Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Forster's Reise um die Welt
Zwölftes Hauptstück.
Seefahrt von den freundschaftlichen Inseln nach
Neu-
Seeland
. -- Trennung von der Adventure. -- Zweyter
Aufenthalt in Charlotten-Sund.

1773
October.

Kaum hatten wir den heißen Erdstrich zwischen den Wende-Zirkeln verlas-
sen, so fanden sich schon wieder große Züge von See-Vögeln ein und
schwebten mit leichtem Fluge über den Wellen hin, die der günstige Wind vor
sich her trieb. Am 12ten sahen wir, unter eine Menge von Vögeln, die nur
im gemäßigtern Erdstrich anzutreffen sind, einen Albatroß; diese Art kommt nie
bis innerhalb der Wende-Zirkel; aber jenseits derselben findet man sie bis gegen
den Pol hin. So sorgfältig hat die Natur jedem Thiere seinen Wohnplatz an-
gewiesen!

Nachdem das Wetter bis zum 16ten Morgens schön und günstig geblie-
ben war, fiengs an regnicht zu werden. Um diese Zeit fand man, unten im
Schiff, beym Pumpen-Kasten, einen Hund, der auf Huaheine war eingekauft
worden, der aber, gleich vielen andern, sich nicht an unser Futter hatte gewöhnen
wollen, und allem Vermuthen nach, schon neun und dreißig bis vierzig Tage in
diesem Loche, ohne alle Nahrung, zugebracht haben mußte. Der ganze Cör-
per war zu einem bloßen Gerippe abgemergelt; die Beine waren gelähmt und
klares Blut gieng aus dem Hintern von ihm. So jämmerlich indessen der An-
blick dieses armen Thiers war, so stiftete er doch etwas Gutes, denn unsre Leute
nahmen sichs von nun an vor, blos junge Hunde dieser Art einzukaufen; die Al-
ten wollten sich auch schlechterdings nicht zu unserm Futter bequemen, man mogte
es anfangen wie man wollte.

In der Nacht giengen verschiedne Blubbers (Medusen) neben dem
Schiffe vorbey. Sie wurden durch ihr phosphorisches Licht sichtbar, und fun-
kelten so hell, daß die See glänzendere Sterne zu enthalten schien als der Him-
mel. Meergras, Sturmvögel und Albatrosse sahen wir täglich immer mehr, je
näher wir der Küste von Neu-Seeland kamen. Am 19ten leuchtete die See; am
20sten verkündigten uns ganze Schaaren von Sturm-Täuchern, (diving petrels)
daß wir nicht mehr weit vom Lande seyn könnten, und am folgenden Morgen

Forſter’s Reiſe um die Welt
Zwoͤlftes Hauptſtuͤck.
Seefahrt von den freundſchaftlichen Inſeln nach
Neu-
Seeland
. — Trennung von der Adventure. — Zweyter
Aufenthalt in Charlotten-Sund.

1773
October.

Kaum hatten wir den heißen Erdſtrich zwiſchen den Wende-Zirkeln verlaſ-
ſen, ſo fanden ſich ſchon wieder große Zuͤge von See-Voͤgeln ein und
ſchwebten mit leichtem Fluge uͤber den Wellen hin, die der guͤnſtige Wind vor
ſich her trieb. Am 12ten ſahen wir, unter eine Menge von Voͤgeln, die nur
im gemaͤßigtern Erdſtrich anzutreffen ſind, einen Albatroß; dieſe Art kommt nie
bis innerhalb der Wende-Zirkel; aber jenſeits derſelben findet man ſie bis gegen
den Pol hin. So ſorgfaͤltig hat die Natur jedem Thiere ſeinen Wohnplatz an-
gewieſen!

Nachdem das Wetter bis zum 16ten Morgens ſchoͤn und guͤnſtig geblie-
ben war, fiengs an regnicht zu werden. Um dieſe Zeit fand man, unten im
Schiff, beym Pumpen-Kaſten, einen Hund, der auf Huaheine war eingekauft
worden, der aber, gleich vielen andern, ſich nicht an unſer Futter hatte gewoͤhnen
wollen, und allem Vermuthen nach, ſchon neun und dreißig bis vierzig Tage in
dieſem Loche, ohne alle Nahrung, zugebracht haben mußte. Der ganze Coͤr-
per war zu einem bloßen Gerippe abgemergelt; die Beine waren gelaͤhmt und
klares Blut gieng aus dem Hintern von ihm. So jaͤmmerlich indeſſen der An-
blick dieſes armen Thiers war, ſo ſtiftete er doch etwas Gutes, denn unſre Leute
nahmen ſichs von nun an vor, blos junge Hunde dieſer Art einzukaufen; die Al-
ten wollten ſich auch ſchlechterdings nicht zu unſerm Futter bequemen, man mogte
es anfangen wie man wollte.

