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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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Morgens besucht mich Herr v. Goethe und eröffnet
mir, daß seine lange beabsichtigte Reise nach Italien
entschieden, daß von seinem Vater die nöthigen Gelder
bewilligt worden, und daß er wünsche daß ich mitgehe.
Wir freuen uns gemeinschaftlich über diese Nachricht
und bereden viel wegen der Vorbereitung.

Als ich darauf gegen Mittag bey Goethe's Hause
vorbeygehe, winkt Goethe mir am Fenster, und ich bin
schnell zu ihm hinauf. Er ist in den vorderen Zimmern
und sehr heiter und frisch. Er fängt sogleich an von
der Reise seines Sohnes zu reden, daß er sie billige,
sie vernünftig finde, und sich freue daß ich mitgehe.
"Es wird für Euch beyde gut seyn, sagte er, und Ihre
Cultur insbesondere wird sich nicht schlecht dabey be¬
finden."

Er zeigt mir sodann einen Christus mit zwölf
Aposteln
, und wir reden über das Geistlose solcher
Figuren, als Gegenstände der Darstellung für den Bild¬
hauer. "Der eine Apostel, sagte Goethe, ist immer
ungefähr wie der andere, und die wenigsten haben Leben
und Thaten hinter sich, um ihnen Character und Be¬
deutung zu geben. Ich habe mir bey dieser Gelegen¬
heit den Spaß gemacht, einen Cyclus von zwölf bibli¬
schen Figuren zu erfinden, wo jede bedeutend, jede an¬
ders und daher jede ein dankbarer Gegenstand für den
Künstler ist."

Morgens beſucht mich Herr v. Goethe und eroͤffnet
mir, daß ſeine lange beabſichtigte Reiſe nach Italien
entſchieden, daß von ſeinem Vater die noͤthigen Gelder
bewilligt worden, und daß er wuͤnſche daß ich mitgehe.
Wir freuen uns gemeinſchaftlich uͤber dieſe Nachricht
und bereden viel wegen der Vorbereitung.

Als ich darauf gegen Mittag bey Goethe's Hauſe
vorbeygehe, winkt Goethe mir am Fenſter, und ich bin
ſchnell zu ihm hinauf. Er iſt in den vorderen Zimmern
und ſehr heiter und friſch. Er faͤngt ſogleich an von
der Reiſe ſeines Sohnes zu reden, daß er ſie billige,
ſie vernuͤnftig finde, und ſich freue daß ich mitgehe.
„Es wird fuͤr Euch beyde gut ſeyn, ſagte er, und Ihre
Cultur insbeſondere wird ſich nicht ſchlecht dabey be¬
finden.“

Er zeigt mir ſodann einen Chriſtus mit zwoͤlf
Apoſteln
, und wir reden uͤber das Geiſtloſe ſolcher
Figuren, als Gegenſtaͤnde der Darſtellung fuͤr den Bild¬
hauer. „Der eine Apoſtel, ſagte Goethe, iſt immer
ungefaͤhr wie der andere, und die wenigſten haben Leben
und Thaten hinter ſich, um ihnen Character und Be¬
deutung zu geben. Ich habe mir bey dieſer Gelegen¬
heit den Spaß gemacht, einen Cyclus von zwoͤlf bibli¬
ſchen Figuren zu erfinden, wo jede bedeutend, jede an¬
ders und daher jede ein dankbarer Gegenſtand fuͤr den
Kuͤnſtler iſt.“

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[198/0208] Dienſtag, den 16. Maͤrz 1830. Morgens beſucht mich Herr v. Goethe und eroͤffnet mir, daß ſeine lange beabſichtigte Reiſe nach Italien entſchieden, daß von ſeinem Vater die noͤthigen Gelder bewilligt worden, und daß er wuͤnſche daß ich mitgehe. Wir freuen uns gemeinſchaftlich uͤber dieſe Nachricht und bereden viel wegen der Vorbereitung. Als ich darauf gegen Mittag bey Goethe's Hauſe vorbeygehe, winkt Goethe mir am Fenſter, und ich bin ſchnell zu ihm hinauf. Er iſt in den vorderen Zimmern und ſehr heiter und friſch. Er faͤngt ſogleich an von der Reiſe ſeines Sohnes zu reden, daß er ſie billige, ſie vernuͤnftig finde, und ſich freue daß ich mitgehe. „Es wird fuͤr Euch beyde gut ſeyn, ſagte er, und Ihre Cultur insbeſondere wird ſich nicht ſchlecht dabey be¬ finden.“ Er zeigt mir ſodann einen Chriſtus mit zwoͤlf Apoſteln, und wir reden uͤber das Geiſtloſe ſolcher Figuren, als Gegenſtaͤnde der Darſtellung fuͤr den Bild¬ hauer. „Der eine Apoſtel, ſagte Goethe, iſt immer ungefaͤhr wie der andere, und die wenigſten haben Leben und Thaten hinter ſich, um ihnen Character und Be¬ deutung zu geben. Ich habe mir bey dieſer Gelegen¬ heit den Spaß gemacht, einen Cyclus von zwoͤlf bibli¬ ſchen Figuren zu erfinden, wo jede bedeutend, jede an¬ ders und daher jede ein dankbarer Gegenſtand fuͤr den Kuͤnſtler iſt.“

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/208>, abgerufen am 21.11.2024.