senen Seelen aber leiden unter dem Bewußtsein: Niemand bedarf meiner, niemand verlangt meine Hingebung, ich bin der ganzen Welt gleichgültig. Nichts kann schmerzlicher und nieder- drückender sein, als eine solche Verein- samung des Herzens. In dieser uner- träglichen Herzensqual wird gar leicht von zwei Dingen eines geschehen. Ent- weder biegen die Ranken des liebebe- dürftigen Herzens zurück auf das eigene Ich, das Weib wird zur unweiblichen Egoistin mit dem harten Herzen und der scharfen Zunge, eine Qual für ihre Umgebung und noch mehr für sich sel- ber. Oder diese Ranken, die nicht auf- wärts klimmen können, kriechen auf den Boden, umklammern selbst den Kot, - das Weib geht unter in der Verwor- fenheit des Lasters. Da liegt der psy- chologische Grund - es gibt natürlich auch noch andere - für die Erniedrigung des weiblichen Geschlechtes in den Groß- städten.
senen Seelen aber leiden unter dem Bewußtsein: Niemand bedarf meiner, niemand verlangt meine Hingebung, ich bin der ganzen Welt gleichgültig. Nichts kann schmerzlicher und nieder- drückender sein, als eine solche Verein- samung des Herzens. In dieser uner- träglichen Herzensqual wird gar leicht von zwei Dingen eines geschehen. Ent- weder biegen die Ranken des liebebe- dürftigen Herzens zurück auf das eigene Ich, das Weib wird zur unweiblichen Egoistin mit dem harten Herzen und der scharfen Zunge, eine Qual für ihre Umgebung und noch mehr für sich sel- ber. Oder diese Ranken, die nicht auf- wärts klimmen können, kriechen auf den Boden, umklammern selbst den Kot, – das Weib geht unter in der Verwor- fenheit des Lasters. Da liegt der psy- chologische Grund – es gibt natürlich auch noch andere – für die Erniedrigung des weiblichen Geschlechtes in den Groß- städten.
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senen Seelen aber leiden unter dem
Bewußtsein: Niemand bedarf meiner,
niemand verlangt meine Hingebung,
ich bin der ganzen Welt gleichgültig.
Nichts kann schmerzlicher und nieder-
drückender sein, als eine solche Verein-
samung des Herzens. In dieser uner-
träglichen Herzensqual wird gar leicht
von zwei Dingen eines geschehen. Ent-
weder biegen die Ranken des liebebe-
dürftigen Herzens zurück auf das eigene
Ich, das Weib wird zur unweiblichen
Egoistin mit dem harten Herzen und
der scharfen Zunge, eine Qual für ihre
Umgebung und noch mehr für sich sel-
ber. Oder diese Ranken, die nicht auf-
wärts klimmen können, kriechen auf den
Boden, umklammern selbst den Kot, –
das Weib geht unter in der Verwor-
fenheit des Lasters. Da liegt der psy-
chologische Grund – es gibt natürlich
auch noch andere – für die Erniedrigung
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Egger, Augustin: Die christliche Mutter. Erbauungs- und Gebetbuch. - Einsiedeln u. a., [1914], S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_mutter_1914/41>, abgerufen am 26.04.2024.
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