entreißen, sie ermordeten ihn und seinen Anhang, sie riefen das Volk der Perser auf, ihrem Beispiel zu folgen, und viele Magier wurden an jenem Tage erschlagen; dann erhielt der Achämenide Darius, Hystaspis Sohn, die Herrschaft der Perser, der größte ihrer Könige.
Darius hat das Reich organisirt; da weder durch eine eigenthüm- lich Persische Bildung, noch durch die Religion des lebendigen Wortes, die Kampf und Vernichtung, aber nicht Verschmelzung oder Bekehrung wollte, die unterworfenen Völker zu einer Einheit zu gestalten waren, so blieb nichts übrig, als über sie alle ein möglichst enges und festes Netz der Knechtschaft zu werfen. So wurden die Völker, ohne be- deutende Veränderung in ihrem religiösen Leben und den inneren politischen Zuständen zu erleiden, in Satrapien vertheilt, die edle Perser, meistens aus dem Geschlecht der Pasargaden, als Satra- pen des Königs erhielten; ihr Verhältniß zum Reiche bestand nur in der Leistung des Tributes und des Heerdienstes, wenn ein allge- meines Aufgebot erging, in der Ernährung des Satrapen mit sei- nem Hofstaate, seinem Heere und den stehenden Besatzungen der Städte. Indem so die Völker ihre Nationalität und Religion, oft ihre heimischen Fürsten und Verfassungen behielten, war das einzige Band, das sie an die hohe Pforte zu Persepolis knüpfte, die Treue der einzelnen Satrapen gegen den Großkönig; seine Despotenmacht hielt die ganz verschiedenen Elemente des ungeheu- ren Reiches zusammen; er war die Sonne, um die sich die Sy- steme der Völker in fernen und ferneren Kreisen bewegten; seine Satrapen, "Könige nur dem Großkönige unterthan," hafteten für ihre Satrapien, zu deren Schutz, so wie zur Mehrung des Tributs und Vergrößerung des Gebiets, sie mit und ohne Befehl des Groß- königs Krieg und Frieden machten; nur selten rief der König zum allgemeinen Kriege; dann folgten alle Völker aus allen Sa- trapien, und der König führte sie selbst an. Das sind die Grund- züge einer Organisation, die, aus dem Leben des Persischen Volkes hervorgegangen, sich nur so lange bewähren konnten, als das herr- schende Volk sich selbst, seiner alten Strenge und seiner blinden Verehrung gegen den Gott König getreu blieb; unter Darius hat die Persische Macht die höchste Blüthe gehabt, deren sie fähig war.
Aber bald begannen sich die Spuren des Verfalles zu zeigen,
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entreißen, ſie ermordeten ihn und ſeinen Anhang, ſie riefen das Volk der Perſer auf, ihrem Beiſpiel zu folgen, und viele Magier wurden an jenem Tage erſchlagen; dann erhielt der Achämenide Darius, Hyſtaspis Sohn, die Herrſchaft der Perſer, der größte ihrer Könige.
Darius hat das Reich organiſirt; da weder durch eine eigenthüm- lich Perſiſche Bildung, noch durch die Religion des lebendigen Wortes, die Kampf und Vernichtung, aber nicht Verſchmelzung oder Bekehrung wollte, die unterworfenen Völker zu einer Einheit zu geſtalten waren, ſo blieb nichts übrig, als über ſie alle ein möglichſt enges und feſtes Netz der Knechtſchaft zu werfen. So wurden die Völker, ohne be- deutende Veränderung in ihrem religiöſen Leben und den inneren politiſchen Zuſtänden zu erleiden, in Satrapien vertheilt, die edle Perſer, meiſtens aus dem Geſchlecht der Paſargaden, als Satra- pen des Königs erhielten; ihr Verhältniß zum Reiche beſtand nur in der Leiſtung des Tributes und des Heerdienſtes, wenn ein allge- meines Aufgebot erging, in der Ernährung des Satrapen mit ſei- nem Hofſtaate, ſeinem Heere und den ſtehenden Beſatzungen der Städte. Indem ſo die Völker ihre Nationalität und Religion, oft ihre heimiſchen Fürſten und Verfaſſungen behielten, war das einzige Band, das ſie an die hohe Pforte zu Perſepolis knüpfte, die Treue der einzelnen Satrapen gegen den Großkönig; ſeine Despotenmacht hielt die ganz verſchiedenen Elemente des ungeheu- ren Reiches zuſammen; er war die Sonne, um die ſich die Sy- ſteme der Völker in fernen und ferneren Kreiſen bewegten; ſeine Satrapen, „Könige nur dem Großkönige unterthan,“ hafteten für ihre Satrapien, zu deren Schutz, ſo wie zur Mehrung des Tributs und Vergrößerung des Gebiets, ſie mit und ohne Befehl des Groß- königs Krieg und Frieden machten; nur ſelten rief der König zum allgemeinen Kriege; dann folgten alle Völker aus allen Sa- trapien, und der König führte ſie ſelbſt an. Das ſind die Grund- züge einer Organiſation, die, aus dem Leben des Perſiſchen Volkes hervorgegangen, ſich nur ſo lange bewähren konnten, als das herr- ſchende Volk ſich ſelbſt, ſeiner alten Strenge und ſeiner blinden Verehrung gegen den Gott König getreu blieb; unter Darius hat die Perſiſche Macht die höchſte Blüthe gehabt, deren ſie fähig war.
