"Ich habe dieser Tage einen Brief von unserm be¬ rühmten Salzbohrer in Stotternheim erhalten, sagte Goethe, der einen merkwürdigen Eingang hat und wo¬ von ich Ihnen erzählen muß."
"Ich habe eine Erfahrung gemacht, schreibt er, die mir nicht verloren seyn soll." Was aber folgt auf sol¬ chen Eingang? Es handelt sich um nichts Geringeres, als den Verlust von wenigstens Tausend Thalern. Den Schacht, wo es durch weicheren Boden und Gestein zwölfhundert Fuß tief zum Steinsalz hinabgeht, hat er unvorsichtiger Weise an den Seiten nicht unterstützt; der weichere Boden hat sich abgelöst und die Grube unten so verschlämmt, daß es jetzt einer höchst kostspie¬ ligen Operation bedarf, um den Schlamm herauszu¬ bringen. Er wird sodann, die zwölfhundert Fuß hin¬ unter, metallene Röhren einsetzen, um für die Folge vor einem ähnlichen Unglück sicher zu seyn. Er hätte es gleich thun sollen, und er hätte es auch sicher gleich gethan, wenn solche Leute nicht eine Verwegenheit be¬ säßen, wovon man keinen Begriff hat, die aber dazu gehört, um eine solche Unternehmung zu wagen. Er ist aber durchaus ruhig bey dem Unfall und schreibt ganz getrost: "Ich habe eine Erfahrung gemacht, die mir nicht verloren seyn soll." Das nenne ich doch noch einen Menschen an dem man Freude hat, und der, ohne
Sonntag, den 24. Januar 1830.
„Ich habe dieſer Tage einen Brief von unſerm be¬ ruͤhmten Salzbohrer in Stotternheim erhalten, ſagte Goethe, der einen merkwuͤrdigen Eingang hat und wo¬ von ich Ihnen erzaͤhlen muß.“
„Ich habe eine Erfahrung gemacht, ſchreibt er, die mir nicht verloren ſeyn ſoll.“ Was aber folgt auf ſol¬ chen Eingang? Es handelt ſich um nichts Geringeres, als den Verluſt von wenigſtens Tauſend Thalern. Den Schacht, wo es durch weicheren Boden und Geſtein zwoͤlfhundert Fuß tief zum Steinſalz hinabgeht, hat er unvorſichtiger Weiſe an den Seiten nicht unterſtuͤtzt; der weichere Boden hat ſich abgeloͤſt und die Grube unten ſo verſchlaͤmmt, daß es jetzt einer hoͤchſt koſtſpie¬ ligen Operation bedarf, um den Schlamm herauszu¬ bringen. Er wird ſodann, die zwoͤlfhundert Fuß hin¬ unter, metallene Roͤhren einſetzen, um fuͤr die Folge vor einem aͤhnlichen Ungluͤck ſicher zu ſeyn. Er haͤtte es gleich thun ſollen, und er haͤtte es auch ſicher gleich gethan, wenn ſolche Leute nicht eine Verwegenheit be¬ ſaͤßen, wovon man keinen Begriff hat, die aber dazu gehoͤrt, um eine ſolche Unternehmung zu wagen. Er iſt aber durchaus ruhig bey dem Unfall und ſchreibt ganz getroſt: „Ich habe eine Erfahrung gemacht, die mir nicht verloren ſeyn ſoll.“ Das nenne ich doch noch einen Menſchen an dem man Freude hat, und der, ohne
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Sonntag, den 24. Januar 1830.
„Ich habe dieſer Tage einen Brief von unſerm be¬
ruͤhmten Salzbohrer in Stotternheim erhalten, ſagte
Goethe, der einen merkwuͤrdigen Eingang hat und wo¬
von ich Ihnen erzaͤhlen muß.“
„Ich habe eine Erfahrung gemacht, ſchreibt er, die
mir nicht verloren ſeyn ſoll.“ Was aber folgt auf ſol¬
chen Eingang? Es handelt ſich um nichts Geringeres,
als den Verluſt von wenigſtens Tauſend Thalern. Den
Schacht, wo es durch weicheren Boden und Geſtein
zwoͤlfhundert Fuß tief zum Steinſalz hinabgeht, hat er
unvorſichtiger Weiſe an den Seiten nicht unterſtuͤtzt;
der weichere Boden hat ſich abgeloͤſt und die Grube
unten ſo verſchlaͤmmt, daß es jetzt einer hoͤchſt koſtſpie¬
ligen Operation bedarf, um den Schlamm herauszu¬
bringen. Er wird ſodann, die zwoͤlfhundert Fuß hin¬
unter, metallene Roͤhren einſetzen, um fuͤr die Folge
vor einem aͤhnlichen Ungluͤck ſicher zu ſeyn. Er haͤtte
es gleich thun ſollen, und er haͤtte es auch ſicher gleich
gethan, wenn ſolche Leute nicht eine Verwegenheit be¬
ſaͤßen, wovon man keinen Begriff hat, die aber dazu
gehoͤrt, um eine ſolche Unternehmung zu wagen. Er
iſt aber durchaus ruhig bey dem Unfall und ſchreibt
ganz getroſt: „Ich habe eine Erfahrung gemacht, die
mir nicht verloren ſeyn ſoll.“ Das nenne ich doch noch
einen Menſchen an dem man Freude hat, und der, ohne
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/184>, abgerufen am 03.12.2024.
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