
Der Befehl wegen Jhrer Befreyung iſt geſtern
mit dem neu angelangten Gefangnen angekom-
men, und ſie ſollen Morgen nebſt vier andern
Verwieſenen wieder auf die Art zuruͤck nach
der Stadt Moskau gebracht werden, wie Sie
hieher gebracht worden ſind. Alsdann haben
Sie die Erlaubniß Sich hinzuwenden, wo Sie
hinwollen. |Jch habe Jhnen Jhre Freyheit durch

eine
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[59/0059] Graͤfinn von G** fen, da der Krieg mit den Ruſſen und Schwe- den noch immer fortdauerte? Jch ſtand eben um die Mittagszeit mit Steeleyn an unſerm kleinen Fenſter, als ich den Juden mit ſchnel- len Schritten uͤber den Hof durch den tiefſten Schnee laufen ſah. Er pflegte um dieſe Zeit nie zu kommen, und ich ſchloß aus ſeiner freu- digen Mine, daß er mir einen Brief von ſeinem Correſpondenten, dem Pohlniſchen Juden, bringen wuͤrde. Er brachte mir auch einen Brief, aber von der Gemahlinn des Gouver- neurs. Sie ſchrieb mir folgendes. Der Graf laß mir darauf einen Brief, den ich noch beſitze. Jch will ihn hier einruͤcken. Mein Herr, Jch melde Jhnen eine Nachricht, die ich Jhnen lieber muͤndlich ertheilen moͤchte, da- mit ich das Vergnuͤgen haͤtte, ihre Freude mit anzuſehn und zu genieſſen. Sie ſind frey. Der Befehl wegen Jhrer Befreyung iſt geſtern mit dem neu angelangten Gefangnen angekom- men, und ſie ſollen Morgen nebſt vier andern Verwieſenen wieder auf die Art zuruͤck nach der Stadt Moskau gebracht werden, wie Sie hieher gebracht worden ſind. Alsdann haben Sie die Erlaubniß Sich hinzuwenden, wo Sie hinwollen. |Jch habe Jhnen Jhre Freyheit durch eine

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/59>, abgerufen am 21.11.2024.