"Es bedarf kaum der Erwähnung," hob Staunitz an, und warf einen freundlichen Blick auf Tina, welche ihm zufrieden und heiter zu¬ lächelte, "es bedarf kaum der Erwähnung, daß ich vor meiner Reise mit unserer liebenswürdigen Wirthin gewissermaßen verlobt, und daß dies der gegenseitige Wunsch der Verwandten war, welche sich für uns interessirten. Wir dachten kaum daran, uns unser Treuwort zu geben, denn brü¬ derliche Neigung fesselte mich, den Elternlosen, an Tinas weiches Herz. Der Tag der Abreise kam; ich hatte ihr gelobt, oft und viel zu schreiben, und sie wird versichern können, daß ich nicht schreibefaul war."
"Aha!" fiel Blauenstein Staunitz in die Rede. "Als ich im vergangenen Herbst so glücklich war, in Blumenau zu sein, und mich die innere Liebes¬ unruhe nicht schlafen ließ, bemerkte ich, daß unsere liebe Tina in einer Menge Papieren herum suchte; mir fiel dies auf, daß man sogar in der Nacht
10. Der Kloſterbeſuch.
„Es bedarf kaum der Erwaͤhnung,“ hob Staunitz an, und warf einen freundlichen Blick auf Tina, welche ihm zufrieden und heiter zu¬ laͤchelte, „es bedarf kaum der Erwaͤhnung, daß ich vor meiner Reiſe mit unſerer liebenswuͤrdigen Wirthin gewiſſermaßen verlobt, und daß dies der gegenſeitige Wunſch der Verwandten war, welche ſich fuͤr uns intereſſirten. Wir dachten kaum daran, uns unſer Treuwort zu geben, denn bruͤ¬ derliche Neigung feſſelte mich, den Elternloſen, an Tinas weiches Herz. Der Tag der Abreiſe kam; ich hatte ihr gelobt, oft und viel zu ſchreiben, und ſie wird verſichern koͤnnen, daß ich nicht ſchreibefaul war.“
„Aha!“ fiel Blauenſtein Staunitz in die Rede. „Als ich im vergangenen Herbſt ſo gluͤcklich war, in Blumenau zu ſein, und mich die innere Liebes¬ unruhe nicht ſchlafen ließ, bemerkte ich, daß unſere liebe Tina in einer Menge Papieren herum ſuchte; mir fiel dies auf, daß man ſogar in der Nacht
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10.
Der Kloſterbeſuch.
„Es bedarf kaum der Erwaͤhnung,“ hob
Staunitz an, und warf einen freundlichen Blick
auf Tina, welche ihm zufrieden und heiter zu¬
laͤchelte, „es bedarf kaum der Erwaͤhnung, daß
ich vor meiner Reiſe mit unſerer liebenswuͤrdigen
Wirthin gewiſſermaßen verlobt, und daß dies der
gegenſeitige Wunſch der Verwandten war, welche
ſich fuͤr uns intereſſirten. Wir dachten kaum
daran, uns unſer Treuwort zu geben, denn bruͤ¬
derliche Neigung feſſelte mich, den Elternloſen, an
Tinas weiches Herz. Der Tag der Abreiſe kam;
ich hatte ihr gelobt, oft und viel zu ſchreiben,
und ſie wird verſichern koͤnnen, daß ich nicht
ſchreibefaul war.“
„Aha!“ fiel Blauenſtein Staunitz in die Rede.
„Als ich im vergangenen Herbſt ſo gluͤcklich war,
in Blumenau zu ſein, und mich die innere Liebes¬
unruhe nicht ſchlafen ließ, bemerkte ich, daß unſere
liebe Tina in einer Menge Papieren herum ſuchte;
mir fiel dies auf, daß man ſogar in der Nacht
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/198>, abgerufen am 03.03.2025.
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