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Braun, Lily: Die Frauen und die Politik. Berlin, 1903.

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gegen die "Partei des Umsturzes" wird von höchster Stelle aus zum
Kampf aufgerufen; ihre Parteigänger werden als "Elende", als
"vaterlandslose Gesellen", als "eine Rotte von Menschen, nicht werth,
den Namen Deutscher zu tragen", bezeichnet. Noch mehr als alle
Erfolge, mehr als die zwei Millionen Stimmen, die sich bei der letzten
Wahl auf die Sozialdemokratie vereinigten, beweisen diese Ver-
folgungen ihre Lebenskraft und Siegessicherheit.

Seite an Seite mit dem männlichen Proletariat, unter dem
Heerbann dieser Partei, haben die Frauen zu kämpfen. Es giebt keine
andere, die mit solcher Gewalt an sie appellirt: an ihre Jnteressen
als Weib, als Mutter, als Arbeiterin.


6. Die Pflichten der Frau im politischen Kampf.

Den Männern ihre politischen Pflichten klar zu machen, ist nicht
schwer: Wer im Besitz des Wahlrechts ist und die Zusammensetzung
öffentlicher Körperschaften irgend welcher Art durch die Abgabe seiner
Stimme mit beeinflußt, der würde leichtfertig handeln, wenn er sich
nicht vorher eine feste Meinung zu bilden versucht und ihr dann
durch die Wahl zum Ausdruck verholfen hätte. Spricht man aber
den Frauen von Pflichten dieser Art, so verkriechen sie sich nur allzu
gern hinter ihre Rechtlosigkeit, um ihre geistige Faulheit, ihren
Mangel an Jnteresse dahinter zu verstecken. Aber selbst wenn ihnen
klar wurde, wie jede Frage des öffentlichen Lebens auch sie persönlich
angeht, selbst wenn sie die Vorgänge außerhalb ihrer vier Wände mit
lebhaftem Jnteresse verfolgen, so liegt ihnen der Gedanke an Pflichten,
die sie zu erfüllen hätten, doch fern, und - falls er ihnen hier und
da kommen sollte - weibliche Schüchternheit und Unsicherheit hält sie
von ihnen zurück. Manch eine arme überlastete Arbeiterfrau, manch
ein abgearbeitetes Fabrikmädchen hält sich selbst für viel zu gering
und unbedeutend, als daß ihre Kraft in dem großen Kampfe des
Proletariats irgend welche Bedeutung haben könnte. Und doch kommt
es gerade in diesem Kampfe mehr denn je vorher auf jeden einzelnen
Menschen an, und wie noch niemals vorher auf die Frauen.

Die Geschichte weist kein Beispiel auf für die aktive Theilnahme
großer Frauenmassen an politischen und sozialen Kämpfen. Es
waren - wie z. B. bei der französischen Revolution - immer nur
kleinere Gruppen, die, momentan erregt durch ein erschütterndes Er-
eigniß, rasch hervortraten und ebenso rasch wieder von der politischen
Bühne verschwanden. Die Voraussetzung für ein gleichbleibendes
Jnteresse - die Emanzipation der Frau von der häuslichen Sphäre
durch die außerhäusliche Erwerbsarbeit - war eben bisher noch nicht
vorhanden. Jetzt erst greift eine bisher unbekannte Kraft in die Räder

gegen die „Partei des Umsturzes“ wird von höchster Stelle aus zum
Kampf aufgerufen; ihre Parteigänger werden als „Elende“, als
„vaterlandslose Gesellen“, als „eine Rotte von Menschen, nicht werth,
den Namen Deutscher zu tragen“, bezeichnet. Noch mehr als alle
Erfolge, mehr als die zwei Millionen Stimmen, die sich bei der letzten
Wahl auf die Sozialdemokratie vereinigten, beweisen diese Ver-
folgungen ihre Lebenskraft und Siegessicherheit.

Seite an Seite mit dem männlichen Proletariat, unter dem
Heerbann dieser Partei, haben die Frauen zu kämpfen. Es giebt keine
andere, die mit solcher Gewalt an sie appellirt: an ihre Jnteressen
als Weib, als Mutter, als Arbeiterin.


