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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Teichschildkröte.
reicher Forscher, oder, wie er sich nennt, Liebhaber, "bekam ich nordamerikanische Sumpfschildkröten;
aber sie starben regelmäßig im Winter. Die wenigen, welche diese Zeit überlebten, fraßen während-
dem Nichts und magerten dabei so bedeutend ab, daß sie im Frühjahre sicher zu Grunde gingen.
Endlich kam ich auf den Einfall, das Wasser auch im Winter lauwarm zu halten, weil ich beobachtet
hatte, daß meine Schildkröten selbst im Sommer nur dann Nahrung zu sich nahmen, wenn das
Wasser lauwarm war. Nun ließ ich einen Ofen setzen, auf welchem ich meine Gefangenen
unterbringen konnte, und das Ergebniß hiervon war so günstig, daß alle meine Sumpfschildkröten,
von der kleinsten bis zur größten, nicht allein jeden Tag fraßen, sondern sich um ihr Futter rissen,
sodaß ich die größten Arten allein füttern mußte. Bald wurden sie so zahm, daß sie die Köpfe in
die Höhe streckten, wenn ich mich nur dem Gefäße näherte und sich aus der Hand mit rohem Fleische
füttern ließen."



Die Sumpfschildkröten sind neuerdings in Gruppen getrennt worden, denen man den Rang
von Familien zusprechen darf. Dem deutschen Vertreter der Gesammtheit zu Liebe, mögen die
Flußschildkröten (Emydae) den übrigen vorangestellt werden. Rücken- und Brustpanzer sind
verknöchert und durch Knochennähte oder Knorpel verbunden; ersterer ist flach gewölbt, letzterer platt,
ausnahmsweise so schmal, daß er die Brust nicht ganz verdeckt; der Hals kann wie in eine Scheide
zurück- und mit den übrigen Gliedern eingezogen werden; die Kiesern sind mit Hornmasse überzogen
und schneidig; die fünf Zehen der Vorder- und die vier der Hintersüße tragen spitzkrallige Nägel und
werden durch Schwimmhäute verbunden.

Bei den Pfuhlschildkröten (Emys) vereinigt eine knorpelige Masse die beiden Panzer so,
daß der Untertheil nicht bewegt werden kann. Dieser trägt 12, der Rückenpanzer 13 Mittel- und
25 Randschilder. Der Kopf ist länglichrund, der Kiefer scharf, der Hals mäßig, der Schwanz ziemlich
lang; die Hinterbeine überragen die vorderen an Länge. Sie und der Schwanz sind mit Schuppen,
die übrigen unbepanzerten Theile mit runzeliger Haut bekleidet.

Unsere Teichschildkröte (Emys europaea), Vertreter dieser Sippe, ist etwa 14 Zoll lang,
wovon auf den Schwanz 4 Zoll zu rechnen; der Panzer kann eine Länge von 8 bis 10 Zoll erreichen.
Seine Gestalt wechselt ebenso wie die Färbung. Die ungepanzerten Theile sind auf schwärzlichem
Grunde hin und wieder mit gelben Punkten, die Schilder des Rückenpanzers auf schwarzgrünem
Grunde durch strahlig verlaufende Punktreihen von gelber Färbung gezeichnet, die des Brustschildes
schmuziggelb, unregelmäßig und spärlich braun gepunktet.

Unter den europäischen Schildkröten ist diese Art die gemeinste und verbreitetste. Als ihre
eigentliche Heimat muß man den Osten und Südosten unseres Erdtheils ansehen. Sie ist gemein in
Griechenland, Dalmatien und der Türkei, in Jtalien, in den Donautiefländern und Ungarn, in
Rußland und Polen, kommt aber auch häufig in der Mark, einzeln selbst noch in Mecklenburg vor,
von woher sie Dehne lebend erhielt. Jn Südeuropa bewohnt sie alle Sümpfe, Seen, Teiche,
Flüsse und Bäche, vorausgesetzt, daß letztere langsam fließen. Jn der Mark ist sie in schlammigen
Gewässern aller Art nicht selten; die drei Stück, welche Dehne aus dem Mecklenburgischen erhielt,
waren in der Würnitz gefangen worden.

Uebertages hält sie sich im Wasser auf, gegen Abend betritt sie das Land; auch sie ist also vor-
zugsweise des Nachts thätig. Während der Wintermonate vergräbt sie sich im Schlamme; Mitte
Aprils kommt sie, falls die Witterung nur einigermaßen günstig ist, wieder zum Vorscheine und macht
sich mehr als sonst durch ein sonderbares Pfeisen, welches wohl der Paarungsruf sein mag, bemerklich.
Auch sie ist vorsichtig und taucht, wenn sie im Wasser schwimmt, beim geringsten Geräusche sofort
unter. Jn ihrem heimischen Elemente zeigt sie sich sehr behend, aber auch auf dem Lande keineswegs