Aber bald begannen ſich die Spuren des Verfalles zu zeigen,
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entreißen, ſie ermordeten ihn und ſeinen Anhang, ſie riefen das
Volk der Perſer auf, ihrem Beiſpiel zu folgen, und viele Magier
wurden an jenem Tage erſchlagen; dann erhielt der Achämenide
Darius, Hyſtaspis Sohn, die Herrſchaft der Perſer, der größte
ihrer Könige.
Darius hat das Reich organiſirt; da weder durch eine eigenthüm-
lich Perſiſche Bildung, noch durch die Religion des lebendigen Wortes,
die Kampf und Vernichtung, aber nicht Verſchmelzung oder Bekehrung
wollte, die unterworfenen Völker zu einer Einheit zu geſtalten waren, ſo
blieb nichts übrig, als über ſie alle ein möglichſt enges und feſtes
Netz der Knechtſchaft zu werfen. So wurden die Völker, ohne be-
deutende Veränderung in ihrem religiöſen Leben und den inneren
politiſchen Zuſtänden zu erleiden, in Satrapien vertheilt, die edle
Perſer, meiſtens aus dem Geſchlecht der Paſargaden, als Satra-
pen des Königs erhielten; ihr Verhältniß zum Reiche beſtand nur
in der Leiſtung des Tributes und des Heerdienſtes, wenn ein allge-
meines Aufgebot erging, in der Ernährung des Satrapen mit ſei-
nem Hofſtaate, ſeinem Heere und den ſtehenden Beſatzungen der
Städte. Indem ſo die Völker ihre Nationalität und Religion,
oft ihre heimiſchen Fürſten und Verfaſſungen behielten, war das
einzige Band, das ſie an die hohe Pforte zu Perſepolis knüpfte,
die Treue der einzelnen Satrapen gegen den Großkönig; ſeine
Despotenmacht hielt die ganz verſchiedenen Elemente des ungeheu-
ren Reiches zuſammen; er war die Sonne, um die ſich die Sy-
ſteme der Völker in fernen und ferneren Kreiſen bewegten; ſeine
Satrapen, „Könige nur dem Großkönige unterthan,“ hafteten für
ihre Satrapien, zu deren Schutz, ſo wie zur Mehrung des Tributs
und Vergrößerung des Gebiets, ſie mit und ohne Befehl des Groß-
königs Krieg und Frieden machten; nur ſelten rief der König
zum allgemeinen Kriege; dann folgten alle Völker aus allen Sa-
trapien, und der König führte ſie ſelbſt an. Das ſind die Grund-
züge einer Organiſation, die, aus dem Leben des Perſiſchen Volkes
hervorgegangen, ſich nur ſo lange bewähren konnten, als das herr-
ſchende Volk ſich ſelbſt, ſeiner alten Strenge und ſeiner blinden
Verehrung gegen den Gott König getreu blieb; unter Darius hat
die Perſiſche Macht die höchſte Blüthe gehabt, deren ſie fähig war.
Aber bald begannen ſich die Spuren des Verfalles zu zeigen,
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/33>, abgerufen am 21.11.2024.
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