Corvinus, Gottlieb Siegmund: Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-Lexicon. Leipzig, 1715.[Spaltenumbruch]
Frauenl Frauenz heisset: von Lohenstein in Annotat. adIbraim Sultan. Act. 2. v. 93. Und die wilden Scythen hielten auch vor unflätig den blossen Namen Weib auszusprechen. Von Lohenstein in Armin. P. I. Lib. 3. p. 307. Frauenlob, Heinrich; war ein Thumherr Frauenzimmer, Heisset überhaupt dasjenige Frauenzimmer nach ieder Landes-Art und Be-schaffenheit von einander unter- schieden zu seyn. Das Portugi- sische Frauenzimmer wird von denen Scribenten vor das schön- ste in gantz Europa, darbey aber auch vor hochmüthig, eyfersüchtig und argwöhnisch ausgegeben. Das Spanische soll nicht von son- derbahrer Schönheit, wohl aber träg und nachläßig seyn: es schläf- fet gerne lange, lässet sich am Tage sehr selten sehen, gehet es aber aus, so verdecket es sich das Haupt; schmincket, sich sehr starck, ist sehr verliebt, hat insgemein garstige und übelriechende Zähne, weswe- gen es sich auch starck zu parfumiren pfleget: zum Kleidern liebet es die schwartze Farbe, führet eine a parte Tracht; als einen sehr weiten und ausgesperten Unterrock, ein kurtzes Oberwammst mit Flügeln, einen Kragen und kleines Hütlein. Die Spendagen sind ihnen ange nehm. Wenn sie ihren Courtisanen eine Affection erweisen wollen, zeigen sie selbigen ihre Füsse, wormit sie gar spröde thun, weil sie hierinnen vor allen andern Nationen etwas be- sonders haben, angesehen selbige nette, schmal und sehr delicat sollen gewachsen seyn. Ohne Erlaubnüß hoher Damen in Spanien Füsse zu sehen, halten sie vor capital; anbey sind sie von mittelmäßiger Taille, doch sehr schlanck. Das Fran- tzösische Frauenzimmer hingegen ist lustig, beredt, neugierig, verän- derlich in Moden, listig, verliebt, doch leichtsinnig, frey, doch sonder Verletzung der Erbarkeit, es liebet keine Röthe im Gesichte, sondern hält blaß seyn vor eine sonderbah- re
[Spaltenumbruch]
Frauenl Frauenz heiſſet: von Lohenſtein in Annotat. adIbraim Sultan. Act. 2. v. 93. Und die wilden Scythen hielten auch vor unflaͤtig den bloſſen Namen Weib auszuſprechen. Von Lohenſtein in Armin. P. I. Lib. 3. p. 307. Frauenlob, Heinrich; war ein Thumherr Frauenzimmer, Heiſſet uͤberhaupt dasjenige Frauenzimmer nach ieder Landes-Art und Be-ſchaffenheit von einander unter- ſchieden zu ſeyn. Das Portugi- ſiſche Frauenzimmer wird von denen Scribenten vor das ſchoͤn- ſte in gantz Europa, darbey aber auch vor hochmuͤthig, eyferſuͤchtig und argwoͤhniſch ausgegeben. Das Spaniſche ſoll nicht von ſon- derbahrer Schoͤnheit, wohl aber traͤg und nachlaͤßig ſeyn: es ſchlaͤf- fet gerne lange, laͤſſet ſich am Tage ſehr ſelten ſehen, gehet es aber aus, ſo verdecket es ſich das Haupt; ſchmincket, ſich ſehr ſtarck, iſt ſehr verliebt, hat insgemein garſtige und uͤbelriechende Zaͤhne, weswe- gen es ſich auch ſtaꝛck zu parfumiren pfleget: zum Kleidern liebet es die ſchwartze Farbe, fuͤhret eine a parte Tracht; als einen ſehr weiten und ausgeſperten Unterrock, ein kurtzes Oberwammſt mit Fluͤgeln, einen Kragen und kleines Huͤtlein. Die Spendagen ſind ihnen ange nehm. Wenn ſie ihren Courtiſanen eine Affection erweiſen wollen, zeigen ſie ſelbigen ihre Fuͤſſe, wormit ſie gar ſproͤde thun, weil ſie hierinnen vor allen andern Nationen etwas be- ſonders haben, angeſehen ſelbige nette, ſchmal und ſehr delicat ſollen gewachſen ſeyn. Ohne Erlaubnuͤß hoher Damen in Spanien Fuͤſſe zu ſehen, halten ſie vor capital; anbey ſind ſie von mittelmaͤßiger Taille, doch ſehr ſchlanck. Das Fran- tzoͤſiſche Frauenzim̃er hingegen iſt luſtig, beredt, neugierig, veraͤn- derlich in Moden, liſtig, verliebt, doch leichtſinnig, frey, doch ſonder Verletzung der Erbarkeit, es liebet keine Roͤthe im Geſichte, ſondern haͤlt blaß ſeyn vor eine ſonderbah- re
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Frauenl Frauenz
Frauenzimmer
heiſſet: von Lohenſtein in Annotat. ad
Ibraim Sultan. Act. 2. v. 93. Und
die wilden Scythen hielten auch vor
unflaͤtig den bloſſen Namen Weib
auszuſprechen. Von Lohenſtein
in Armin. P. I. Lib. 3. p. 307.
