Wenn in der Linden jungen Zweigen, Die, weich, und noch nicht steif und fest, Sich, nebst den Blättern, abwärts beugen, Zuweilen der verliebte West, Um sie zu küssen, lispelnd bläst, Erreget er ein lieblich Spiel, Und ein vergnügendes Gewühl.
Man hört nicht nur ein sanft Gezisch; Man sieht, von Lichtern und von Schatten, Die sich bald trennen und bald gatten, Ein immer wandelbar Gemisch. Bald durch- bald angestrahlte Blätter, Sind weislich bald, bald gelblich grün: Wodurch, in aufgeklärtem Wetter, Ein helles Grüne bald, und bald, Jn stets sich ändernder Gestalt, Ein dunkelgrünes Feur, erschien; Durch welches sich ein blauer Strahl, Vom blauen Himmel, oftermal, Da, wo das Laub sich öffnet, wies, Und, bey so schönen irdschen Lichtern, Den es beachtenden Gesichtern Ein himmlisch Feur oft sehen ließ.
Es schien, daß sie der West-Wind darum regte, Und, in der Absicht bloß, bewegte, Damit wir deutlich möchten sehn, Daß sie an beyden Seiten schön.
Wenn
Schoͤnheit junger Linden im Fruͤhlinge.
Wenn in der Linden jungen Zweigen, Die, weich, und noch nicht ſteif und feſt, Sich, nebſt den Blaͤttern, abwaͤrts beugen, Zuweilen der verliebte Weſt, Um ſie zu kuͤſſen, liſpelnd blaͤſt, Erreget er ein lieblich Spiel, Und ein vergnuͤgendes Gewuͤhl.
Man hoͤrt nicht nur ein ſanft Geziſch; Man ſieht, von Lichtern und von Schatten, Die ſich bald trennen und bald gatten, Ein immer wandelbar Gemiſch. Bald durch- bald angeſtrahlte Blaͤtter, Sind weislich bald, bald gelblich gruͤn: Wodurch, in aufgeklaͤrtem Wetter, Ein helles Gruͤne bald, und bald, Jn ſtets ſich aͤndernder Geſtalt, Ein dunkelgruͤnes Feur, erſchien; Durch welches ſich ein blauer Strahl, Vom blauen Himmel, oftermal, Da, wo das Laub ſich oͤffnet, wies, Und, bey ſo ſchoͤnen irdſchen Lichtern, Den es beachtenden Geſichtern Ein himmliſch Feur oft ſehen ließ.
Es ſchien, daß ſie der Weſt-Wind darum regte, Und, in der Abſicht bloß, bewegte, Damit wir deutlich moͤchten ſehn, Daß ſie an beyden Seiten ſchoͤn.
Wenn
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[72/0086]
Schoͤnheit junger Linden
im Fruͤhlinge.
Wenn in der Linden jungen Zweigen,
Die, weich, und noch nicht ſteif und feſt,
Sich, nebſt den Blaͤttern, abwaͤrts beugen,
Zuweilen der verliebte Weſt,
Um ſie zu kuͤſſen, liſpelnd blaͤſt,
Erreget er ein lieblich Spiel,
Und ein vergnuͤgendes Gewuͤhl.
Man hoͤrt nicht nur ein ſanft Geziſch;
Man ſieht, von Lichtern und von Schatten,
Die ſich bald trennen und bald gatten,
Ein immer wandelbar Gemiſch.
Bald durch- bald angeſtrahlte Blaͤtter,
Sind weislich bald, bald gelblich gruͤn:
Wodurch, in aufgeklaͤrtem Wetter,
Ein helles Gruͤne bald, und bald,
Jn ſtets ſich aͤndernder Geſtalt,
Ein dunkelgruͤnes Feur, erſchien;
Durch welches ſich ein blauer Strahl,
Vom blauen Himmel, oftermal,
Da, wo das Laub ſich oͤffnet, wies,
Und, bey ſo ſchoͤnen irdſchen Lichtern,
Den es beachtenden Geſichtern
Ein himmliſch Feur oft ſehen ließ.
Es ſchien, daß ſie der Weſt-Wind darum regte,
Und, in der Abſicht bloß, bewegte,
Damit wir deutlich moͤchten ſehn,
Daß ſie an beyden Seiten ſchoͤn.
Wenn
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/86>, abgerufen am 22.02.2025.
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