Teichſchildkröte.
reicher Forſcher, oder, wie er ſich nennt, Liebhaber, „bekam ich nordamerikaniſche Sumpfſchildkröten;
aber ſie ſtarben regelmäßig im Winter. Die wenigen, welche dieſe Zeit überlebten, fraßen während-
dem Nichts und magerten dabei ſo bedeutend ab, daß ſie im Frühjahre ſicher zu Grunde gingen.
Endlich kam ich auf den Einfall, das Waſſer auch im Winter lauwarm zu halten, weil ich beobachtet
hatte, daß meine Schildkröten ſelbſt im Sommer nur dann Nahrung zu ſich nahmen, wenn das
Waſſer lauwarm war. Nun ließ ich einen Ofen ſetzen, auf welchem ich meine Gefangenen
unterbringen konnte, und das Ergebniß hiervon war ſo günſtig, daß alle meine Sumpfſchildkröten,
von der kleinſten bis zur größten, nicht allein jeden Tag fraßen, ſondern ſich um ihr Futter riſſen,
ſodaß ich die größten Arten allein füttern mußte. Bald wurden ſie ſo zahm, daß ſie die Köpfe in
die Höhe ſtreckten, wenn ich mich nur dem Gefäße näherte und ſich aus der Hand mit rohem Fleiſche
füttern ließen.“



Die Sumpfſchildkröten ſind neuerdings in Gruppen getrennt worden, denen man den Rang
von Familien zuſprechen darf. Dem deutſchen Vertreter der Geſammtheit zu Liebe, mögen die
Flußſchildkröten (Emydae) den übrigen vorangeſtellt werden. Rücken- und Bruſtpanzer ſind
verknöchert und durch Knochennähte oder Knorpel verbunden; erſterer iſt flach gewölbt, letzterer platt,
ausnahmsweiſe ſo ſchmal, daß er die Bruſt nicht ganz verdeckt; der Hals kann wie in eine Scheide
zurück- und mit den übrigen Gliedern eingezogen werden; die Kieſern ſind mit Hornmaſſe überzogen
und ſchneidig; die fünf Zehen der Vorder- und die vier der Hinterſüße tragen ſpitzkrallige Nägel und
werden durch Schwimmhäute verbunden.

Bei den Pfuhlſchildkröten (Emys) vereinigt eine knorpelige Maſſe die beiden Panzer ſo,
daß der Untertheil nicht bewegt werden kann. Dieſer trägt 12, der Rückenpanzer 13 Mittel- und
25 Randſchilder. Der Kopf iſt länglichrund, der Kiefer ſcharf, der Hals mäßig, der Schwanz ziemlich
lang; die Hinterbeine überragen die vorderen an Länge. Sie und der Schwanz ſind mit Schuppen,
die übrigen unbepanzerten Theile mit runzeliger Haut bekleidet.

Unſere Teichſchildkröte (Emys europaea), Vertreter dieſer Sippe, iſt etwa 14 Zoll lang,
wovon auf den Schwanz 4 Zoll zu rechnen; der Panzer kann eine Länge von 8 bis 10 Zoll erreichen.
Seine Geſtalt wechſelt ebenſo wie die Färbung. Die ungepanzerten Theile ſind auf ſchwärzlichem
Grunde hin und wieder mit gelben Punkten, die Schilder des Rückenpanzers auf ſchwarzgrünem
Grunde durch ſtrahlig verlaufende Punktreihen von gelber Färbung gezeichnet, die des Bruſtſchildes
ſchmuziggelb, unregelmäßig und ſpärlich braun gepunktet.

Unter den europäiſchen Schildkröten iſt dieſe Art die gemeinſte und verbreitetſte. Als ihre
eigentliche Heimat muß man den Oſten und Südoſten unſeres Erdtheils anſehen. Sie iſt gemein in
Griechenland, Dalmatien und der Türkei, in Jtalien, in den Donautiefländern und Ungarn, in
Rußland und Polen, kommt aber auch häufig in der Mark, einzeln ſelbſt noch in Mecklenburg vor,
von woher ſie Dehne lebend erhielt. Jn Südeuropa bewohnt ſie alle Sümpfe, Seen, Teiche,
Flüſſe und Bäche, vorausgeſetzt, daß letztere langſam fließen. Jn der Mark iſt ſie in ſchlammigen
Gewäſſern aller Art nicht ſelten; die drei Stück, welche Dehne aus dem Mecklenburgiſchen erhielt,
waren in der Würnitz gefangen worden.

Uebertages hält ſie ſich im Waſſer auf, gegen Abend betritt ſie das Land; auch ſie iſt alſo vor-
zugsweiſe des Nachts thätig. Während der Wintermonate vergräbt ſie ſich im Schlamme; Mitte
Aprils kommt ſie, falls die Witterung nur einigermaßen günſtig iſt, wieder zum Vorſcheine und macht
ſich mehr als ſonſt durch ein ſonderbares Pfeiſen, welches wohl der Paarungsruf ſein mag, bemerklich.
Auch ſie iſt vorſichtig und taucht, wenn ſie im Waſſer ſchwimmt, beim geringſten Geräuſche ſofort
unter. Jn ihrem heimiſchen Elemente zeigt ſie ſich ſehr behend, aber auch auf dem Lande keineswegs

