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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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Die Perserinnen hörten dem Greise staunend zu.
Jhre ungeübte Fassungskraft vermochte nicht dem Gedan-
kengange des Krösus zu folgen; Nitetis aber hatte ihn
wohl verstanden und rief: "Ladike, meine Mutter, die
Schülerin des Pythagoras, hat mich Aehnliches gelehrt; --
die ägyptischen Priester aber nennen diese Ansichten frevel-
haft, und ihre Erfinder Götterverächter. Darum hab ich
mich bestrebt, solche Gedanken in meinem Herzen zu unter-
drücken. Jetzt will ich mich nicht länger gegen dieselben
sträuben. Was der gute, fromme und weise Krösus glaubt,
kann ja nichts Schlimmes, Gottloses sein! Oropastes mag
kommen! Jch bin bereit, seine Lehren zu hören und mir
unsern Ammon, den Gott von Theben, in Auramazda,
Jsis oder Hathor in Anahita zu übersetzen, und das, wo-
für ich in Persien nichts Aehnliches finde, mit dem Na-
men ,Gottheit' zu bezeichnen."

Krösus lächelte. Er hatte geglaubt, Nitetis würde
schwerer von den Göttern ihrer Heimat lassen, denn er
kannte den unbeugsam am Hergebrachten und Anerzognen
hängenden Sinn der Aegypter; aber er hatte vergessen,
daß die Mutter dieser Jungfrau eine Hellenin, und
daß die Lehre des Pythagoras den Töchtern des Amasis
nicht fremd geblieben war. Endlich kannte er nicht den
heißen Herzenswunsch dieses Mädchens, das Wohlgefallen
ihres stolzen Gebieters zu erringen. Amasis selbst würde,
obgleich er den samischen Weisen hoch verehrte, obgleich er
manchem hellenischen Einflusse nachgab und mit Recht ein
freidenkender Aegypter genannt werden konnte, eher sein
Leben mit dem Tode, als seine vielgestaltigen Götter mit
dem Begriffe "Gottheit" vertauscht haben.

"Du bist eine gelehrige Schülerin," sagte Krösus,
seine Hand auf das Haupt seines Schützlings legend.

Ebers, Eine ägyptische Königstochter. II. 4

Die Perſerinnen hörten dem Greiſe ſtaunend zu.
Jhre ungeübte Faſſungskraft vermochte nicht dem Gedan-
kengange des Kröſus zu folgen; Nitetis aber hatte ihn
wohl verſtanden und rief: „Ladike, meine Mutter, die
Schülerin des Pythagoras, hat mich Aehnliches gelehrt; —
die ägyptiſchen Prieſter aber nennen dieſe Anſichten frevel-
haft, und ihre Erfinder Götterverächter. Darum hab ich
mich beſtrebt, ſolche Gedanken in meinem Herzen zu unter-
drücken. Jetzt will ich mich nicht länger gegen dieſelben
ſträuben. Was der gute, fromme und weiſe Kröſus glaubt,
kann ja nichts Schlimmes, Gottloſes ſein! Oropaſtes mag
kommen! Jch bin bereit, ſeine Lehren zu hören und mir
unſern Ammon, den Gott von Theben, in Auramazda,
Jſis oder Hathor in Anahita zu überſetzen, und das, wo-
für ich in Perſien nichts Aehnliches finde, mit dem Na-
men ‚Gottheit‘ zu bezeichnen.“

Kröſus lächelte. Er hatte geglaubt, Nitetis würde
ſchwerer von den Göttern ihrer Heimat laſſen, denn er
kannte den unbeugſam am Hergebrachten und Anerzognen
hängenden Sinn der Aegypter; aber er hatte vergeſſen,
daß die Mutter dieſer Jungfrau eine Hellenin, und
daß die Lehre des Pythagoras den Töchtern des Amaſis
nicht fremd geblieben war. Endlich kannte er nicht den
heißen Herzenswunſch dieſes Mädchens, das Wohlgefallen
ihres ſtolzen Gebieters zu erringen. Amaſis ſelbſt würde,
obgleich er den ſamiſchen Weiſen hoch verehrte, obgleich er
manchem helleniſchen Einfluſſe nachgab und mit Recht ein
freidenkender Aegypter genannt werden konnte, eher ſein
Leben mit dem Tode, als ſeine vielgeſtaltigen Götter mit
dem Begriffe „Gottheit“ vertauſcht haben.

„Du biſt eine gelehrige Schülerin,“ ſagte Kröſus,
ſeine Hand auf das Haupt ſeines Schützlings legend.

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[49/0051] Die Perſerinnen hörten dem Greiſe ſtaunend zu. Jhre ungeübte Faſſungskraft vermochte nicht dem Gedan- kengange des Kröſus zu folgen; Nitetis aber hatte ihn wohl verſtanden und rief: „Ladike, meine Mutter, die Schülerin des Pythagoras, hat mich Aehnliches gelehrt; — die ägyptiſchen Prieſter aber nennen dieſe Anſichten frevel- haft, und ihre Erfinder Götterverächter. Darum hab ich mich beſtrebt, ſolche Gedanken in meinem Herzen zu unter- drücken. Jetzt will ich mich nicht länger gegen dieſelben ſträuben. Was der gute, fromme und weiſe Kröſus glaubt, kann ja nichts Schlimmes, Gottloſes ſein! Oropaſtes mag kommen! Jch bin bereit, ſeine Lehren zu hören und mir unſern Ammon, den Gott von Theben, in Auramazda, Jſis oder Hathor in Anahita zu überſetzen, und das, wo- für ich in Perſien nichts Aehnliches finde, mit dem Na- men ‚Gottheit‘ zu bezeichnen.“ Kröſus lächelte. Er hatte geglaubt, Nitetis würde ſchwerer von den Göttern ihrer Heimat laſſen, denn er kannte den unbeugſam am Hergebrachten und Anerzognen hängenden Sinn der Aegypter; aber er hatte vergeſſen, daß die Mutter dieſer Jungfrau eine Hellenin, und daß die Lehre des Pythagoras den Töchtern des Amaſis nicht fremd geblieben war. Endlich kannte er nicht den heißen Herzenswunſch dieſes Mädchens, das Wohlgefallen ihres ſtolzen Gebieters zu erringen. Amaſis ſelbſt würde, obgleich er den ſamiſchen Weiſen hoch verehrte, obgleich er manchem helleniſchen Einfluſſe nachgab und mit Recht ein freidenkender Aegypter genannt werden konnte, eher ſein Leben mit dem Tode, als ſeine vielgeſtaltigen Götter mit dem Begriffe „Gottheit“ vertauſcht haben. „Du biſt eine gelehrige Schülerin,“ ſagte Kröſus, ſeine Hand auf das Haupt ſeines Schützlings legend. Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. II. 4

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/51>, abgerufen am 27.04.2024.