Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite
Fünfte Reihe und zwölfte Ordnung.
Die Rundmäuler
(Cyclostomi).


Eine Vergleichung der echten Knorpel- und Knochenfische läßt es fraglich erscheinen, welcher
von diesen beiden Hauptabtheilungen der Klasse ein höherer Rang gebührt. Anders verhält es sich
mit den Rundmäulern. Knorpelfische sind auch sie; aber sie stehen auf einer so tiefen Stufe der
Entwicklung, daß man sie eben nur unter die niedersten Fische und Wirbelthiere überhaupt zählen
kann. Sie kennzeichnen äußerlich der wurmförmige, fast gleichmäßig dicke Leib, die derbe schleimige
aber schuppenlose Haut, die gänzliche Verkümmerung aller paarigen Flossen, sowie innerlich voll-
kommen knorpeliges Geripp, welches eigentlich nur aus der Wirbelsaite und einem Kopftheile
besteht. Erstere ist noch eine einfache Saite ohne Rippen. Der Schädel zeigt die Bildung des
Keimes, weil man die verschiedenen Abtheilungen noch nicht wahrnehmen kann; demgemäß fehlen
auch die Kiefern, und bemerkt man anstatt ihrer nur einige Knorpeln, welche die Lippen stützen. An
der vordern Spitze des Schädels befindet sich die Nasenöffnung, welche sich nach hinten in einen
röhrenförmigen, in der Rachenhöhle geöffneten Sack fortsetzt. Das weite, trichterförmig nach hinten
verengte Maul wird entweder von kreisrunden oder von gespaltenen Lippen umgeben und trägt
auf der inneren Fläche der Lippen kleine, spitzkegelige Zähne oder, richtiger, hornartige Ver-
dickungen der Schleimhaut, welche die Stelle der Zähne vertreten. Am hinteren, trichterför-
migen Ende des Maules öffnet sich der Schlund und verläuft, ohne sich in Magen, Dünn- und
Dickdarm zu zergliedern, einfach und gerade bis zum After. Eine Leber ist noch vorhanden.
Milz und Speicheldrüse scheinen zu fehlen. Die Geschlechtswerkzeuge bilden eine an die Wirbel-
saite geheftete Krause; Samen und Eier entleeren sich aus ihnen in die Bauchhöhle und durch
mehrere neben dem After befindliche feine Oeffnungen nach außen. Verhältnißmäßig wohl aus-
gebildet ist das Herz, welches einen deutlichen, zweiklappigen Arterienstiel besitzt. Zu beiden
Seiten des Schlundes liegen die Kiemen, welche mit jenen entweder durch ebenso viele Löcher als
Kiemenblasen verbunden sind oder durch eine gemeinsame, vorn in den Schlund geöffnete Röhre in
Verbindung stehen und nach außen hin sich einzeln oder jederseits zusammen in einem längeren
Schlauche münden. Bedeutsam für die Stellung der hierher gehörigen Fische ist der Umstand,
daß man bei einzelnen von ihnen eine wirkliche Verwandlung beobachten kann.



Fünfte Reihe und zwölfte Ordnung.
Die Rundmäuler
(Cyclostomi).


Eine Vergleichung der echten Knorpel- und Knochenfiſche läßt es fraglich erſcheinen, welcher
von dieſen beiden Hauptabtheilungen der Klaſſe ein höherer Rang gebührt. Anders verhält es ſich
mit den Rundmäulern. Knorpelfiſche ſind auch ſie; aber ſie ſtehen auf einer ſo tiefen Stufe der
Entwicklung, daß man ſie eben nur unter die niederſten Fiſche und Wirbelthiere überhaupt zählen
kann. Sie kennzeichnen äußerlich der wurmförmige, faſt gleichmäßig dicke Leib, die derbe ſchleimige
aber ſchuppenloſe Haut, die gänzliche Verkümmerung aller paarigen Floſſen, ſowie innerlich voll-
kommen knorpeliges Geripp, welches eigentlich nur aus der Wirbelſaite und einem Kopftheile
beſteht. Erſtere iſt noch eine einfache Saite ohne Rippen. Der Schädel zeigt die Bildung des
Keimes, weil man die verſchiedenen Abtheilungen noch nicht wahrnehmen kann; demgemäß fehlen
auch die Kiefern, und bemerkt man anſtatt ihrer nur einige Knorpeln, welche die Lippen ſtützen. An
der vordern Spitze des Schädels befindet ſich die Naſenöffnung, welche ſich nach hinten in einen
röhrenförmigen, in der Rachenhöhle geöffneten Sack fortſetzt. Das weite, trichterförmig nach hinten
verengte Maul wird entweder von kreisrunden oder von geſpaltenen Lippen umgeben und trägt
auf der inneren Fläche der Lippen kleine, ſpitzkegelige Zähne oder, richtiger, hornartige Ver-
dickungen der Schleimhaut, welche die Stelle der Zähne vertreten. Am hinteren, trichterför-
migen Ende des Maules öffnet ſich der Schlund und verläuft, ohne ſich in Magen, Dünn- und
Dickdarm zu zergliedern, einfach und gerade bis zum After. Eine Leber iſt noch vorhanden.