In der Nacht giengen verſchiedne Blubbers (Meduſen) neben dem
Schiffe vorbey. Sie wurden durch ihr phosphoriſches Licht ſichtbar, und fun-
kelten ſo hell, daß die See glaͤnzendere Sterne zu enthalten ſchien als der Him-
mel. Meergras, Sturmvoͤgel und Albatroſſe ſahen wir taͤglich immer mehr, je
naͤher wir der Kuͤſte von Neu-Seeland kamen. Am 19ten leuchtete die See; am
20ſten verkuͤndigten uns ganze Schaaren von Sturm-Taͤuchern, (diving petrels)
daß wir nicht mehr weit vom Lande ſeyn koͤnnten, und am folgenden Morgen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0423" n="364"/>
      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi> </fw><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Zwo&#x0364;lftes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck</hi>.<lb/>
Seefahrt von den <placeName>freund&#x017F;chaftlichen In&#x017F;eln</placeName> nach </hi><placeName><hi rendition="#b">Neu-</hi><lb/>
Seeland</placeName>. &#x2014; Trennung von der Adventure. &#x2014; Zweyter<lb/>
Aufenthalt in <placeName>Charlotten-Sund</placeName>.</head><lb/>
        <note place="left">1773<lb/>
October.</note>
        <p><hi rendition="#in">K</hi>aum hatten wir den heißen Erd&#x017F;trich zwi&#x017F;chen den Wende-Zirkeln verla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, &#x017F;o fanden &#x017F;ich &#x017F;chon wieder große Zu&#x0364;ge von See-Vo&#x0364;geln ein und<lb/>
&#x017F;chwebten mit leichtem Fluge u&#x0364;ber den Wellen hin, die der gu&#x0364;n&#x017F;tige Wind vor<lb/>
&#x017F;ich her trieb. Am 12ten &#x017F;ahen wir, unter eine Menge von Vo&#x0364;geln, die nur<lb/>
im gema&#x0364;ßigtern Erd&#x017F;trich anzutreffen &#x017F;ind, einen <hi rendition="#fr">Albatroß;</hi> die&#x017F;e Art kommt nie<lb/>
bis innerhalb der Wende-Zirkel; aber jen&#x017F;eits der&#x017F;elben findet man &#x017F;ie bis gegen<lb/>
den Pol hin. So &#x017F;orgfa&#x0364;ltig hat die Natur jedem Thiere &#x017F;einen Wohnplatz an-<lb/>
gewie&#x017F;en!</p><lb/>
        <p>Nachdem das Wetter bis zum 16ten Morgens &#x017F;cho&#x0364;n und gu&#x0364;n&#x017F;tig geblie-<lb/>
ben war, fiengs an regnicht zu werden. Um die&#x017F;e Zeit fand man, unten im<lb/><hi rendition="#fr">Schiff,</hi> beym Pumpen-Ka&#x017F;ten, einen Hund, der auf <hi rendition="#fr"><placeName>Huaheine</placeName></hi> war eingekauft<lb/>
worden, der aber, gleich vielen andern, &#x017F;ich nicht an un&#x017F;er Futter hatte gewo&#x0364;hnen<lb/>
wollen, und allem Vermuthen nach, &#x017F;chon neun und dreißig bis vierzig Tage in<lb/>
die&#x017F;em Loche, ohne alle Nahrung, zugebracht haben mußte. Der ganze Co&#x0364;r-<lb/>
per war zu einem bloßen Gerippe abgemergelt; die Beine waren gela&#x0364;hmt und<lb/>
klares Blut gieng aus dem Hintern von ihm. So ja&#x0364;mmerlich inde&#x017F;&#x017F;en der An-<lb/>
blick die&#x017F;es armen Thiers war, &#x017F;o &#x017F;tiftete er doch etwas Gutes, denn un&#x017F;re Leute<lb/>
nahmen &#x017F;ichs von nun an vor, blos junge Hunde die&#x017F;er Art einzukaufen; die Al-<lb/>
ten wollten &#x017F;ich auch &#x017F;chlechterdings nicht zu un&#x017F;erm Futter bequemen, man mogte<lb/>
es anfangen wie man wollte.</p><lb/>
