Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite
Relation von denen ausgesäeten Künsten derer Gelehrten,
und wie sie dieselben gebauet haben.

DIe Erndte in dem Parnasso ist nunmehro vorüber, auch alle Früchte bereits
von denen Herren Gelehrten in die Scheuren eingeführet. Allein man muß
bekennen, daß die allermeisten eine schlechte Erndte gehabt; woran zum Theil
das Abnehmen des menschlichen Verstandes, und den Saamen, den man
ausgesäet: zum Theil aber das Erdreich, dann auch Lufft und Wasser
Schuld ist.

Die, so auf Poeterey gebauet, haben in dem Frühling ihres Alters gese-
hen, daß die Felder sich sehr schön zeigten, hoffeten derowegen nicht unbillig auf
eine reiche Erndte. Als aber der Junius, in welchem das Korn zu schossen pfle-
get, herbey rückte, wurden die armseligen Leute gewahr, daß aus ihrer Arbeit
nichts als tolle Gewächse und unbrauchbare Blumen wurden, so daß sie ver-
gebens gearbeitet hatten, und dabey Hunger und Kummer leiden müssen, des-
wegen dann selbiger Ackerbau, weil er sehr schlechten Gewinn bringet, führo-
hin gewaltig in das Abnehmen kommen wird.

Die, so Latein gesäet, und eine stoltze Einbildung geheget, daß die Saat
gerathen müste, haben anders nichts als Schulfüchsereyen und Grammaticali-
sche Stänckerey geerndtet.

Von der Griechischen Sprache ist wenig gesäet worden, weil jetziger Zeit
schlechter Vertrieb dabey ist, welches vielleicht daher rühret, daß das Brod, so
aus diesem Korn gebacken wird, ob es zwar vor langen Jahren einer volckrei-
chen Nation tägliche Speise gewesen, denen blöden Mägen, derer jetzigen schwa-
chen Naturen, schwer zu verdauen fället. Derowegen haben etliche verschlage-
ne Köpffe in ihren Gärten nur allein so viel gesäet, als sie in ihrem eigenen
Hauswesen vor nöthig gehabt, vielmehr damit sie nicht vor Ignoranten und vor
unverständig gehalten würden, als daß sie sich vor gelehrte Leute ausgeben sol-
ten ingleichen nur den Saamen davon zu erhalten, und keinesweges als ob sie
Kauffmanschafft damit treiben wolten.

Der Saame der Hebräischen Sprache hat sich fast gar verlohren. Denn
weil er nicht mehr im Gebrauch, wird gar wenig gesäet, welches dann denen

Men-
N 3
Relation von denen ausgeſaͤeten Kuͤnſten derer Gelehrten,
und wie ſie dieſelben gebauet haben.

DIe Erndte in dem Parnaſſo iſt nunmehro voruͤber, auch alle Fruͤchte bereits
von denen Herren Gelehrten in die Scheuren eingefuͤhret. Allein man muß
bekennen, daß die allermeiſten eine ſchlechte Erndte gehabt; woran zum Theil
das Abnehmen des menſchlichen Verſtandes, und den Saamen, den man
ausgeſaͤet: zum Theil aber das Erdreich, dann auch Lufft und Waſſer
Schuld iſt.

Die, ſo auf Poëterey gebauet, haben in dem Fruͤhling ihres Alters geſe-
hen, daß die Felder ſich ſehr ſchoͤn zeigten, hoffeten derowegen nicht unbillig auf
eine reiche Erndte. Als aber der Junius, in welchem das Korn zu ſchoſſen pfle-
get, herbey ruͤckte, wurden die armſeligen Leute gewahr, daß aus ihrer Arbeit
nichts als tolle Gewaͤchſe und unbrauchbare Blumen wurden, ſo daß ſie ver-
gebens gearbeitet hatten, und dabey Hunger und Kummer leiden muͤſſen, des-
wegen dann ſelbiger Ackerbau, weil er ſehr ſchlechten Gewinn bringet, fuͤhro-
hin gewaltig in das Abnehmen kommen wird.

Die, ſo Latein geſaͤet, und eine ſtoltze Einbildung geheget, daß die Saat
gerathen muͤſte, haben anders nichts als Schulfuͤchſereyen und Grammaticali-
ſche Staͤnckerey geerndtet.

