Ehre jedem Heldenthume, Dreimal Ehre Deinem Ruhme, Aller Thaten beste That Ist: Keime pflanzen für künftige Saat.
Albrecht Daniel Thaer wurde am 14. Mai 1752 zu Celle geboren. Sein Vater, Hofmedicus ebendaselbst, stammte aus Lie- benwerda in Sachsen; seine Mutter war die Tochter des Land- rentmeisters Saffe zu Celle. Seine ersten Studien machte Albrecht Thaer auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt, aber er verfuhr da- bei in so unregelmäßiger Art und Weise, daß er z. B. (es sind dies seine eigenen Worte) im 16. Jahre französisch und englisch sprechen konnte, aber kein Wort lateinisch verstand. Die Lehrer ließen es eben gehen. Endlich entdeckte er sich dem Rector des Gymnasiums, nahm Privatstunden und holte in einem einzigen Jahre alles Versäumte so völlig nach, daß er ein Jahr darauf im Stande war, nach Göttingen zur Universität abzugehen.
Sein ganzes Wesen damals (im Gegensatz zu seinen reiferen Jahren) war genialisch und excentrisch; er hatte etwas Wunder- kindartiges an Gaben wie an Unarten. Er begann nun mit gro- ßem Eifer Medicin zu studiren und schien namentlich bestimmt, in der Chirurgie Bedeutendes zu leisten. Er verweilte Tage lang, das Secirmesser in der Hand, auf dem anatomischen Saal, sah aber bei der ersten Operation, der er beiwohnte, daß er seltsamer- weise wohl zum Anatomen am leblosen, aber nie und nimmer zum Chirurgen am lebendigen Organismus bestimmt sein könne, denn er fiel in Ohnmacht; -- eine Erscheinung, die sich wiederholte, so oft er den Versuch machte, die angeborene Scheu zu überwinden. Er wandte sich nun der Pathologie zu, hörte Collegia bei den be-
Albrecht Daniel Thaer.
Ehre jedem Heldenthume, Dreimal Ehre Deinem Ruhme, Aller Thaten beſte That Iſt: Keime pflanzen für künftige Saat.
Albrecht Daniel Thaer wurde am 14. Mai 1752 zu Celle geboren. Sein Vater, Hofmedicus ebendaſelbſt, ſtammte aus Lie- benwerda in Sachſen; ſeine Mutter war die Tochter des Land- rentmeiſters Saffe zu Celle. Seine erſten Studien machte Albrecht Thaer auf dem Gymnaſium ſeiner Vaterſtadt, aber er verfuhr da- bei in ſo unregelmäßiger Art und Weiſe, daß er z. B. (es ſind dies ſeine eigenen Worte) im 16. Jahre franzöſiſch und engliſch ſprechen konnte, aber kein Wort lateiniſch verſtand. Die Lehrer ließen es eben gehen. Endlich entdeckte er ſich dem Rector des Gymnaſiums, nahm Privatſtunden und holte in einem einzigen Jahre alles Verſäumte ſo völlig nach, daß er ein Jahr darauf im Stande war, nach Göttingen zur Univerſität abzugehen.
Sein ganzes Weſen damals (im Gegenſatz zu ſeinen reiferen Jahren) war genialiſch und excentriſch; er hatte etwas Wunder- kindartiges an Gaben wie an Unarten. Er begann nun mit gro- ßem Eifer Medicin zu ſtudiren und ſchien namentlich beſtimmt, in der Chirurgie Bedeutendes zu leiſten. Er verweilte Tage lang, das Secirmeſſer in der Hand, auf dem anatomiſchen Saal, ſah aber bei der erſten Operation, der er beiwohnte, daß er ſeltſamer- weiſe wohl zum Anatomen am lebloſen, aber nie und nimmer zum Chirurgen am lebendigen Organismus beſtimmt ſein könne, denn er fiel in Ohnmacht; — eine Erſcheinung, die ſich wiederholte, ſo oft er den Verſuch machte, die angeborene Scheu zu überwinden. Er wandte ſich nun der Pathologie zu, hörte Collegia bei den be-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0238"n="[226]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Albrecht Daniel Thaer.</hi></head><lb/><lgtype="poem"><l>Ehre jedem Heldenthume,</l><lb/><l>Dreimal Ehre Deinem Ruhme,</l><lb/><l>Aller Thaten beſte That</l><lb/><l>Iſt: Keime pflanzen für künftige Saat.</l></lg><lb/><p><hirendition="#g"><hirendition="#in">A</hi>lbrecht Daniel Thaer</hi> wurde am 14. Mai 1752 zu Celle<lb/>