        <p>In der Nacht giengen ver&#x017F;chiedne <hi rendition="#fr">Blubbers</hi> (Medu&#x017F;en) neben dem<lb/>
Schiffe vorbey. Sie wurden durch ihr phosphori&#x017F;ches Licht &#x017F;ichtbar, und fun-<lb/>
kelten &#x017F;o hell, daß die See gla&#x0364;nzendere Sterne zu enthalten &#x017F;chien als der Him-<lb/>
mel. Meergras, Sturmvo&#x0364;gel und Albatro&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ahen wir ta&#x0364;glich immer mehr, je<lb/>
na&#x0364;her wir der Ku&#x0364;&#x017F;te von <placeName>Neu-Seeland</placeName> kamen. Am 19ten leuchtete die See; am<lb/>
20&#x017F;ten verku&#x0364;ndigten uns ganze Schaaren von Sturm-Ta&#x0364;uchern, (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">diving petrels</hi></hi>)<lb/>
daß wir nicht mehr weit vom Lande &#x017F;eyn ko&#x0364;nnten, und am folgenden Morgen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[364/0423] Forſter’s Reiſe um die Welt Zwoͤlftes Hauptſtuͤck. Seefahrt von den freundſchaftlichen Inſeln nach Neu- Seeland. — Trennung von der Adventure. — Zweyter Aufenthalt in Charlotten-Sund. Kaum hatten wir den heißen Erdſtrich zwiſchen den Wende-Zirkeln verlaſ- ſen, ſo fanden ſich ſchon wieder große Zuͤge von See-Voͤgeln ein und ſchwebten mit leichtem Fluge uͤber den Wellen hin, die der guͤnſtige Wind vor ſich her trieb. Am 12ten ſahen wir, unter eine Menge von Voͤgeln, die nur im gemaͤßigtern Erdſtrich anzutreffen ſind, einen Albatroß; dieſe Art kommt nie bis innerhalb der Wende-Zirkel; aber jenſeits derſelben findet man ſie bis gegen den Pol hin. So ſorgfaͤltig hat die Natur jedem Thiere ſeinen Wohnplatz an- gewieſen! Nachdem das Wetter bis zum 16ten Morgens ſchoͤn und guͤnſtig geblie- ben war, fiengs an regnicht zu werden. Um dieſe Zeit fand man, unten im Schiff, beym Pumpen-Kaſten, einen Hund, der auf Huaheine war eingekauft worden, der aber, gleich vielen andern, ſich nicht an unſer Futter hatte gewoͤhnen wollen, und allem Vermuthen nach, ſchon neun und dreißig bis vierzig Tage in dieſem Loche, ohne alle Nahrung, zugebracht haben mußte. Der ganze Coͤr- per war zu einem bloßen Gerippe abgemergelt; die Beine waren gelaͤhmt und klares Blut gieng aus dem Hintern von ihm. So jaͤmmerlich indeſſen der An- blick dieſes armen Thiers war, ſo ſtiftete er doch etwas Gutes, denn unſre Leute nahmen ſichs von nun an vor, blos junge Hunde dieſer Art einzukaufen; die Al- ten wollten ſich auch ſchlechterdings nicht zu unſerm Futter bequemen, man mogte es anfangen wie man wollte. In der Nacht giengen verſchiedne Blubbers (Meduſen) neben dem Schiffe vorbey. Sie wurden durch ihr phosphoriſches Licht ſichtbar, und fun- kelten ſo hell, daß die See glaͤnzendere Sterne zu enthalten ſchien als der Him- mel. Meergras, Sturmvoͤgel und Albatroſſe ſahen wir taͤglich immer mehr, je naͤher wir der Kuͤſte von Neu-Seeland kamen. Am 19ten leuchtete die See; am 20ſten verkuͤndigten uns ganze Schaaren von Sturm-Taͤuchern, (diving petrels) daß wir nicht mehr weit vom Lande ſeyn koͤnnten, und am folgenden Morgen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/423
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/423>, abgerufen am 21.11.2024.