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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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Während dieser Vorgänge saßen die jungen gefang-
nen Helden und der alte Araspes, nachdem Bartja dem
Gyges einen Abschiedsbrief an Sappho dictirt hatte, zechend
bei einander. "Laßt uns fröhlich sein," rief Zopyros,
"denn ich glaube, daß es mit der Freude bald vorbei sein
wird! Jch will nicht länger leben, wenn wir morgen früh
nicht sammt und sonders todt sind. Schade, daß wir Men-
schen nur einen Hals haben; hätten wir zwei, so würde
ich mehr als ein Goldstück für unser Leben verwetten."

"Zopyros hat recht," fügte Araspes hinzu; "wir
wollen fröhlich sein und die Augen aufhalten, denn sie
werden sich bald genug auf immer schließen."

"Wer unschuldig wie wir in den Tod geht, hat keine
Ursache zur Trauer," sagte Gyges. "Füll' mir den Becher,
Schenk!"

"He, Bartja und Darius," rief Zopyros den Freun-
den zu, welche sich leise besprachen. "Habt ihr wieder
Geheimnisse? -- Kommt her zu uns und nehmt den
Becher. Jch habe mir bei Mithra niemals den Tod ge-
wünscht, heute freu' ich mich aber auf den schwarzen
Azis 104), denn er wird uns Alle auf einmal entführen.
Zopyros stirbt lieber mit seinen Freunden, als daß er
ohne dieselben lebt!"

"Vor allen Dingen," sagte Darius, indem er sich
mit Bartja zu den Trinkenden gesellte, "müssen wir uns
das Vorgefallene zu erklären versuchen."

"Mir ist's gleich," rief Zopyros, "ob ich mit oder ohne
Erklärung sterbe, wenn ich nur weiß, daß ich unschuldig
bin und den Tod des falschen Zeugen nicht verdient habe!
Schaff' uns goldne Pokale, Bischen; aus diesen schlechten,
ehernen Bechern will mir der Wein nicht munden. Wenn
auch Kambyses unsern Freunden und Vätern, uns zu be-

Während dieſer Vorgänge ſaßen die jungen gefang-
nen Helden und der alte Araspes, nachdem Bartja dem
Gyges einen Abſchiedsbrief an Sappho dictirt hatte, zechend
bei einander. „Laßt uns fröhlich ſein,“ rief Zopyros,
„denn ich glaube, daß es mit der Freude bald vorbei ſein
wird! Jch will nicht länger leben, wenn wir morgen früh
nicht ſammt und ſonders todt ſind. Schade, daß wir Men-
ſchen nur einen Hals haben; hätten wir zwei, ſo würde
ich mehr als ein Goldſtück für unſer Leben verwetten.“

„Zopyros hat recht,“ fügte Araspes hinzu; „wir
wollen fröhlich ſein und die Augen aufhalten, denn ſie
werden ſich bald genug auf immer ſchließen.“

„Wer unſchuldig wie wir in den Tod geht, hat keine
Urſache zur Trauer,“ ſagte Gyges. „Füll’ mir den Becher,
Schenk!“

„He, Bartja und Darius,“ rief Zopyros den Freun-
den zu, welche ſich leiſe beſprachen. „Habt ihr wieder
Geheimniſſe? — Kommt her zu uns und nehmt den
Becher. Jch habe mir bei Mithra niemals den Tod ge-
wünſcht, heute freu’ ich mich aber auf den ſchwarzen
Azis 104), denn er wird uns Alle auf einmal entführen.
Zopyros ſtirbt lieber mit ſeinen Freunden, als daß er
ohne dieſelben lebt!“

„Vor allen Dingen,“ ſagte Darius, indem er ſich
mit Bartja zu den Trinkenden geſellte, „müſſen wir uns
das Vorgefallene zu erklären verſuchen.“

„Mir iſt’s gleich,“ rief Zopyros, „ob ich mit oder ohne
Erklärung ſterbe, wenn ich nur weiß, daß ich unſchuldig
bin und den Tod des falſchen Zeugen nicht verdient habe!
Schaff’ uns goldne Pokale, Biſchen; aus dieſen ſchlechten,
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[170/0172] Während dieſer Vorgänge ſaßen die jungen gefang- nen Helden und der alte Araspes, nachdem Bartja dem Gyges einen Abſchiedsbrief an Sappho dictirt hatte, zechend bei einander. „Laßt uns fröhlich ſein,“ rief Zopyros, „denn ich glaube, daß es mit der Freude bald vorbei ſein wird! Jch will nicht länger leben, wenn wir morgen früh nicht ſammt und ſonders todt ſind. Schade, daß wir Men- ſchen nur einen Hals haben; hätten wir zwei, ſo würde ich mehr als ein Goldſtück für unſer Leben verwetten.“ „Zopyros hat recht,“ fügte Araspes hinzu; „wir wollen fröhlich ſein und die Augen aufhalten, denn ſie werden ſich bald genug auf immer ſchließen.“ „Wer unſchuldig wie wir in den Tod geht, hat keine Urſache zur Trauer,“ ſagte Gyges. „Füll’ mir den Becher, Schenk!“ „He, Bartja und Darius,“ rief Zopyros den Freun- den zu, welche ſich leiſe beſprachen. „Habt ihr wieder Geheimniſſe? — Kommt her zu uns und nehmt den Becher. Jch habe mir bei Mithra niemals den Tod ge- wünſcht, heute freu’ ich mich aber auf den ſchwarzen Azis 104), denn er wird uns Alle auf einmal entführen. Zopyros ſtirbt lieber mit ſeinen Freunden, als daß er ohne dieſelben lebt!“ „Vor allen Dingen,“ ſagte Darius, indem er ſich mit Bartja zu den Trinkenden geſellte, „müſſen wir uns das Vorgefallene zu erklären verſuchen.“ „Mir iſt’s gleich,“ rief Zopyros, „ob ich mit oder ohne Erklärung ſterbe, wenn ich nur weiß, daß ich unſchuldig bin und den Tod des falſchen Zeugen nicht verdient habe! Schaff’ uns goldne Pokale, Biſchen; aus dieſen ſchlechten, ehernen Bechern will mir der Wein nicht munden. Wenn auch Kambyſes unſern Freunden und Vätern, uns zu be-

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/172>, abgerufen am 26.04.2024.