geboren. Sein Vater, Hofmedicus ebendaſelbſt, ſtammte aus <hirendition="#g">Lie-<lb/>
benwerda</hi> in Sachſen; ſeine Mutter war die Tochter des Land-<lb/>
rentmeiſters <hirendition="#g">Saffe</hi> zu Celle. Seine erſten Studien machte Albrecht<lb/>
Thaer auf dem Gymnaſium ſeiner Vaterſtadt, aber er verfuhr da-<lb/>
bei in ſo unregelmäßiger Art und Weiſe, daß er z. B. (es ſind<lb/>
dies ſeine eigenen Worte) im 16. Jahre franzöſiſch und engliſch<lb/>ſprechen konnte, aber kein Wort lateiniſch verſtand. Die Lehrer<lb/>
ließen es eben gehen. Endlich entdeckte er ſich dem Rector des<lb/>
Gymnaſiums, nahm Privatſtunden und holte in einem einzigen<lb/>
Jahre alles Verſäumte ſo völlig nach, daß er ein Jahr darauf im<lb/>
Stande war, nach Göttingen zur Univerſität abzugehen.</p><lb/><p>Sein ganzes Weſen damals (im Gegenſatz zu ſeinen reiferen<lb/>
Jahren) war genialiſch und excentriſch; er hatte etwas Wunder-<lb/>
kindartiges an Gaben wie an Unarten. Er begann nun mit gro-<lb/>
ßem Eifer Medicin zu ſtudiren und ſchien namentlich beſtimmt,<lb/>
in der <hirendition="#g">Chirurgie</hi> Bedeutendes zu leiſten. Er verweilte Tage lang,<lb/>
das Secirmeſſer in der Hand, auf dem anatomiſchen Saal, ſah<lb/>
aber bei der erſten Operation, der er beiwohnte, daß er ſeltſamer-<lb/>
weiſe wohl zum Anatomen am lebloſen, aber nie und nimmer zum<lb/>
Chirurgen am lebendigen Organismus beſtimmt ſein könne, denn<lb/>
er fiel in Ohnmacht; — eine Erſcheinung, die ſich wiederholte, ſo<lb/>
oft er den Verſuch machte, die angeborene Scheu zu überwinden.<lb/>
Er wandte ſich nun der Pathologie zu, hörte Collegia bei den be-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[226]/0238]
Albrecht Daniel Thaer.
Ehre jedem Heldenthume,
Dreimal Ehre Deinem Ruhme,
Aller Thaten beſte That
Iſt: Keime pflanzen für künftige Saat.
Albrecht Daniel Thaer wurde am 14. Mai 1752 zu Celle
geboren. Sein Vater, Hofmedicus ebendaſelbſt, ſtammte aus Lie-
benwerda in Sachſen; ſeine Mutter war die Tochter des Land-
rentmeiſters Saffe zu Celle. Seine erſten Studien machte Albrecht
Thaer auf dem Gymnaſium ſeiner Vaterſtadt, aber er verfuhr da-
bei in ſo unregelmäßiger Art und Weiſe, daß er z. B. (es ſind
dies ſeine eigenen Worte) im 16. Jahre franzöſiſch und engliſch
ſprechen konnte, aber kein Wort lateiniſch verſtand. Die Lehrer
ließen es eben gehen. Endlich entdeckte er ſich dem Rector des
Gymnaſiums, nahm Privatſtunden und holte in einem einzigen
Jahre alles Verſäumte ſo völlig nach, daß er ein Jahr darauf im
Stande war, nach Göttingen zur Univerſität abzugehen.
Sein ganzes Weſen damals (im Gegenſatz zu ſeinen reiferen
Jahren) war genialiſch und excentriſch; er hatte etwas Wunder-
kindartiges an Gaben wie an Unarten. Er begann nun mit gro-
ßem Eifer Medicin zu ſtudiren und ſchien namentlich beſtimmt,
in der Chirurgie Bedeutendes zu leiſten. Er verweilte Tage lang,
das Secirmeſſer in der Hand, auf dem anatomiſchen Saal, ſah
aber bei der erſten Operation, der er beiwohnte, daß er ſeltſamer-
weiſe wohl zum Anatomen am lebloſen, aber nie und nimmer zum
Chirurgen am lebendigen Organismus beſtimmt ſein könne, denn
er fiel in Ohnmacht; — eine Erſcheinung, die ſich wiederholte, ſo
oft er den Verſuch machte, die angeborene Scheu zu überwinden.
Er wandte ſich nun der Pathologie zu, hörte Collegia bei den be-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. [226]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/238>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.