Milz und Speicheldrüſe ſcheinen zu fehlen. Die Geſchlechtswerkzeuge bilden eine an die Wirbel-
ſaite geheftete Krauſe; Samen und Eier entleeren ſich aus ihnen in die Bauchhöhle und durch
mehrere neben dem After befindliche feine Oeffnungen nach außen. Verhältnißmäßig wohl aus-
gebildet iſt das Herz, welches einen deutlichen, zweiklappigen Arterienſtiel beſitzt. Zu beiden
Seiten des Schlundes liegen die Kiemen, welche mit jenen entweder durch ebenſo viele Löcher als
Kiemenblaſen verbunden ſind oder durch eine gemeinſame, vorn in den Schlund geöffnete Röhre in
Verbindung ſtehen und nach außen hin ſich einzeln oder jederſeits zuſammen in einem längeren
Schlauche münden. Bedeutſam für die Stellung der hierher gehörigen Fiſche iſt der Umſtand,
daß man bei einzelnen von ihnen eine wirkliche Verwandlung beobachten kann.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0850" n="[804]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#fr">Fünfte Reihe und zwölfte Ordnung.<lb/><hi rendition="#g">Die Rundmäuler</hi></hi> <hi rendition="#aq">(Cyclostomi).</hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>ine Vergleichung der echten Knorpel- und Knochenfi&#x017F;che läßt es fraglich er&#x017F;cheinen, welcher<lb/>
von die&#x017F;en beiden Hauptabtheilungen der Kla&#x017F;&#x017F;e ein höherer Rang gebührt. Anders verhält es &#x017F;ich<lb/>
mit den Rundmäulern. Knorpelfi&#x017F;che &#x017F;ind auch &#x017F;ie; aber &#x017F;ie &#x017F;tehen auf einer &#x017F;o tiefen Stufe der<lb/>
Entwicklung, daß man &#x017F;ie eben nur unter die nieder&#x017F;ten Fi&#x017F;che und Wirbelthiere überhaupt zählen<lb/>
kann. Sie kennzeichnen äußerlich der wurmförmige, fa&#x017F;t gleichmäßig dicke Leib, die derbe &#x017F;chleimige<lb/>
aber &#x017F;chuppenlo&#x017F;e Haut, die gänzliche Verkümmerung aller paarigen Flo&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;owie innerlich voll-<lb/>
kommen knorpeliges Geripp, welches eigentlich nur aus der Wirbel&#x017F;aite und einem Kopftheile<lb/>
be&#x017F;teht. Er&#x017F;tere i&#x017F;t noch eine einfache Saite ohne Rippen. Der Schädel zeigt die Bildung des<lb/>
Keimes, weil man die ver&#x017F;chiedenen Abtheilungen noch nicht wahrnehmen kann; demgemäß fehlen<lb/>
auch die Kiefern, und bemerkt man an&#x017F;tatt ihrer nur einige Knorpeln, welche die Lippen &#x017F;tützen. An<lb/>
der vordern Spitze des Schädels befindet &#x017F;ich die Na&#x017F;enöffnung, welche &#x017F;ich nach hinten in einen<lb/>
röhrenförmigen, in der Rachenhöhle geöffneten Sack fort&#x017F;etzt. Das weite, trichterförmig nach hinten<lb/>
verengte Maul wird entweder von kreisrunden oder von ge&#x017F;paltenen Lippen umgeben und trägt<lb/>
auf der inneren Fläche der Lippen kleine, &#x017F;pitzkegelige Zähne oder, richtiger, hornartige Ver-<lb/>
dickungen der Schleimhaut, welche die Stelle der Zähne vertreten. Am hinteren, trichterför-<lb/>
migen Ende des Maules öffnet &#x017F;ich der Schlund und verläuft, ohne &#x017F;ich in Magen, Dünn- und<lb/>
Dickdarm zu zergliedern, einfach und gerade bis zum After. Eine Leber i&#x017F;t noch vorhanden.<lb/>
Milz und Speicheldrü&#x017F;e &#x017F;cheinen zu fehlen. Die Ge&#x017F;chlechtswerkzeuge bilden eine an die Wirbel-<lb/>
&#x017F;aite geheftete Krau&#x017F;e; Samen und Eier entleeren &#x017F;ich aus ihnen in die Bauchhöhle und durch<lb/>
mehrere neben dem After befindliche feine Oeffnungen nach außen. Verhältnißmäßig wohl aus-<lb/>