6. Die Pflichten der Frau im politischen Kampf.

Den Männern ihre politischen Pflichten klar zu machen, ist nicht
schwer: Wer im Besitz des Wahlrechts ist und die Zusammensetzung
öffentlicher Körperschaften irgend welcher Art durch die Abgabe seiner
Stimme mit beeinflußt, der würde leichtfertig handeln, wenn er sich
nicht vorher eine feste Meinung zu bilden versucht und ihr dann
durch die Wahl zum Ausdruck verholfen hätte. Spricht man aber
den Frauen von Pflichten dieser Art, so verkriechen sie sich nur allzu
gern hinter ihre Rechtlosigkeit, um ihre geistige Faulheit, ihren
Mangel an Jnteresse dahinter zu verstecken. Aber selbst wenn ihnen
klar wurde, wie jede Frage des öffentlichen Lebens auch sie persönlich
angeht, selbst wenn sie die Vorgänge außerhalb ihrer vier Wände mit
lebhaftem Jnteresse verfolgen, so liegt ihnen der Gedanke an Pflichten,
die sie zu erfüllen hätten, doch fern, und – falls er ihnen hier und
da kommen sollte – weibliche Schüchternheit und Unsicherheit hält sie
von ihnen zurück. Manch eine arme überlastete Arbeiterfrau, manch
ein abgearbeitetes Fabrikmädchen hält sich selbst für viel zu gering
und unbedeutend, als daß ihre Kraft in dem großen Kampfe des
Proletariats irgend welche Bedeutung haben könnte. Und doch kommt
es gerade in diesem Kampfe mehr denn je vorher auf jeden einzelnen
Menschen an, und wie noch niemals vorher auf die Frauen.

Die Geschichte weist kein Beispiel auf für die aktive Theilnahme
großer Frauenmassen an politischen und sozialen Kämpfen. Es
waren – wie z. B. bei der französischen Revolution – immer nur
kleinere Gruppen, die, momentan erregt durch ein erschütterndes Er-
eigniß, rasch hervortraten und ebenso rasch wieder von der politischen
Bühne verschwanden. Die Voraussetzung für ein gleichbleibendes
Jnteresse – die Emanzipation der Frau von der häuslichen Sphäre
durch die außerhäusliche Erwerbsarbeit – war eben bisher noch nicht
vorhanden. Jetzt erst greift eine bisher unbekannte Kraft in die Räder

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[42/0041] gegen die „Partei des Umsturzes“ wird von höchster Stelle aus zum Kampf aufgerufen; ihre Parteigänger werden als „Elende“, als „vaterlandslose Gesellen“, als „eine Rotte von Menschen, nicht werth, den Namen Deutscher zu tragen“, bezeichnet. Noch mehr als alle Erfolge, mehr als die zwei Millionen Stimmen, die sich bei der letzten Wahl auf die Sozialdemokratie vereinigten, beweisen diese Ver- folgungen ihre Lebenskraft und Siegessicherheit. Seite an Seite mit dem männlichen Proletariat, unter dem Heerbann dieser Partei, haben die Frauen zu kämpfen. Es giebt keine andere, die mit solcher Gewalt an sie appellirt: an ihre Jnteressen als Weib, als Mutter, als Arbeiterin. 6. Die Pflichten der Frau im politischen Kampf. Den Männern ihre politischen Pflichten klar zu machen, ist nicht schwer: Wer im Besitz des Wahlrechts ist und die Zusammensetzung öffentlicher Körperschaften irgend welcher Art durch die Abgabe seiner Stimme mit beeinflußt, der würde leichtfertig handeln, wenn er sich nicht vorher eine feste Meinung zu bilden versucht und ihr dann durch die Wahl zum Ausdruck verholfen hätte. Spricht man aber den Frauen von Pflichten dieser Art, so verkriechen sie sich nur allzu gern hinter ihre Rechtlosigkeit, um ihre geistige Faulheit, ihren Mangel an Jnteresse dahinter zu verstecken. Aber selbst wenn ihnen klar wurde, wie jede Frage des öffentlichen Lebens auch sie persönlich angeht, selbst wenn sie die Vorgänge außerhalb ihrer vier Wände mit lebhaftem Jnteresse verfolgen, so liegt ihnen der Gedanke an Pflichten, die sie zu erfüllen hätten, doch fern, und – falls er ihnen hier und da kommen sollte – weibliche Schüchternheit und Unsicherheit hält sie von ihnen zurück. Manch eine arme überlastete Arbeiterfrau, manch ein abgearbeitetes Fabrikmädchen hält sich selbst für viel zu gering und unbedeutend, als daß ihre Kraft in dem großen Kampfe des Proletariats irgend welche Bedeutung haben könnte. Und doch kommt es gerade in diesem Kampfe mehr denn je vorher auf jeden einzelnen Menschen an, und wie noch niemals vorher auf die Frauen. Die Geschichte weist kein Beispiel auf für die aktive Theilnahme großer Frauenmassen an politischen und sozialen Kämpfen. Es waren – wie z. B. bei der französischen Revolution – immer nur kleinere Gruppen, die, momentan erregt durch ein erschütterndes Er- eigniß, rasch hervortraten und ebenso rasch wieder von der politischen Bühne verschwanden. Die Voraussetzung für ein gleichbleibendes Jnteresse – die Emanzipation der Frau von der häuslichen Sphäre durch die außerhäusliche Erwerbsarbeit – war eben bisher noch nicht vorhanden. Jetzt erst greift eine bisher unbekannte Kraft in die Räder

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2022-08-30T16:52:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Dennis Dietrich: Bearbeitung der digitalen Edition. (2022-08-30T16:52:29Z)

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Zitationshilfe: Braun, Lily: Die Frauen und die Politik. Berlin, 1903, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braun_frauen_1903/41>, abgerufen am 21.11.2024.