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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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neuen Leben, das ihrem Könige Gustasp Zerdutsch, der Bote des
Himmels, brachte. Die Grundlage der neuen Lehre war der ewige
Kampf zwischen dem Lichte und der Finsterniß; Ormuzd gegen
Arhiman und die sieben Erzfürsten des Lichts und die sieben der
Finsterniß, beide mit ihren Heerschaaren, kämpfen ewig um die
Herrschaft der Welt; alles Geschaffene gehört dem Licht oder der
Finsterniß, und muß mit Antheil nehmen an dem großen Streit;
nur der Mensch steht zwischen beiden, um nach freier Wahl für
das Gute oder Böse zu kämpfen; die Söhne des Lichtes, die Ira-
nier, kämpfen so den großen Kampf für Ormuzd; und seinem Reiche
die Welt zu unterwerfen, sie nach dem Vorbilde des Lichtreiches zu
ordnen und für das Gute zu gewinnen, das ist der große Impuls
ihres geschichtlichen Lebens, auf daß einst die goldne Zeit Dsjem-
schids der Erde wiederkehre.

So die religiösen Sagen des Volkes, die sich in seiner Ge-
schichte bestätigt finden. Cyrus hatte am Medischen Hofe jenen
Hochmuth und jene Erschlaffung des Glückes gesehen, die ihn sein
strengeres Volk zur Herrschaft aufzurufen ermuthigte; er ließ sie
den einen Tag ein Stück Feld urbar machen und die ganze Last
der Knechtschaft fühlen, dann berief er sie den anderen Tag zum
festlichen Mahle; er forderte sie auf zu wählen zwischen jenem trau-
rigen, knechtischen Leben, das am Boden haftet und dem herrlicheren
des Siegers; sie wählten Kampf und Sieg. So zog er gegen
Medien, und unterwarf es dem Persischen Volke; und weiter trieb
ihn das neuerwachte Leben, das Bahylonische, das Lydische Reich
unterlag dem kräftigeren Volke des Iranischen Hochlandes; Cyrus
Sohn Cambyses fügte der neuen Herrschaft Aegypten hinzu; dem
neuerwachten geschichtlichen Leben widerstand keines der Asiatischen
Völker, sie alle wurden von diesem Strudel unwiderstehlicher Ge-
walt ergriffen. Aber viele sehnten sich zurück nach der kampflosen
und glückseligen Zeit der Medischen Herrschaft; die Magier, die
Priester der alten Lehre, benutzten Cambyses Abwesenheit zur Em-
pörung, sie machten einen aus ihrer Mitte zum König und nann-
ten ihn Cyrus jüngeren Sohn, sie erließen den Völkern die Kriegs-
dienste und den Tribut auf drei Jahre, und die Völker waren mit
der neuen Herrschaft zufrieden und glücklich; nur die Perser nicht.
Sieben Edle des Volkes vereinten sich, dem Magier die Krone zu

neuen Leben, das ihrem Könige Guſtaſp Zerdutſch, der Bote des
Himmels, brachte. Die Grundlage der neuen Lehre war der ewige
Kampf zwiſchen dem Lichte und der Finſterniß; Ormuzd gegen
Arhiman und die ſieben Erzfürſten des Lichts und die ſieben der
Finſterniß, beide mit ihren Heerſchaaren, kämpfen ewig um die
Herrſchaft der Welt; alles Geſchaffene gehört dem Licht oder der
Finſterniß, und muß mit Antheil nehmen an dem großen Streit;
nur der Menſch ſteht zwiſchen beiden, um nach freier Wahl für
das Gute oder Böſe zu kämpfen; die Söhne des Lichtes, die Ira-
nier, kämpfen ſo den großen Kampf für Ormuzd; und ſeinem Reiche
die Welt zu unterwerfen, ſie nach dem Vorbilde des Lichtreiches zu
ordnen und für das Gute zu gewinnen, das iſt der große Impuls
ihres geſchichtlichen Lebens, auf daß einſt die goldne Zeit Dſjem-
ſchids der Erde wiederkehre.

