Mein Schöpfer! wie so wunderschön Jst hier der Erd-Kreis anzusehn! Von wie viel Farben und Figuren Seh ich hier schöne Creaturen, Verherrlicht durch den Sonnen-Strahl, Fast ohne Maße, sonder Zahl! Mein Auge sieht sich müd' und matt An allen Wundern; doch nicht satt.
Hier seh ich schöne Bluhmen prangen, Dort Bäume voller Früchte hangen: Da Wiesen, und drauf glattes Vieh Jm Grase gehn, bis an die Knie, Viel' auf dem weichen Klee sich strecken; Da Bluhmen sie fast ganz bedecken. Hier kann ich schattichte Alleen, Die nach der Schnur gepflanzt sind, sehen; Dort ohne Kunst gewachsne Hecken.
Hier seh ich rothe Dächer, zwischen Bald hohen und bald niedern Büschen; Hier Thäler, dort beblühmte Hügel: Und dort, in einem langen Strich, Die Elbe, die dem Silber glich, Als einen schönen Himmels-Spiegel, Bedeckt von vieler Schiffe Last; Manch rothes Seegel, manchen Mast. Jch sehe noch, an jenem Strande, Entfernte Bäum' auf gelbem Sande; Von welchen ihr auch schönes Grün Mit etwas Blau gemischet schien.
Um
8 Theil. R
Betrachtung Goͤttlicher Werke.
Mein Schoͤpfer! wie ſo wunderſchoͤn Jſt hier der Erd-Kreis anzuſehn! Von wie viel Farben und Figuren Seh ich hier ſchoͤne Creaturen, Verherrlicht durch den Sonnen-Strahl, Faſt ohne Maße, ſonder Zahl! Mein Auge ſieht ſich muͤd’ und matt An allen Wundern; doch nicht ſatt.
Hier ſeh ich ſchoͤne Bluhmen prangen, Dort Baͤume voller Fruͤchte hangen: Da Wieſen, und drauf glattes Vieh Jm Graſe gehn, bis an die Knie, Viel’ auf dem weichen Klee ſich ſtrecken; Da Bluhmen ſie faſt ganz bedecken. Hier kann ich ſchattichte Alleen, Die nach der Schnur gepflanzt ſind, ſehen; Dort ohne Kunſt gewachſne Hecken.
Hier ſeh ich rothe Daͤcher, zwiſchen Bald hohen und bald niedern Buͤſchen; Hier Thaͤler, dort bebluͤhmte Huͤgel: Und dort, in einem langen Strich, Die Elbe, die dem Silber glich, Als einen ſchoͤnen Himmels-Spiegel, Bedeckt von vieler Schiffe Laſt; Manch rothes Seegel, manchen Maſt. Jch ſehe noch, an jenem Strande, Entfernte Baͤum’ auf gelbem Sande; Von welchen ihr auch ſchoͤnes Gruͤn Mit etwas Blau gemiſchet ſchien.
Um
8 Theil. R
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Betrachtung Goͤttlicher Werke.
Mein Schoͤpfer! wie ſo wunderſchoͤn
Jſt hier der Erd-Kreis anzuſehn!
Von wie viel Farben und Figuren
Seh ich hier ſchoͤne Creaturen,
Verherrlicht durch den Sonnen-Strahl,
Faſt ohne Maße, ſonder Zahl!
Mein Auge ſieht ſich muͤd’ und matt
An allen Wundern; doch nicht ſatt.
Hier ſeh ich ſchoͤne Bluhmen prangen,
Dort Baͤume voller Fruͤchte hangen:
Da Wieſen, und drauf glattes Vieh
Jm Graſe gehn, bis an die Knie,
Viel’ auf dem weichen Klee ſich ſtrecken;
Da Bluhmen ſie faſt ganz bedecken.
Hier kann ich ſchattichte Alleen,
Die nach der Schnur gepflanzt ſind, ſehen;
Dort ohne Kunſt gewachſne Hecken.
Hier ſeh ich rothe Daͤcher, zwiſchen
Bald hohen und bald niedern Buͤſchen;
Hier Thaͤler, dort bebluͤhmte Huͤgel:
Und dort, in einem langen Strich,
Die Elbe, die dem Silber glich,
Als einen ſchoͤnen Himmels-Spiegel,
Bedeckt von vieler Schiffe Laſt;
Manch rothes Seegel, manchen Maſt.
Jch ſehe noch, an jenem Strande,
Entfernte Baͤum’ auf gelbem Sande;
Von welchen ihr auch ſchoͤnes Gruͤn
Mit etwas Blau gemiſchet ſchien.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/271>, abgerufen am 22.02.2025.
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