gebildet i&#x017F;t das Herz, welches einen deutlichen, zweiklappigen Arterien&#x017F;tiel be&#x017F;itzt. Zu beiden<lb/>
Seiten des Schlundes liegen die Kiemen, welche mit jenen entweder durch eben&#x017F;o viele Löcher als<lb/>
Kiemenbla&#x017F;en verbunden &#x017F;ind oder durch eine gemein&#x017F;ame, vorn in den Schlund geöffnete Röhre in<lb/>
Verbindung &#x017F;tehen und nach außen hin &#x017F;ich einzeln oder jeder&#x017F;eits zu&#x017F;ammen in einem längeren<lb/>
Schlauche münden. Bedeut&#x017F;am für die Stellung der hierher gehörigen Fi&#x017F;che i&#x017F;t der Um&#x017F;tand,<lb/>
daß man bei einzelnen von ihnen eine wirkliche Verwandlung beobachten kann.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[804]/0850] Fünfte Reihe und zwölfte Ordnung. Die Rundmäuler (Cyclostomi). Eine Vergleichung der echten Knorpel- und Knochenfiſche läßt es fraglich erſcheinen, welcher von dieſen beiden Hauptabtheilungen der Klaſſe ein höherer Rang gebührt. Anders verhält es ſich mit den Rundmäulern. Knorpelfiſche ſind auch ſie; aber ſie ſtehen auf einer ſo tiefen Stufe der Entwicklung, daß man ſie eben nur unter die niederſten Fiſche und Wirbelthiere überhaupt zählen kann. Sie kennzeichnen äußerlich der wurmförmige, faſt gleichmäßig dicke Leib, die derbe ſchleimige aber ſchuppenloſe Haut, die gänzliche Verkümmerung aller paarigen Floſſen, ſowie innerlich voll- kommen knorpeliges Geripp, welches eigentlich nur aus der Wirbelſaite und einem Kopftheile beſteht. Erſtere iſt noch eine einfache Saite ohne Rippen. Der Schädel zeigt die Bildung des Keimes, weil man die verſchiedenen Abtheilungen noch nicht wahrnehmen kann; demgemäß fehlen auch die Kiefern, und bemerkt man anſtatt ihrer nur einige Knorpeln, welche die Lippen ſtützen. An der vordern Spitze des Schädels befindet ſich die Naſenöffnung, welche ſich nach hinten in einen röhrenförmigen, in der Rachenhöhle geöffneten Sack fortſetzt. Das weite, trichterförmig nach hinten verengte Maul wird entweder von kreisrunden oder von geſpaltenen Lippen umgeben und trägt auf der inneren Fläche der Lippen kleine, ſpitzkegelige Zähne oder, richtiger, hornartige Ver- dickungen der Schleimhaut, welche die Stelle der Zähne vertreten. Am hinteren, trichterför- migen Ende des Maules öffnet ſich der Schlund und verläuft, ohne ſich in Magen, Dünn- und Dickdarm zu zergliedern, einfach und gerade bis zum After. Eine Leber iſt noch vorhanden. Milz und Speicheldrüſe ſcheinen zu fehlen. Die Geſchlechtswerkzeuge bilden eine an die Wirbel- ſaite geheftete Krauſe; Samen und Eier entleeren ſich aus ihnen in die Bauchhöhle und durch mehrere neben dem After befindliche feine Oeffnungen nach außen. Verhältnißmäßig wohl aus- gebildet iſt das Herz, welches einen deutlichen, zweiklappigen Arterienſtiel beſitzt. Zu beiden Seiten des Schlundes liegen die Kiemen, welche mit jenen entweder durch ebenſo viele Löcher als Kiemenblaſen verbunden ſind oder durch eine gemeinſame, vorn in den Schlund geöffnete Röhre in Verbindung ſtehen und nach außen hin ſich einzeln oder jederſeits zuſammen in einem längeren Schlauche münden. Bedeutſam für die Stellung der hierher gehörigen Fiſche iſt der Umſtand, daß man bei einzelnen von ihnen eine wirkliche Verwandlung beobachten kann.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/850
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. [804]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/850>, abgerufen am 20.12.2024.