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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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"Theile mir mit, was Du besorgst!"

"Jener ägyptische Priester zu Sais, mit dem ich die
Sterne beobachtete, hat Dein Horoskop mit mir gestellt.
Er war der himmelskundigste Mann, welchen ich jemals
gesehn. Jch verdanke ihm manche Kenntniß, und will Dir
nicht verschweigen, daß er mich schon damals auf Gefah-
ren aufmerksam machte, die über Deinem Haupte schweben."

"Und Du verschwiegst mir das?"

"Warum sollt' ich Dich vorzeitig ängstigen? Jetzt,
wo sich das Verhängniß nähert, warn' ich Dich."

"Jch danke Dir und werde Vorsicht üben. Früher
hätte ich nicht auf Deine Mahnung gehört; seitdem ich
aber liebe, ist mir's immer, als hätte ich nicht mehr so
frei über mein Leben zu verfügen, als sonst."

"Jch verstehe dieses Gefühl ..."

"Du verstehst mich? So hatte Araspes recht beob-
achtet? -- Du sagst nicht nein? O, nun verschweigst Du
mir auch nicht länger, was Dein Herz bewegt!"

"Ein Traum sonder Hoffnung!"

"Welches Weib könnte Dich verschmähn?"

"Verschmähn?"

"Jch begreife Dich nicht! Sinkt Dir, dem kühnsten
Jäger, dem stärksten Ringer, dem weisesten aller jungen
Perser der feste Muth einem Weibe gegenüber?"

"Darf ich Dir vertrauen, mehr vertrauen als ich
meinem Vater vertrauen würde, Bartja?"

"Du darfst!"

"Jch liebe die Tochter des Kyros, Deine und des
Königs Schwester, Atossa!"

"Hab' ich Dich recht verstanden; Du liebst Atossa?
So danke ich euch, ihr reinen Amescha cpenta *)! Von heute

*) Siehe II. Theil Anmerkung 102.

„Theile mir mit, was Du beſorgſt!“

„Jener ägyptiſche Prieſter zu Sais, mit dem ich die
Sterne beobachtete, hat Dein Horoskop mit mir geſtellt.
Er war der himmelskundigſte Mann, welchen ich jemals
geſehn. Jch verdanke ihm manche Kenntniß, und will Dir
nicht verſchweigen, daß er mich ſchon damals auf Gefah-
ren aufmerkſam machte, die über Deinem Haupte ſchweben.“

„Und Du verſchwiegſt mir das?“

„Warum ſollt’ ich Dich vorzeitig ängſtigen? Jetzt,
wo ſich das Verhängniß nähert, warn’ ich Dich.“

„Jch danke Dir und werde Vorſicht üben. Früher
hätte ich nicht auf Deine Mahnung gehört; ſeitdem ich
aber liebe, iſt mir’s immer, als hätte ich nicht mehr ſo
frei über mein Leben zu verfügen, als ſonſt.“

„Jch verſtehe dieſes Gefühl ...“

„Du verſtehſt mich? So hatte Araspes recht beob-
achtet? — Du ſagſt nicht nein? O, nun verſchweigſt Du
mir auch nicht länger, was Dein Herz bewegt!“

„Ein Traum ſonder Hoffnung!“

„Welches Weib könnte Dich verſchmähn?“

„Verſchmähn?“

„Jch begreife Dich nicht! Sinkt Dir, dem kühnſten
Jäger, dem ſtärkſten Ringer, dem weiſeſten aller jungen
Perſer der feſte Muth einem Weibe gegenüber?“

„Darf ich Dir vertrauen, mehr vertrauen als ich
meinem Vater vertrauen würde, Bartja?“

„Du darfſt!“

„Jch liebe die Tochter des Kyros, Deine und des
Königs Schweſter, Atoſſa!“

„Hab’ ich Dich recht verſtanden; Du liebſt Atoſſa?
So danke ich euch, ihr reinen Ameſcha çpenta *)! Von heute

*) Siehe II. Theil Anmerkung 102.
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[149/0151] „Theile mir mit, was Du beſorgſt!“ „Jener ägyptiſche Prieſter zu Sais, mit dem ich die Sterne beobachtete, hat Dein Horoskop mit mir geſtellt. Er war der himmelskundigſte Mann, welchen ich jemals geſehn. Jch verdanke ihm manche Kenntniß, und will Dir nicht verſchweigen, daß er mich ſchon damals auf Gefah- ren aufmerkſam machte, die über Deinem Haupte ſchweben.“ „Und Du verſchwiegſt mir das?“ „Warum ſollt’ ich Dich vorzeitig ängſtigen? Jetzt, wo ſich das Verhängniß nähert, warn’ ich Dich.“ „Jch danke Dir und werde Vorſicht üben. Früher hätte ich nicht auf Deine Mahnung gehört; ſeitdem ich aber liebe, iſt mir’s immer, als hätte ich nicht mehr ſo frei über mein Leben zu verfügen, als ſonſt.“ „Jch verſtehe dieſes Gefühl ...“ „Du verſtehſt mich? So hatte Araspes recht beob- achtet? — Du ſagſt nicht nein? O, nun verſchweigſt Du mir auch nicht länger, was Dein Herz bewegt!“ „Ein Traum ſonder Hoffnung!“ „Welches Weib könnte Dich verſchmähn?“ „Verſchmähn?“ „Jch begreife Dich nicht! Sinkt Dir, dem kühnſten Jäger, dem ſtärkſten Ringer, dem weiſeſten aller jungen Perſer der feſte Muth einem Weibe gegenüber?“ „Darf ich Dir vertrauen, mehr vertrauen als ich meinem Vater vertrauen würde, Bartja?“ „Du darfſt!“ „Jch liebe die Tochter des Kyros, Deine und des Königs Schweſter, Atoſſa!“ „Hab’ ich Dich recht verſtanden; Du liebſt Atoſſa? So danke ich euch, ihr reinen Ameſcha çpenta *)! Von heute *) Siehe II. Theil Anmerkung 102.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/151>, abgerufen am 26.04.2024.