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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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4. Abschnitt.Gegenreformation hereinbrach und im Zusammenhang mit
der spanischen Herrschaft (über Neapel und Mailand und
indirect fast über ganz Italien) die besten Blüthen des
italienischen Geistes knickte oder verdorren ließ. Man denke
sich nur Shakspeare selber z. B. unter einem spanischen
Vicekönig oder in der Nähe des heil. Officiums zu Rom,
oder nur in seinem eigenen Lande ein paar Jahrzehnde
später, zur Zeit der englischen Revolution. Das Drama,
in seiner Vollkommenheit ein spätes Kind jeder Cultur,
will seine Zeit und sein besonderes Glück haben.

Bei diesem Anlaß müssen wir jedoch einiger Umstände
gedenken, welche allerdings geeignet waren, eine höhere
Blüthe des Drama's in Italien zu erschweren oder zu ver-
zögern bis es zu spät war.

Die Mysterien.Als den wichtigsten dieser Umstände darf man ohne
Zweifel die große anderweitige Beschäftigung der Schaulust
bezeichnen, zunächst vermöge der Mysterien u. a. religiösen
Aufzüge. Im ganzen Abendlande sind Aufführungen der
dramatisirten heiligen Geschichte und Legende gerade Quelle
und Anfang des Drama's und des Theaters gewesen;
Italien aber hatte sich, wie im folgenden Abschnitt
erörtert werden soll, den Mysterien mit einem solchen künst-
lerisch decorativen Prachtsinn hingegeben, daß darunter
nothwendig das dramatische Element in Nachtheil gerathen
mußte. Aus all den unzähligen kostbaren Aufführungen
entwickelte sich dann nicht einmal eine poetische Kunstgat-
tung wie die "Autos sagramentales" bei Calderon u. a.
spanischen Dichtern, geschweige denn ein Vortheil oder An-
halt für das profane Drama.

Die Pracht als
Feindin des
Drama's.
Als letzteres dennoch emporkam, nahm es sofort nach
Kräften an der Pracht der Ausstattung Theil, an welche
man eben von den Mysterien her nur allzusehr gewöhnt
war. Man erfährt mit Staunen, wie reich und bunt die
Decoration der Scene in Italien war, zu einer Zeit, da
man sich im Norden noch mit der einfachsten Andeutung der

4. Abſchnitt.Gegenreformation hereinbrach und im Zuſammenhang mit
der ſpaniſchen Herrſchaft (über Neapel und Mailand und
indirect faſt über ganz Italien) die beſten Blüthen des
italieniſchen Geiſtes knickte oder verdorren ließ. Man denke
ſich nur Shakspeare ſelber z. B. unter einem ſpaniſchen
Vicekönig oder in der Nähe des heil. Officiums zu Rom,
oder nur in ſeinem eigenen Lande ein paar Jahrzehnde
ſpäter, zur Zeit der engliſchen Revolution. Das Drama,
in ſeiner Vollkommenheit ein ſpätes Kind jeder Cultur,
will ſeine Zeit und ſein beſonderes Glück haben.

Bei dieſem Anlaß müſſen wir jedoch einiger Umſtände
gedenken, welche allerdings geeignet waren, eine höhere
Blüthe des Drama's in Italien zu erſchweren oder zu ver-
zögern bis es zu ſpät war.

Die Myſterien.Als den wichtigſten dieſer Umſtände darf man ohne
Zweifel die große anderweitige Beſchäftigung der Schauluſt
bezeichnen, zunächſt vermöge der Myſterien u. a. religiöſen
Aufzüge. Im ganzen Abendlande ſind Aufführungen der
dramatiſirten heiligen Geſchichte und Legende gerade Quelle
und Anfang des Drama's und des Theaters geweſen;
Italien aber hatte ſich, wie im folgenden Abſchnitt
erörtert werden ſoll, den Myſterien mit einem ſolchen künſt-
leriſch decorativen Prachtſinn hingegeben, daß darunter
nothwendig das dramatiſche Element in Nachtheil gerathen
mußte. Aus all den unzähligen koſtbaren Aufführungen
entwickelte ſich dann nicht einmal eine poetiſche Kunſtgat-
tung wie die „Autos ſagramentales“ bei Calderon u. a.
ſpaniſchen Dichtern, geſchweige denn ein Vortheil oder An-
halt für das profane Drama.

Die Pracht als
Feindin des
Drama's.
Als letzteres dennoch emporkam, nahm es ſofort nach
Kräften an der Pracht der Ausſtattung Theil, an welche
man eben von den Myſterien her nur allzuſehr gewöhnt
war. Man erfährt mit Staunen, wie reich und bunt die
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[314/0324] Gegenreformation hereinbrach und im Zuſammenhang mit der ſpaniſchen Herrſchaft (über Neapel und Mailand und indirect faſt über ganz Italien) die beſten Blüthen des italieniſchen Geiſtes knickte oder verdorren ließ. Man denke ſich nur Shakspeare ſelber z. B. unter einem ſpaniſchen Vicekönig oder in der Nähe des heil. Officiums zu Rom, oder nur in ſeinem eigenen Lande ein paar Jahrzehnde ſpäter, zur Zeit der engliſchen Revolution. Das Drama, in ſeiner Vollkommenheit ein ſpätes Kind jeder Cultur, will ſeine Zeit und ſein beſonderes Glück haben. 4. Abſchnitt. Bei dieſem Anlaß müſſen wir jedoch einiger Umſtände gedenken, welche allerdings geeignet waren, eine höhere Blüthe des Drama's in Italien zu erſchweren oder zu ver- zögern bis es zu ſpät war. Als den wichtigſten dieſer Umſtände darf man ohne Zweifel die große anderweitige Beſchäftigung der Schauluſt bezeichnen, zunächſt vermöge der Myſterien u. a. religiöſen Aufzüge. Im ganzen Abendlande ſind Aufführungen der dramatiſirten heiligen Geſchichte und Legende gerade Quelle und Anfang des Drama's und des Theaters geweſen; Italien aber hatte ſich, wie im folgenden Abſchnitt erörtert werden ſoll, den Myſterien mit einem ſolchen künſt- leriſch decorativen Prachtſinn hingegeben, daß darunter nothwendig das dramatiſche Element in Nachtheil gerathen mußte. Aus all den unzähligen koſtbaren Aufführungen entwickelte ſich dann nicht einmal eine poetiſche Kunſtgat- tung wie die „Autos ſagramentales“ bei Calderon u. a. ſpaniſchen Dichtern, geſchweige denn ein Vortheil oder An- halt für das profane Drama. Die Myſterien. Als letzteres dennoch emporkam, nahm es ſofort nach Kräften an der Pracht der Ausſtattung Theil, an welche man eben von den Myſterien her nur allzuſehr gewöhnt war. Man erfährt mit Staunen, wie reich und bunt die Decoration der Scene in Italien war, zu einer Zeit, da man ſich im Norden noch mit der einfachſten Andeutung der Die Pracht als Feindin des Drama's.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/324>, abgerufen am 25.11.2024.