Was mag doch wol die Ursach seyn Vom Jrrtum, der so grob, so allgemein, Daß für die Creatur fast alle Menschen blind, Gehör-Geruch-Geschmack- und Fühl-los sind? Da doch die Bibel selbst uns deutlich lehret, Wie sehr man GOtt in Seinen Werken ehret, Und wie die Creatur, zu ihres Schöpfers Preise, Den grossen Schöpfer Selber weise. Giebt uns Sanct Paulus dieß nicht deutlich g'nug zu lesen?* Er saget: "Daß man weiß, daß GOtt sey, ist ja klar, "Und allen Menschen offenbar. "GOtt offenbar't' es Selbst, und gab es zu verstehn, "Daß GOTTES unsichtbares Wesen, "Das ist, Sein' ew'ge Kraft und Gottheit, wird ersehn, "So man deß wahrnimmt an den Werken, "Wie von der Welt Erschaffung an zu merken, "So daß sie keinen Grund, sich zu entschuld'gen, haben. Doch halt, mir fällt ein' Ursach bey, Wovon ich überfüret, Daß sie gewiß der klein'sten keine sey: Daß nemlich alle Pracht von unsers Schöpfers Gaben Auch fromme Selen selbst so wenig rühret, So wenig reizt und lockt, weil ich bemerke, Daß GOttes und des Teufels Werke
Jm
* Röm. 1 : 19, 20.
Zu viel und zu wenig.
Was mag doch wol die Urſach ſeyn Vom Jrrtum, der ſo grob, ſo allgemein, Daß fuͤr die Creatur faſt alle Menſchen blind, Gehoͤr-Geruch-Geſchmack- und Fuͤhl-los ſind? Da doch die Bibel ſelbſt uns deutlich lehret, Wie ſehr man GOtt in Seinen Werken ehret, Und wie die Creatur, zu ihres Schoͤpfers Preiſe, Den groſſen Schoͤpfer Selber weiſe. Giebt uns Sanct Paulus dieß nicht deutlich g’nug zu leſen?* Er ſaget: „Daß man weiß, daß GOtt ſey, iſt ja klar, „Und allen Menſchen offenbar. „GOtt offenbar’t’ es Selbſt, und gab es zu verſtehn, „Daß GOTTES unſichtbares Weſen, „Das iſt, Sein’ ew’ge Kraft und Gottheit, wird erſehn, „So man deß wahrnimmt an den Werken, „Wie von der Welt Erſchaffung an zu merken, „So daß ſie keinen Grund, ſich zu entſchuld’gen, haben. Doch halt, mir faͤllt ein’ Urſach bey, Wovon ich uͤberfuͤret, Daß ſie gewiß der klein’ſten keine ſey: Daß nemlich alle Pracht von unſers Schoͤpfers Gaben Auch fromme Selen ſelbſt ſo wenig ruͤhret, So wenig reizt und lockt, weil ich bemerke, Daß GOttes und des Teufels Werke
Jm
* Roͤm. 1 : 19, 20.
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Zu viel und zu wenig.
Was mag doch wol die Urſach ſeyn
Vom Jrrtum, der ſo grob, ſo allgemein,
Daß fuͤr die Creatur faſt alle Menſchen blind,
Gehoͤr-Geruch-Geſchmack- und Fuͤhl-los ſind?
Da doch die Bibel ſelbſt uns deutlich lehret,
Wie ſehr man GOtt in Seinen Werken ehret,
Und wie die Creatur, zu ihres Schoͤpfers Preiſe,
Den groſſen Schoͤpfer Selber weiſe.
Giebt uns Sanct Paulus dieß nicht deutlich g’nug zu leſen? *
Er ſaget: „Daß man weiß, daß GOtt ſey, iſt ja klar,
„Und allen Menſchen offenbar.
„GOtt offenbar’t’ es Selbſt, und gab es zu verſtehn,
„Daß GOTTES unſichtbares Weſen,
„Das iſt, Sein’ ew’ge Kraft und Gottheit, wird erſehn,
„So man deß wahrnimmt an den Werken,
„Wie von der Welt Erſchaffung an zu merken,
„So daß ſie keinen Grund, ſich zu entſchuld’gen, haben.
Doch halt, mir faͤllt ein’ Urſach bey,
Wovon ich uͤberfuͤret,
Daß ſie gewiß der klein’ſten keine ſey:
Daß nemlich alle Pracht von unſers Schoͤpfers Gaben
Auch fromme Selen ſelbſt ſo wenig ruͤhret,
So wenig reizt und lockt, weil ich bemerke,
Daß GOttes und des Teufels Werke
Jm
* Roͤm. 1 : 19, 20.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/316>, abgerufen am 22.02.2025.
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