Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
Einundzwanzigstes Kapitel.

Wir finden den Baron Manfred fern von sei¬
nem stillen, grünen Revier wieder, aus dem ihn eine
Familienangelegenheit von besonderer Dringlichkeit ver¬
lockt hatte. Das Geschäft, das er heiter zu ordnen
gedacht, war indeß durch Mißverständnisse unerwartet
verwickelt geworden, und unruhig, ja ernstlich besorgt
verließ er so eben das Schloß einer, ihm verwandten
Dame, bei der er mehrere Tage verweilt.

Schon auf dem Schlosse hatte ihn ein verworre¬
nes Gerücht interessirt, das sich weiterhin in den Dör¬
fern immer wunderbarer ausschmückte. Es war die fast
mährchenhafte Sage von der Einsamkeit eines aufge¬
hobenen Klosters im benachbarten Gebirg und von
einem Mönch, der seit kurzer Zeit dort umgehe, wäh¬
rend Andere ihn wieder für einen wahnsinnigen Ein¬
siedler hielten. Aber auch diese wußten nicht, wann
und woher er gekommen; man nannte ihn nur den
Waldbruder Vitalis. -- Da Manfred's Weg ihn
durch das Gebirge führte, beschloß er endlich den ge¬
heimnißvollen Eremiten in seiner eigenen Klause auf¬
zusuchen.

18*
Einundzwanzigstes Kapitel.

Wir finden den Baron Manfred fern von ſei¬
nem ſtillen, gruͤnen Revier wieder, aus dem ihn eine
Familienangelegenheit von beſonderer Dringlichkeit ver¬
lockt hatte. Das Geſchaͤft, das er heiter zu ordnen
gedacht, war indeß durch Mißverſtaͤndniſſe unerwartet
verwickelt geworden, und unruhig, ja ernſtlich beſorgt
verließ er ſo eben das Schloß einer, ihm verwandten
Dame, bei der er mehrere Tage verweilt.

Schon auf dem Schloſſe hatte ihn ein verworre¬
nes Geruͤcht intereſſirt, das ſich weiterhin in den Doͤr¬
fern immer wunderbarer ausſchmuͤckte. Es war die faſt
maͤhrchenhafte Sage von der Einſamkeit eines aufge¬
hobenen Kloſters im benachbarten Gebirg und von
einem Moͤnch, der ſeit kurzer Zeit dort umgehe, waͤh¬
rend Andere ihn wieder fuͤr einen wahnſinnigen Ein¬
ſiedler hielten. Aber auch dieſe wußten nicht, wann
und woher er gekommen; man nannte ihn nur den
Waldbruder Vitalis. — Da Manfred's Weg ihn
durch das Gebirge fuͤhrte, beſchloß er endlich den ge¬
heimnißvollen Eremiten in ſeiner eigenen Klauſe auf¬
zuſuchen.

18*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0282" n="275"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Einundzwanzigstes Kapitel</hi>.<lb/></head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Wir finden den Baron <hi rendition="#g">Manfred</hi> fern von &#x017F;ei¬<lb/>
nem &#x017F;tillen, gru&#x0364;nen Revier wieder, aus dem ihn eine<lb/>
Familienangelegenheit von be&#x017F;onderer Dringlichkeit ver¬<lb/>
lockt hatte. Das Ge&#x017F;cha&#x0364;ft, das er heiter zu ordnen<lb/>
gedacht, war indeß durch Mißver&#x017F;ta&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e unerwartet<lb/>
verwickelt geworden, und unruhig, ja ern&#x017F;tlich be&#x017F;orgt<lb/>
verließ er &#x017F;o eben das Schloß einer, ihm verwandten<lb/>
Dame, bei der er mehrere Tage verweilt.</p><lb/>
          <p>Schon auf dem Schlo&#x017F;&#x017F;e hatte ihn ein verworre¬<lb/>
nes Geru&#x0364;cht intere&#x017F;&#x017F;irt, das &#x017F;ich weiterhin in den Do&#x0364;<lb/>
fern immer wunderbarer aus&#x017F;chmu&#x0364;ckte. Es war die fa&#x017F;t<lb/>
ma&#x0364;hrchenhafte Sage von der Ein&#x017F;amkeit eines aufge¬<lb/>
hobenen Klo&#x017F;ters im benachbarten Gebirg und von<lb/>
einem Mo&#x0364;nch, der &#x017F;eit kurzer Zeit dort umgehe, wa&#x0364;<lb/>
rend Andere ihn wieder fu&#x0364;r einen wahn&#x017F;innigen Ein¬<lb/>
&#x017F;iedler hielten. Aber auch die&#x017F;e wußten nicht, wann<lb/>
und woher er gekommen; man nannte ihn nur den<lb/>
Waldbruder <hi rendition="#g">Vitalis</hi>. &#x2014; Da Manfred's Weg ihn<lb/>
durch das Gebirge fu&#x0364;hrte, be&#x017F;chloß er endlich den ge¬<lb/>
heimnißvollen Eremiten in &#x017F;einer eigenen Klau&#x017F;e auf¬<lb/>
zu&#x017F;uchen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">18*<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0282] Einundzwanzigstes Kapitel. Wir finden den Baron Manfred fern von ſei¬ nem ſtillen, gruͤnen Revier wieder, aus dem ihn eine Familienangelegenheit von beſonderer Dringlichkeit ver¬ lockt hatte. Das Geſchaͤft, das er heiter zu ordnen gedacht, war indeß durch Mißverſtaͤndniſſe unerwartet verwickelt geworden, und unruhig, ja ernſtlich beſorgt verließ er ſo eben das Schloß einer, ihm verwandten Dame, bei der er mehrere Tage verweilt. Schon auf dem Schloſſe hatte ihn ein verworre¬ nes Geruͤcht intereſſirt, das ſich weiterhin in den Doͤr¬ fern immer wunderbarer ausſchmuͤckte. Es war die faſt maͤhrchenhafte Sage von der Einſamkeit eines aufge¬ hobenen Kloſters im benachbarten Gebirg und von einem Moͤnch, der ſeit kurzer Zeit dort umgehe, waͤh¬ rend Andere ihn wieder fuͤr einen wahnſinnigen Ein¬ ſiedler hielten. Aber auch dieſe wußten nicht, wann und woher er gekommen; man nannte ihn nur den Waldbruder Vitalis. — Da Manfred's Weg ihn durch das Gebirge fuͤhrte, beſchloß er endlich den ge¬ heimnißvollen Eremiten in ſeiner eigenen Klauſe auf¬ zuſuchen. 18*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/282
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/282>, abgerufen am 22.12.2024.