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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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unverzeihliche Art nachlässig. Unter beiden wolt'
ich doch lieber, daß sich ein junger Kerl eher zu
gut, als zu schlecht kleidete. Das Uebermaaß
auf dieser Seite wird wegfallen, wenn ein wenig
Alter und Betrachtung hinzukomt. Ist er aber
nachlässig im zwanzigsten Jahre, so wird er eine
Sau im vierzigsten sein, und im funfzigsten gar
stinken.)


Dein Eintrit in die Geselschaft sei bescheiden,
doch ohne alle Schüchternheit oder Blödigkeit,
dreist, ohne Unverschämtheit, frei von Verlegen-
heit, als wenn du in deinem eignen Zimmer wä-
rest. Es ist schwer, sich diese glükliche Fassung
zu verschaffen; sie erfodert daher die größte Auf-
merksamkeit; es ist nicht wohl möglich, sie sich
anders, als durch langen Umgang mit der Welt
und fleißige Besuchung der besten Geselschaften
zu erwerben.

Wenn ein junger Man ohne Kentniß der
Welt zum ersten male in eine Geselschaft vorneh-
mer Leute trit, wo die meisten von höherm Range
sind, als er: so ist er entweder vor unzeitiger

Schaam,
B 4

unverzeihliche Art nachlaͤſſig. Unter beiden wolt’
ich doch lieber, daß ſich ein junger Kerl eher zu
gut, als zu ſchlecht kleidete. Das Uebermaaß
auf dieſer Seite wird wegfallen, wenn ein wenig
Alter und Betrachtung hinzukomt. Iſt er aber
nachlaͤſſig im zwanzigſten Jahre, ſo wird er eine
Sau im vierzigſten ſein, und im funfzigſten gar
ſtinken.)


Dein Eintrit in die Geſelſchaft ſei beſcheiden,
doch ohne alle Schuͤchternheit oder Bloͤdigkeit,
dreiſt, ohne Unverſchaͤmtheit, frei von Verlegen-
heit, als wenn du in deinem eignen Zimmer waͤ-
reſt. Es iſt ſchwer, ſich dieſe gluͤkliche Faſſung
zu verſchaffen; ſie erfodert daher die groͤßte Auf-
merkſamkeit; es iſt nicht wohl moͤglich, ſie ſich
anders, als durch langen Umgang mit der Welt
und fleißige Beſuchung der beſten Geſelſchaften
zu erwerben.

Wenn ein junger Man ohne Kentniß der
Welt zum erſten male in eine Geſelſchaft vorneh-
mer Leute trit, wo die meiſten von hoͤherm Range
ſind, als er: ſo iſt er entweder vor unzeitiger

Schaam,
B 4
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[23/0029] unverzeihliche Art nachlaͤſſig. Unter beiden wolt’ ich doch lieber, daß ſich ein junger Kerl eher zu gut, als zu ſchlecht kleidete. Das Uebermaaß auf dieſer Seite wird wegfallen, wenn ein wenig Alter und Betrachtung hinzukomt. Iſt er aber nachlaͤſſig im zwanzigſten Jahre, ſo wird er eine Sau im vierzigſten ſein, und im funfzigſten gar ſtinken.) Dein Eintrit in die Geſelſchaft ſei beſcheiden, doch ohne alle Schuͤchternheit oder Bloͤdigkeit, dreiſt, ohne Unverſchaͤmtheit, frei von Verlegen- heit, als wenn du in deinem eignen Zimmer waͤ- reſt. Es iſt ſchwer, ſich dieſe gluͤkliche Faſſung zu verſchaffen; ſie erfodert daher die groͤßte Auf- merkſamkeit; es iſt nicht wohl moͤglich, ſie ſich anders, als durch langen Umgang mit der Welt und fleißige Beſuchung der beſten Geſelſchaften zu erwerben. Wenn ein junger Man ohne Kentniß der Welt zum erſten male in eine Geſelſchaft vorneh- mer Leute trit, wo die meiſten von hoͤherm Range ſind, als er: ſo iſt er entweder vor unzeitiger Schaam, B 4

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/29>, abgerufen am 26.04.2024.