Frauenlob,
Heinrich; war ein Thumherr
zu Mayntz, der von dem Frauen-
zimmer ſolche Ehre genoſſen, der-
gleichen keiner weiter zu hoffen hat.
Denn weil er als ein guter teut-
ſcher Poete viel Lieder und Gedich-
te dieſem ſchoͤnen Geſchlechte zu Eh-
ren aufgeſetzet, und A. 1317. ſturb,
auch am Tage St. Andreas ſein
Begraͤbniß angeſtellet ward, ver-
ſammlete ſich das voꝛnehmſte Frau-
enzimmer aus Danckbarkeit gegen
ihn, in ſeinem Hauſe, trugen ſeinen
Leichnam auf ihren zarten Schul-
tern nach der Thumkirche zu, all-
wo ſie ſelbigen in einen Creutzgange
ſelbſt beerdigten: als auch die Gruft
von ihnen wieder zugefuͤllet war,
beſprengten ſie das Grab ſo haͤuffig
mit Weine, daß derſelbe durch den
Creutzgang ſtroͤmete, und die gan-
tze Kirche mit deſſen Geruch erfuͤl-
let ward. Uberdieß betraureten
ſie dieſen ihren liebgeweſenen Pane-
gyriſten ein gantzes halbes Jahr,
ſonder Anhoͤrung einiger Muſic und
mit Einſtellung alles Tantzens: ja
ihre Hochzeiten wurden biß nach
verfloſſener Trauer verſchoben.
Frauenzimmer,
Heiſſet uͤberhaupt dasjenige
ſchoͤne und edle Geſchlechte, ſo dem
Maͤñlichen entgegen geſetzet wird.
Ihr Humeur, Geiſt, Eigenſchaft,
Inclination und Weſen ſcheinet
nach ieder Landes-Art und Be-
ſchaffenheit von einander unter-
ſchieden zu ſeyn. Das Portugi-
ſiſche Frauenzimmer wird von
denen Scribenten vor das ſchoͤn-
ſte in gantz Europa, darbey aber
auch vor hochmuͤthig, eyferſuͤchtig
und argwoͤhniſch ausgegeben. Das
Spaniſche ſoll nicht von ſon-
derbahrer Schoͤnheit, wohl aber
traͤg und nachlaͤßig ſeyn: es ſchlaͤf-
fet gerne lange, laͤſſet ſich am Tage
ſehr ſelten ſehen, gehet es aber aus,
ſo verdecket es ſich das Haupt;
ſchmincket, ſich ſehr ſtarck, iſt ſehr
verliebt, hat insgemein garſtige
und uͤbelriechende Zaͤhne, weswe-
gen es ſich auch ſtaꝛck zu parfumiren
pfleget: zum Kleidern liebet es die
ſchwartze Farbe, fuͤhret eine a parte
Tracht; als einen ſehr weiten und
ausgeſperten Unterrock, ein kurtzes
Oberwammſt mit Fluͤgeln, einen
Kragen und kleines Huͤtlein. Die
Spendagen ſind ihnen ange nehm.
Wenn ſie ihren Courtiſanen eine
Affection erweiſen wollen, zeigen ſie
ſelbigen ihre Fuͤſſe, wormit ſie gar
ſproͤde thun, weil ſie hierinnen vor
allen andern Nationen etwas be-
ſonders haben, angeſehen ſelbige
nette, ſchmal und ſehr delicat ſollen
gewachſen ſeyn. Ohne Erlaubnuͤß
hoher Damen in Spanien Fuͤſſe zu
ſehen, halten ſie vor capital; anbey
ſind ſie von mittelmaͤßiger Taille,
doch ſehr ſchlanck. Das Fran-
tzoͤſiſche Frauenzim̃er hingegen iſt
luſtig, beredt, neugierig, veraͤn-
derlich in Moden, liſtig, verliebt,
doch leichtſinnig, frey, doch ſonder
Verletzung der Erbarkeit, es liebet
keine Roͤthe im Geſichte, ſondern
haͤlt blaß ſeyn vor eine ſonderbah-
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