Bewegung im zweiten und dritten Jahrhundert nach Christi Geburt im Auge behalten wird, so findet doch die Leichtgläubigkeit, Oberfläch- lichkeit und Unzuverlässigkeit des Plinius in den aufgeführten Verhält- nissen ihre ausreichende Erklärung.
4. Ansichten über das Verhältniß der Thiere zur Erdoberfläche.
Es bleibt noch übrig, die Meinungen der Alten von der geogra- phischen Verbreitung und dem fossilen Vorkommen der Thiere kurz zu erwähnen. Was das erstere betrifft, so finden sich zwar im Aristoteles (Hist. anim. VIII, 28) Notizen über das Vorkommen gewisser Thiere in verschiedenen Ländern. Doch wird weder auf ein allgemeines gesetz- liches Verhalten, noch, was jenes voraussetzen würde, auf die Ursachen solchen Vorkommens hingewiesen. Es heißt zwar dort (28, 162), daß in vielen Gegenden das Klima die Ursache sei; doch wird dieser Ge- danke nicht weiter ausgeführt. Natürlich gibt auch hiervon Plinius nur einen dürftigen Auszug mit besonderer Berücksichtigung des Wun- derbaren an der Sache (VIII, 58). Eine Beziehung des Vorkommens gewisser Thiere an einzelnen Orten zu deren geographischer Lage hebt zwar Ptolemaeus hervor. So sollen den Parallelkreis von Agisymba Rhinoceros und Elefant nicht überschreiten können106). Doch geht er einerseits zu weit, wenn er diesen Specialfall als ausnahmslos bezeich- net; andrerseits waren die faunistischen Verhältnisse überhaupt zu we- nig erforscht, um Allgemeines aufstellen zu können. Auch die Ansicht, daß die Thiere desto riesenhafter würden, je näher man dem Aequator komme, ist natürlich nicht haltbar. Für den Menschen nahm man einen Einfluß des Bodens und Klima's auf Gesittung und Intelligenz an, während in Bezug auf das Körperliche auch hier die größere Sonnen- nähe z. B. für die Ursache der besondern Beschaffenheit der kraushaa- rigen Neger gehalten wurde. Wenn sich daher in Beschreibungen frem- der Länder bei den Alten Schilderungen von Thieren finden, so fehlen
Bewegung im zweiten und dritten Jahrhundert nach Chriſti Geburt im Auge behalten wird, ſo findet doch die Leichtgläubigkeit, Oberfläch- lichkeit und Unzuverläſſigkeit des Plinius in den aufgeführten Verhält- niſſen ihre ausreichende Erklärung.
4. Anſichten über das Verhältniß der Thiere zur Erdoberfläche.
Es bleibt noch übrig, die Meinungen der Alten von der geogra- phiſchen Verbreitung und dem foſſilen Vorkommen der Thiere kurz zu erwähnen. Was das erſtere betrifft, ſo finden ſich zwar im Ariſtoteles (Hist. anim. VIII, 28) Notizen über das Vorkommen gewiſſer Thiere in verſchiedenen Ländern. Doch wird weder auf ein allgemeines geſetz- liches Verhalten, noch, was jenes vorausſetzen würde, auf die Urſachen ſolchen Vorkommens hingewieſen. Es heißt zwar dort (28, 162), daß in vielen Gegenden das Klima die Urſache ſei; doch wird dieſer Ge- danke nicht weiter ausgeführt. Natürlich gibt auch hiervon Plinius nur einen dürftigen Auszug mit beſonderer Berückſichtigung des Wun- derbaren an der Sache (VIII, 58). Eine Beziehung des Vorkommens gewiſſer Thiere an einzelnen Orten zu deren geographiſcher Lage hebt zwar Ptolemaeus hervor. So ſollen den Parallelkreis von Agiſymba Rhinoceros und Elefant nicht überſchreiten können106). Doch geht er einerſeits zu weit, wenn er dieſen Specialfall als ausnahmslos bezeich- net; andrerſeits waren die fauniſtiſchen Verhältniſſe überhaupt zu we- nig erforſcht, um Allgemeines aufſtellen zu können. Auch die Anſicht, daß die Thiere deſto rieſenhafter würden, je näher man dem Aequator komme, iſt natürlich nicht haltbar. Für den Menſchen nahm man einen Einfluß des Bodens und Klima's auf Geſittung und Intelligenz an, während in Bezug auf das Körperliche auch hier die größere Sonnen- nähe z. B. für die Urſache der beſondern Beſchaffenheit der kraushaa- rigen Neger gehalten wurde. Wenn ſich daher in Beſchreibungen frem- der Länder bei den Alten Schilderungen von Thieren finden, ſo fehlen
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[88/0099]
Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
Bewegung im zweiten und dritten Jahrhundert nach Chriſti Geburt
im Auge behalten wird, ſo findet doch die Leichtgläubigkeit, Oberfläch-
lichkeit und Unzuverläſſigkeit des Plinius in den aufgeführten Verhält-
niſſen ihre ausreichende Erklärung.
4. Anſichten über das Verhältniß der Thiere zur Erdoberfläche.
Es bleibt noch übrig, die Meinungen der Alten von der geogra-
phiſchen Verbreitung und dem foſſilen Vorkommen der Thiere kurz zu
erwähnen. Was das erſtere betrifft, ſo finden ſich zwar im Ariſtoteles
(Hist. anim. VIII, 28) Notizen über das Vorkommen gewiſſer Thiere
in verſchiedenen Ländern. Doch wird weder auf ein allgemeines geſetz-
liches Verhalten, noch, was jenes vorausſetzen würde, auf die Urſachen
ſolchen Vorkommens hingewieſen. Es heißt zwar dort (28, 162), daß
in vielen Gegenden das Klima die Urſache ſei; doch wird dieſer Ge-
danke nicht weiter ausgeführt. Natürlich gibt auch hiervon Plinius
nur einen dürftigen Auszug mit beſonderer Berückſichtigung des Wun-
derbaren an der Sache (VIII, 58). Eine Beziehung des Vorkommens
gewiſſer Thiere an einzelnen Orten zu deren geographiſcher Lage hebt
zwar Ptolemaeus hervor. So ſollen den Parallelkreis von Agiſymba
Rhinoceros und Elefant nicht überſchreiten können 106). Doch geht er
einerſeits zu weit, wenn er dieſen Specialfall als ausnahmslos bezeich-
net; andrerſeits waren die fauniſtiſchen Verhältniſſe überhaupt zu we-
nig erforſcht, um Allgemeines aufſtellen zu können. Auch die Anſicht,
daß die Thiere deſto rieſenhafter würden, je näher man dem Aequator
komme, iſt natürlich nicht haltbar. Für den Menſchen nahm man einen
Einfluß des Bodens und Klima's auf Geſittung und Intelligenz an,
während in Bezug auf das Körperliche auch hier die größere Sonnen-
nähe z. B. für die Urſache der beſondern Beſchaffenheit der kraushaa-
rigen Neger gehalten wurde. Wenn ſich daher in Beſchreibungen frem-
der Länder bei den Alten Schilderungen von Thieren finden, ſo fehlen
106) Ptolemaei Geographia. ed. Nobbe (ed. Tauchnitz). lib. 1. cap. 9.
§ 9 (p. 21), cap. 12. § 2. (p. 25).
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/99>, abgerufen am 21.12.2024.
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