Von der Griechiſchen Sprache iſt wenig geſaͤet worden, weil jetziger Zeit
ſchlechter Vertrieb dabey iſt, welches vielleicht daher ruͤhret, daß das Brod, ſo
aus dieſem Korn gebacken wird, ob es zwar vor langen Jahren einer volckrei-
chen Nation taͤgliche Speiſe geweſen, denen bloͤden Maͤgen, derer jetzigen ſchwa-
chen Naturen, ſchwer zu verdauen faͤllet. Derowegen haben etliche verſchlage-
ne Koͤpffe in ihren Gaͤrten nur allein ſo viel geſaͤet, als ſie in ihrem eigenen
Hausweſen vor noͤthig gehabt, vielmehr damit ſie nicht vor Ignoranten und vor
unverſtaͤndig gehalten wuͤrden, als daß ſie ſich vor gelehrte Leute ausgeben ſol-
ten ingleichen nur den Saamen davon zu erhalten, und keinesweges als ob ſie
Kauffmanſchafft damit treiben wolten.

Der Saame der Hebraͤiſchen Sprache hat ſich faſt gar verlohren. Denn
weil er nicht mehr im Gebrauch, wird gar wenig geſaͤet, welches dann denen

Men-
N 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0145" n="101"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Relation</hi> von denen ausge&#x017F;a&#x0364;eten Ku&#x0364;n&#x017F;ten derer Gelehrten,<lb/>
und wie &#x017F;ie die&#x017F;elben gebauet haben.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>Ie Erndte in dem <hi rendition="#aq">Parna&#x017F;&#x017F;o</hi> i&#x017F;t nunmehro voru&#x0364;ber, auch alle Fru&#x0364;chte bereits<lb/>
von denen Herren Gelehrten in die Scheuren eingefu&#x0364;hret. Allein man muß<lb/>
bekennen, daß die allermei&#x017F;ten eine &#x017F;chlechte Erndte gehabt; woran zum Theil<lb/>
das Abnehmen des men&#x017F;chlichen Ver&#x017F;tandes, und den Saamen, den man<lb/>
ausge&#x017F;a&#x0364;et: zum Theil aber das Erdreich, dann auch Lufft und Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Schuld i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Die, &#x017F;o auf <hi rendition="#aq">Poëterey</hi> gebauet, haben in dem Fru&#x0364;hling ihres Alters ge&#x017F;e-<lb/>
hen, daß die Felder &#x017F;ich &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;n zeigten, hoffeten derowegen nicht unbillig auf<lb/>
eine reiche Erndte. Als aber der <hi rendition="#aq">Junius,</hi> in welchem das Korn zu &#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en pfle-<lb/>
get, herbey ru&#x0364;ckte, wurden die arm&#x017F;eligen Leute gewahr, daß aus ihrer Arbeit<lb/>
nichts als tolle Gewa&#x0364;ch&#x017F;e und unbrauchbare Blumen wurden, &#x017F;o daß &#x017F;ie ver-<lb/>
gebens gearbeitet hatten, und dabey Hunger und Kummer leiden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, des-<lb/>
wegen dann &#x017F;elbiger Ackerbau, weil er &#x017F;ehr &#x017F;chlechten Gewinn bringet, fu&#x0364;hro-<lb/>
hin gewaltig in das Abnehmen kommen wird.</p><lb/>
          <p>Die, &#x017F;o Latein ge&#x017F;a&#x0364;et, und eine &#x017F;toltze Einbildung geheget, daß die Saat<lb/>
gerathen mu&#x0364;&#x017F;te, haben anders nichts als Schulfu&#x0364;ch&#x017F;ereyen und <hi rendition="#aq">Grammaticali-</hi><lb/>
&#x017F;che Sta&#x0364;nckerey geerndtet.</p><lb/>
          <p>Von der Griechi&#x017F;chen Sprache i&#x017F;t wenig ge&#x017F;a&#x0364;et worden, weil jetziger Zeit<lb/>
&#x017F;chlechter Vertrieb dabey i&#x017F;t, welches vielleicht daher ru&#x0364;hret, daß das Brod, &#x017F;o<lb/>
aus die&#x017F;em Korn gebacken wird, ob es zwar vor langen Jahren einer volckrei-<lb/>
