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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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Oertlichkeit begnügte. Allein selbst dieß wäre vielleicht noch4. Abschnitt.
von keinem entscheidenden Gewichte gewesen, wenn nicht die
Aufführung selbst theils durch Pracht der Costüme, theils
und hauptsächlich durch bunte Intermezzi den Sinn von
dem poetischen Gehalt des Stückes abgelenkt hätte.

Daß man an vielen Orten, namentlich in Rom und Fer-Plautus und
Terenz.

rara, Plautus und Terenz, auch wohl Stücke alter Tragiker
aufführte (S. 236, 250), bald lateinisch bald italienisch, daß
jene Academien (S. 277, f.) sich eine förmliche Aufgabe
hieraus machten, und daß die Dichter der Renaissance selbst
in ihren Dramen von diesen Vorbildern mehr als billig
abhingen, gereichte dem italienischen Drama für die betref-
fenden Jahrzehnde allerdings auch zum Nachtheil, doch
halte ich diesen Umstand für untergeordnet. Wäre nicht
Gegenreformation und Fremdherrschaft dazwischen gekommen,
so hätte sich jener Nachtheil gar wohl in eine nützliche
Uebergangsstufe verwandeln können. War doch schon bald
nach 1520 wenigstens der Sieg der Muttersprache in Tra-
gödie und Comödie zum großen Verdruß der Humanisten 1)
so viel als entschieden. Von dieser Seite hätte der ent-
wickeltsten Nation Europa's kein Hinderniß mehr im Wege
gestanden, wenn es sich darum handelte, das Drama im
höchsten Sinne des Wortes zu einem geistigen Abbild des
Menschenlebens zu erheben. Inquisitoren und Spanier
waren es, welche die Italiener verschüchterten und die dra-
matische Schilderung der wahrsten und größten Conflicte,
zumal im Gewande nationaler Erinnerungen, unmöglich
machten. Daneben aber müssen wir doch auch jene zer-
streuenden Intermezzi als einen wahren Schaden des Dra-
ma's näher ins Auge fassen.

Als die Hochzeit des Prinzen Alfonso von Ferrara mit Lu-Aufführungen
in Ferrara.

crezia Borgia gefeiert wurde, zeigte der Herzog Ercole in

1) Paul. Jovius, Dialog. de viris lit. illustr., bei Tiraboschi,
Tom. VII, IV. -- Lil. Greg. Gyraldus, de poetis nostri temp.

Oertlichkeit begnügte. Allein ſelbſt dieß wäre vielleicht noch4. Abſchnitt.
von keinem entſcheidenden Gewichte geweſen, wenn nicht die
Aufführung ſelbſt theils durch Pracht der Coſtüme, theils
und hauptſächlich durch bunte Intermezzi den Sinn von
dem poetiſchen Gehalt des Stückes abgelenkt hätte.

Daß man an vielen Orten, namentlich in Rom und Fer-Plautus und
Terenz.

rara, Plautus und Terenz, auch wohl Stücke alter Tragiker
aufführte (S. 236, 250), bald lateiniſch bald italieniſch, daß
jene Academien (S. 277, f.) ſich eine förmliche Aufgabe
hieraus machten, und daß die Dichter der Renaiſſance ſelbſt
in ihren Dramen von dieſen Vorbildern mehr als billig
abhingen, gereichte dem italieniſchen Drama für die betref-
fenden Jahrzehnde allerdings auch zum Nachtheil, doch
halte ich dieſen Umſtand für untergeordnet. Wäre nicht
Gegenreformation und Fremdherrſchaft dazwiſchen gekommen,
ſo hätte ſich jener Nachtheil gar wohl in eine nützliche
Uebergangsſtufe verwandeln können. War doch ſchon bald
nach 1520 wenigſtens der Sieg der Mutterſprache in Tra-
gödie und Comödie zum großen Verdruß der Humaniſten 1)
ſo viel als entſchieden. Von dieſer Seite hätte der ent-
wickeltſten Nation Europa's kein Hinderniß mehr im Wege
geſtanden, wenn es ſich darum handelte, das Drama im
höchſten Sinne des Wortes zu einem geiſtigen Abbild des
Menſchenlebens zu erheben. Inquiſitoren und Spanier
waren es, welche die Italiener verſchüchterten und die dra-
matiſche Schilderung der wahrſten und größten Conflicte,
zumal im Gewande nationaler Erinnerungen, unmöglich
machten. Daneben aber müſſen wir doch auch jene zer-
ſtreuenden Intermezzi als einen wahren Schaden des Dra-
ma's näher ins Auge faſſen.

Als die Hochzeit des Prinzen Alfonſo von Ferrara mit Lu-Aufführungen
in Ferrara.

crezia Borgia gefeiert wurde, zeigte der Herzog Ercole in

1) Paul. Jovius, Dialog. de viris lit. illustr., bei Tiraboschi,
Tom. VII, IV. — Lil. Greg. Gyraldus, de poëtis nostri temp.
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[315/0325] Oertlichkeit begnügte. Allein ſelbſt dieß wäre vielleicht noch von keinem entſcheidenden Gewichte geweſen, wenn nicht die Aufführung ſelbſt theils durch Pracht der Coſtüme, theils und hauptſächlich durch bunte Intermezzi den Sinn von dem poetiſchen Gehalt des Stückes abgelenkt hätte. 4. Abſchnitt. Daß man an vielen Orten, namentlich in Rom und Fer- rara, Plautus und Terenz, auch wohl Stücke alter Tragiker aufführte (S. 236, 250), bald lateiniſch bald italieniſch, daß jene Academien (S. 277, f.) ſich eine förmliche Aufgabe hieraus machten, und daß die Dichter der Renaiſſance ſelbſt in ihren Dramen von dieſen Vorbildern mehr als billig abhingen, gereichte dem italieniſchen Drama für die betref- fenden Jahrzehnde allerdings auch zum Nachtheil, doch halte ich dieſen Umſtand für untergeordnet. Wäre nicht Gegenreformation und Fremdherrſchaft dazwiſchen gekommen, ſo hätte ſich jener Nachtheil gar wohl in eine nützliche Uebergangsſtufe verwandeln können. War doch ſchon bald nach 1520 wenigſtens der Sieg der Mutterſprache in Tra- gödie und Comödie zum großen Verdruß der Humaniſten 1) ſo viel als entſchieden. Von dieſer Seite hätte der ent- wickeltſten Nation Europa's kein Hinderniß mehr im Wege geſtanden, wenn es ſich darum handelte, das Drama im höchſten Sinne des Wortes zu einem geiſtigen Abbild des Menſchenlebens zu erheben. Inquiſitoren und Spanier waren es, welche die Italiener verſchüchterten und die dra- matiſche Schilderung der wahrſten und größten Conflicte, zumal im Gewande nationaler Erinnerungen, unmöglich machten. Daneben aber müſſen wir doch auch jene zer- ſtreuenden Intermezzi als einen wahren Schaden des Dra- ma's näher ins Auge faſſen. Plautus und Terenz. Als die Hochzeit des Prinzen Alfonſo von Ferrara mit Lu- crezia Borgia gefeiert wurde, zeigte der Herzog Ercole in Aufführungen in Ferrara. 1) Paul. Jovius, Dialog. de viris lit. illustr., bei Tiraboschi, Tom. VII, IV. — Lil. Greg. Gyraldus, de poëtis nostri temp.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/325>, abgerufen am 08.05.2024.