Es war ein schöner Sommerabend, als er zwi¬ schen Wiesen und nickenden Kornfeldern den bezeichne¬ ten Bergen zuritt. Ein Gewitter war über das Ge¬ birge fortgezogen und blitzende Tropfen hingen noch in Zweigen und Gras, aus dem ein erquickender Wohl¬ geruch emporstieg. Ein Holzhauer hatte ihm den Pfad nach der Einsiedelei gewiesen, die Gegend wurde immer höher, kühler und stiller, nur die Abendglocken schallten noch durch das feierliche Rauschen des Waldes aus den Thälern herauf. -- In dieser kräftigen Einsam¬ keit konnte er sich eines zürnenden Mißtrauens gegen den Einsiedler nicht erwehren, den er so eben kennen lernen sollte. Es kam ihm kleinlich, ja verrucht vor, inmitten allgemeiner Lust und Noth sich so in hoch¬ müthiger Selbstliebe abzusondern und über die andern zu stellen. Der Mensch, sagte er zu sich selbst, der Mensch allein verwirrt alles mit seiner Leidenschaft und Affectation!
Durch solche Betrachtungen war er nach und nach ganz in Eifer gerathen und nahm sich eben ernst¬ lich vor, den Einsiedler durch vernünftige Ueberredung, wo möglich der Welt wieder zuzuwenden, als sein Pferd plötzlich scheute und heftig zur Seite sprang. Denn eine wundersame Gestalt war auf einmal zwi¬ schen den Bäumen hervorgetreten, unter denen nun auch die in den Fels gehauene, von wilden Weinran¬ ken kühl verhangene Einsiedelei nebst einem sorgfältig
Es war ein ſchoͤner Sommerabend, als er zwi¬ ſchen Wieſen und nickenden Kornfeldern den bezeichne¬ ten Bergen zuritt. Ein Gewitter war uͤber das Ge¬ birge fortgezogen und blitzende Tropfen hingen noch in Zweigen und Gras, aus dem ein erquickender Wohl¬ geruch emporſtieg. Ein Holzhauer hatte ihm den Pfad nach der Einſiedelei gewieſen, die Gegend wurde immer hoͤher, kuͤhler und ſtiller, nur die Abendglocken ſchallten noch durch das feierliche Rauſchen des Waldes aus den Thaͤlern herauf. — In dieſer kraͤftigen Einſam¬ keit konnte er ſich eines zuͤrnenden Mißtrauens gegen den Einſiedler nicht erwehren, den er ſo eben kennen lernen ſollte. Es kam ihm kleinlich, ja verrucht vor, inmitten allgemeiner Luſt und Noth ſich ſo in hoch¬ muͤthiger Selbſtliebe abzuſondern und uͤber die andern zu ſtellen. Der Menſch, ſagte er zu ſich ſelbſt, der Menſch allein verwirrt alles mit ſeiner Leidenſchaft und Affectation!
Durch ſolche Betrachtungen war er nach und nach ganz in Eifer gerathen und nahm ſich eben ernſt¬ lich vor, den Einſiedler durch vernuͤnftige Ueberredung, wo moͤglich der Welt wieder zuzuwenden, als ſein Pferd ploͤtzlich ſcheute und heftig zur Seite ſprang. Denn eine wunderſame Geſtalt war auf einmal zwi¬ ſchen den Baͤumen hervorgetreten, unter denen nun auch die in den Fels gehauene, von wilden Weinran¬ ken kuͤhl verhangene Einſiedelei nebſt einem ſorgfaͤltig
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Es war ein ſchoͤner Sommerabend, als er zwi¬
ſchen Wieſen und nickenden Kornfeldern den bezeichne¬
ten Bergen zuritt. Ein Gewitter war uͤber das Ge¬
birge fortgezogen und blitzende Tropfen hingen noch in
Zweigen und Gras, aus dem ein erquickender Wohl¬
geruch emporſtieg. Ein Holzhauer hatte ihm den Pfad
nach der Einſiedelei gewieſen, die Gegend wurde immer
hoͤher, kuͤhler und ſtiller, nur die Abendglocken ſchallten
noch durch das feierliche Rauſchen des Waldes aus
den Thaͤlern herauf. — In dieſer kraͤftigen Einſam¬
keit konnte er ſich eines zuͤrnenden Mißtrauens gegen
den Einſiedler nicht erwehren, den er ſo eben kennen
lernen ſollte. Es kam ihm kleinlich, ja verrucht vor,
inmitten allgemeiner Luſt und Noth ſich ſo in hoch¬
muͤthiger Selbſtliebe abzuſondern und uͤber die andern
zu ſtellen. Der Menſch, ſagte er zu ſich ſelbſt, der
Menſch allein verwirrt alles mit ſeiner Leidenſchaft
und Affectation!
Durch ſolche Betrachtungen war er nach und
nach ganz in Eifer gerathen und nahm ſich eben ernſt¬
lich vor, den Einſiedler durch vernuͤnftige Ueberredung,
wo moͤglich der Welt wieder zuzuwenden, als ſein
Pferd ploͤtzlich ſcheute und heftig zur Seite ſprang.
Denn eine wunderſame Geſtalt war auf einmal zwi¬
ſchen den Baͤumen hervorgetreten, unter denen nun
auch die in den Fels gehauene, von wilden Weinran¬
ken kuͤhl verhangene Einſiedelei nebſt einem ſorgfaͤltig
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/283>, abgerufen am 21.11.2024.
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