chen <hi rendition="#aq">Nation</hi> ta&#x0364;gliche Spei&#x017F;e gewe&#x017F;en, denen blo&#x0364;den Ma&#x0364;gen, derer jetzigen &#x017F;chwa-<lb/>
chen Naturen, &#x017F;chwer zu verdauen fa&#x0364;llet. Derowegen haben etliche ver&#x017F;chlage-<lb/>
ne Ko&#x0364;pffe in ihren Ga&#x0364;rten nur allein &#x017F;o viel ge&#x017F;a&#x0364;et, als &#x017F;ie in ihrem eigenen<lb/>
Hauswe&#x017F;en vor no&#x0364;thig gehabt, vielmehr damit &#x017F;ie nicht vor <hi rendition="#aq">Ignoranten</hi> und vor<lb/>
unver&#x017F;ta&#x0364;ndig gehalten wu&#x0364;rden, als daß &#x017F;ie &#x017F;ich vor gelehrte Leute ausgeben &#x017F;ol-<lb/>
ten ingleichen nur den Saamen davon zu erhalten, und keinesweges als ob &#x017F;ie<lb/>
Kauffman&#x017F;chafft damit treiben wolten.</p><lb/>
          <p>Der Saame der Hebra&#x0364;i&#x017F;chen Sprache hat &#x017F;ich fa&#x017F;t gar verlohren. Denn<lb/>
weil er nicht mehr im Gebrauch, wird gar wenig ge&#x017F;a&#x0364;et, welches dann denen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Men-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0145] Relation von denen ausgeſaͤeten Kuͤnſten derer Gelehrten, und wie ſie dieſelben gebauet haben. DIe Erndte in dem Parnaſſo iſt nunmehro voruͤber, auch alle Fruͤchte bereits von denen Herren Gelehrten in die Scheuren eingefuͤhret. Allein man muß bekennen, daß die allermeiſten eine ſchlechte Erndte gehabt; woran zum Theil das Abnehmen des menſchlichen Verſtandes, und den Saamen, den man ausgeſaͤet: zum Theil aber das Erdreich, dann auch Lufft und Waſſer Schuld iſt. Die, ſo auf Poëterey gebauet, haben in dem Fruͤhling ihres Alters geſe- hen, daß die Felder ſich ſehr ſchoͤn zeigten, hoffeten derowegen nicht unbillig auf eine reiche Erndte. Als aber der Junius, in welchem das Korn zu ſchoſſen pfle- get, herbey ruͤckte, wurden die armſeligen Leute gewahr, daß aus ihrer Arbeit nichts als tolle Gewaͤchſe und unbrauchbare Blumen wurden, ſo daß ſie ver- gebens gearbeitet hatten, und dabey Hunger und Kummer leiden muͤſſen, des- wegen dann ſelbiger Ackerbau, weil er ſehr ſchlechten Gewinn bringet, fuͤhro- hin gewaltig in das Abnehmen kommen wird. Die, ſo Latein geſaͤet, und eine ſtoltze Einbildung geheget, daß die Saat gerathen muͤſte, haben anders nichts als Schulfuͤchſereyen und Grammaticali- ſche Staͤnckerey geerndtet. Von der Griechiſchen Sprache iſt wenig geſaͤet worden, weil jetziger Zeit ſchlechter Vertrieb dabey iſt, welches vielleicht daher ruͤhret, daß das Brod, ſo aus dieſem Korn gebacken wird, ob es zwar vor langen Jahren einer volckrei- chen Nation taͤgliche Speiſe geweſen, denen bloͤden Maͤgen, derer jetzigen ſchwa- chen Naturen, ſchwer zu verdauen faͤllet. Derowegen haben etliche verſchlage- ne Koͤpffe in ihren Gaͤrten nur allein ſo viel geſaͤet, als ſie in ihrem eigenen Hausweſen vor noͤthig gehabt, vielmehr damit ſie nicht vor Ignoranten und vor unverſtaͤndig gehalten wuͤrden, als daß ſie ſich vor gelehrte Leute ausgeben ſol- ten ingleichen nur den Saamen davon zu erhalten, und keinesweges als ob ſie Kauffmanſchafft damit treiben wolten. Der Saame der Hebraͤiſchen Sprache hat ſich faſt gar verlohren. Denn weil er nicht mehr im Gebrauch, wird gar wenig geſaͤet, welches dann denen Men- N 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/145
Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/145>, abgerufen am 21.11.2024.