So die religiöſen Sagen des Volkes, die ſich in ſeiner Ge-
ſchichte beſtätigt finden. Cyrus hatte am Mediſchen Hofe jenen
Hochmuth und jene Erſchlaffung des Glückes geſehen, die ihn ſein
ſtrengeres Volk zur Herrſchaft aufzurufen ermuthigte; er ließ ſie
den einen Tag ein Stück Feld urbar machen und die ganze Laſt
der Knechtſchaft fühlen, dann berief er ſie den anderen Tag zum
feſtlichen Mahle; er forderte ſie auf zu wählen zwiſchen jenem trau-
rigen, knechtiſchen Leben, das am Boden haftet und dem herrlicheren
des Siegers; ſie wählten Kampf und Sieg. So zog er gegen
Medien, und unterwarf es dem Perſiſchen Volke; und weiter trieb
ihn das neuerwachte Leben, das Bahyloniſche, das Lydiſche Reich
unterlag dem kräftigeren Volke des Iraniſchen Hochlandes; Cyrus
Sohn Cambyſes fügte der neuen Herrſchaft Aegypten hinzu; dem
neuerwachten geſchichtlichen Leben widerſtand keines der Aſiatiſchen
Völker, ſie alle wurden von dieſem Strudel unwiderſtehlicher Ge-
walt ergriffen. Aber viele ſehnten ſich zurück nach der kampfloſen
und glückſeligen Zeit der Mediſchen Herrſchaft; die Magier, die
Prieſter der alten Lehre, benutzten Cambyſes Abweſenheit zur Em-
pörung, ſie machten einen aus ihrer Mitte zum König und nann-
ten ihn Cyrus jüngeren Sohn, ſie erließen den Völkern die Kriegs-
dienſte und den Tribut auf drei Jahre, und die Völker waren mit
der neuen Herrſchaft zufrieden und glücklich; nur die Perſer nicht.
Sieben Edle des Volkes vereinten ſich, dem Magier die Krone zu

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[18/0032] neuen Leben, das ihrem Könige Guſtaſp Zerdutſch, der Bote des Himmels, brachte. Die Grundlage der neuen Lehre war der ewige Kampf zwiſchen dem Lichte und der Finſterniß; Ormuzd gegen Arhiman und die ſieben Erzfürſten des Lichts und die ſieben der Finſterniß, beide mit ihren Heerſchaaren, kämpfen ewig um die Herrſchaft der Welt; alles Geſchaffene gehört dem Licht oder der Finſterniß, und muß mit Antheil nehmen an dem großen Streit; nur der Menſch ſteht zwiſchen beiden, um nach freier Wahl für das Gute oder Böſe zu kämpfen; die Söhne des Lichtes, die Ira- nier, kämpfen ſo den großen Kampf für Ormuzd; und ſeinem Reiche die Welt zu unterwerfen, ſie nach dem Vorbilde des Lichtreiches zu ordnen und für das Gute zu gewinnen, das iſt der große Impuls ihres geſchichtlichen Lebens, auf daß einſt die goldne Zeit Dſjem- ſchids der Erde wiederkehre. So die religiöſen Sagen des Volkes, die ſich in ſeiner Ge- ſchichte beſtätigt finden. Cyrus hatte am Mediſchen Hofe jenen Hochmuth und jene Erſchlaffung des Glückes geſehen, die ihn ſein ſtrengeres Volk zur Herrſchaft aufzurufen ermuthigte; er ließ ſie den einen Tag ein Stück Feld urbar machen und die ganze Laſt der Knechtſchaft fühlen, dann berief er ſie den anderen Tag zum feſtlichen Mahle; er forderte ſie auf zu wählen zwiſchen jenem trau- rigen, knechtiſchen Leben, das am Boden haftet und dem herrlicheren des Siegers; ſie wählten Kampf und Sieg. So zog er gegen Medien, und unterwarf es dem Perſiſchen Volke; und weiter trieb ihn das neuerwachte Leben, das Bahyloniſche, das Lydiſche Reich unterlag dem kräftigeren Volke des Iraniſchen Hochlandes; Cyrus Sohn Cambyſes fügte der neuen Herrſchaft Aegypten hinzu; dem neuerwachten geſchichtlichen Leben widerſtand keines der Aſiatiſchen Völker, ſie alle wurden von dieſem Strudel unwiderſtehlicher Ge- walt ergriffen. Aber viele ſehnten ſich zurück nach der kampfloſen und glückſeligen Zeit der Mediſchen Herrſchaft; die Magier, die Prieſter der alten Lehre, benutzten Cambyſes Abweſenheit zur Em- pörung, ſie machten einen aus ihrer Mitte zum König und nann- ten ihn Cyrus jüngeren Sohn, ſie erließen den Völkern die Kriegs- dienſte und den Tribut auf drei Jahre, und die Völker waren mit der neuen Herrſchaft zufrieden und glücklich; nur die Perſer nicht. Sieben Edle des Volkes vereinten ſich, dem Magier die Krone zu

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/32>, abgerufen am 26.04.2024.