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[37/0049] Teichſchildkröte. reicher Forſcher, oder, wie er ſich nennt, Liebhaber, „bekam ich nordamerikaniſche Sumpfſchildkröten; aber ſie ſtarben regelmäßig im Winter. Die wenigen, welche dieſe Zeit überlebten, fraßen während- dem Nichts und magerten dabei ſo bedeutend ab, daß ſie im Frühjahre ſicher zu Grunde gingen. Endlich kam ich auf den Einfall, das Waſſer auch im Winter lauwarm zu halten, weil ich beobachtet hatte, daß meine Schildkröten ſelbſt im Sommer nur dann Nahrung zu ſich nahmen, wenn das Waſſer lauwarm war. Nun ließ ich einen Ofen ſetzen, auf welchem ich meine Gefangenen unterbringen konnte, und das Ergebniß hiervon war ſo günſtig, daß alle meine Sumpfſchildkröten, von der kleinſten bis zur größten, nicht allein jeden Tag fraßen, ſondern ſich um ihr Futter riſſen, ſodaß ich die größten Arten allein füttern mußte. Bald wurden ſie ſo zahm, daß ſie die Köpfe in die Höhe ſtreckten, wenn ich mich nur dem Gefäße näherte und ſich aus der Hand mit rohem Fleiſche füttern ließen.“ Die Sumpfſchildkröten ſind neuerdings in Gruppen getrennt worden, denen man den Rang von Familien zuſprechen darf. Dem deutſchen Vertreter der Geſammtheit zu Liebe, mögen die Flußſchildkröten (Emydae) den übrigen vorangeſtellt werden. Rücken- und Bruſtpanzer ſind verknöchert und durch Knochennähte oder Knorpel verbunden; erſterer iſt flach gewölbt, letzterer platt, ausnahmsweiſe ſo ſchmal, daß er die Bruſt nicht ganz verdeckt; der Hals kann wie in eine Scheide zurück- und mit den übrigen Gliedern eingezogen werden; die Kieſern ſind mit Hornmaſſe überzogen und ſchneidig; die fünf Zehen der Vorder- und die vier der Hinterſüße tragen ſpitzkrallige Nägel und werden durch Schwimmhäute verbunden. Bei den Pfuhlſchildkröten (Emys) vereinigt eine knorpelige Maſſe die beiden Panzer ſo, daß der Untertheil nicht bewegt werden kann. Dieſer trägt 12, der Rückenpanzer 13 Mittel- und 25 Randſchilder. Der Kopf iſt länglichrund, der Kiefer ſcharf, der Hals mäßig, der Schwanz ziemlich lang; die Hinterbeine überragen die vorderen an Länge. Sie und der Schwanz ſind mit Schuppen, die übrigen unbepanzerten Theile mit runzeliger Haut bekleidet. Unſere Teichſchildkröte (Emys europaea), Vertreter dieſer Sippe, iſt etwa 14 Zoll lang, wovon auf den Schwanz 4 Zoll zu rechnen; der Panzer kann eine Länge von 8 bis 10 Zoll erreichen. Seine Geſtalt wechſelt ebenſo wie die Färbung. Die ungepanzerten Theile ſind auf ſchwärzlichem Grunde hin und wieder mit gelben Punkten, die Schilder des Rückenpanzers auf ſchwarzgrünem Grunde durch ſtrahlig verlaufende Punktreihen von gelber Färbung gezeichnet, die des Bruſtſchildes ſchmuziggelb, unregelmäßig und ſpärlich braun gepunktet. Unter den europäiſchen Schildkröten iſt dieſe Art die gemeinſte und verbreitetſte. Als ihre eigentliche Heimat muß man den Oſten und Südoſten unſeres Erdtheils anſehen. Sie iſt gemein in Griechenland, Dalmatien und der Türkei, in Jtalien, in den Donautiefländern und Ungarn, in Rußland und Polen, kommt aber auch häufig in der Mark, einzeln ſelbſt noch in Mecklenburg vor, von woher ſie Dehne lebend erhielt. Jn Südeuropa bewohnt ſie alle Sümpfe, Seen, Teiche, Flüſſe und Bäche, vorausgeſetzt, daß letztere langſam fließen. Jn der Mark iſt ſie in ſchlammigen Gewäſſern aller Art nicht ſelten; die drei Stück, welche Dehne aus dem Mecklenburgiſchen erhielt, waren in der Würnitz gefangen worden. Uebertages hält ſie ſich im Waſſer auf, gegen Abend betritt ſie das Land; auch ſie iſt alſo vor- zugsweiſe des Nachts thätig. Während der Wintermonate vergräbt ſie ſich im Schlamme; Mitte Aprils kommt ſie, falls die Witterung nur einigermaßen günſtig iſt, wieder zum Vorſcheine und macht ſich mehr als ſonſt durch ein ſonderbares Pfeiſen, welches wohl der Paarungsruf ſein mag, bemerklich. Auch ſie iſt vorſichtig und taucht, wenn ſie im Waſſer ſchwimmt, beim geringſten Geräuſche ſofort unter. Jn ihrem heimiſchen Elemente zeigt ſie ſich ſehr behend, aber auch auf dem Lande keineswegs

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/49>, abgerufen am 26.04.2024.