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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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Siebente Vorlesung.


Entstehung der Dämpfe.

Schon neulich habe ich, h. H., eine zweite Erscheinung, bei
welcher Wärme latent wird, erwähnt, die Bildung der Dämpfe.
Daß bei ihrer Erzeugung ein Wärme-Aufwand statt findet, ohne
eine Erhöhung der Temperatur hervorzubringen, ist schon daraus
klar, daß kochendes Wasser durch verstärktes Feuer zwar zu hefti-
gerem Aufwallen, zu schnellerem Verdampfen, aber nicht zu einer
größeren Wärme gebracht wird; die zuströmende Wärme wird also
latent, sie vereiniget sich mit dem Wasser, um ein neues, elastisches
Fluidum, den Dampf, hervorzubringen.

Da wir jedes der Luft ausgesetzte Wasser sich allmählich ver-
mindern sehen, da auch die Dämpfe des kochenden Wassers sich in
der Luft verlieren, so war es ein sehr natürlich scheinender Gedanke,
der Luft eine auflösende Kraft beizulegen, vermöge welcher sie das
Wasser in sich aufnähme, und dieser Gedanke hat eine lange Zeit
bei den Physikern Beifall gefunden. Aber seine Unrichtigkeit erhellt
schon aus der einfachen Erfahrung, daß die gewöhnliche Verdunstung
in niedrigen Temperaturen nicht allein ebenso gut, sondern sogar weit
schneller im luftleeren Raume statt findet, also da statt findet, wo jenes
angebliche Auflösungsmittel gänzlich fehlt. Dagegen bewährt sich
die Regel als eine ohne Ausnahme geltende, daß die Verdampfung,
sie geschehe langsam in niedrigen Temperaturen oder heftig beim
Kochen, sie finde im luftvollen oder im luftleeren Raume statt,
immer mit Wärme-Aufwand verbunden ist. Der benetzte Finger,
den wir der Luft darbieten, lehrt uns durch die in ihm erzeugte
Empfindung von Kälte, daß das verdunstende Wasser dem Körper,
an welchem es sich befindet, Wärme entreißt, und die Erfahrung
des Landmannes, daß bei schwachem Winde die Richtung des Win-
des sich darin kenntlich macht, daß die dem Winde ausgesetzte Seite
des nassen Fingers mehr erkaltet, giebt einen Beweis für den ver-
mehrten Wärme-Aufwand an der Seite, wo der Wind die Aus-

Siebente Vorleſung.


Entſtehung der Daͤmpfe.

Schon neulich habe ich, h. H., eine zweite Erſcheinung, bei
welcher Waͤrme latent wird, erwaͤhnt, die Bildung der Daͤmpfe.
Daß bei ihrer Erzeugung ein Waͤrme-Aufwand ſtatt findet, ohne
eine Erhoͤhung der Temperatur hervorzubringen, iſt ſchon daraus
klar, daß kochendes Waſſer durch verſtaͤrktes Feuer zwar zu hefti-
gerem Aufwallen, zu ſchnellerem Verdampfen, aber nicht zu einer
groͤßeren Waͤrme gebracht wird; die zuſtroͤmende Waͤrme wird alſo
latent, ſie vereiniget ſich mit dem Waſſer, um ein neues, elaſtiſches
Fluidum, den Dampf, hervorzubringen.

Da wir jedes der Luft ausgeſetzte Waſſer ſich allmaͤhlich ver-
mindern ſehen, da auch die Daͤmpfe des kochenden Waſſers ſich in
der Luft verlieren, ſo war es ein ſehr natuͤrlich ſcheinender Gedanke,
der Luft eine aufloͤſende Kraft beizulegen, vermoͤge welcher ſie das
Waſſer in ſich aufnaͤhme, und dieſer Gedanke hat eine lange Zeit
bei den Phyſikern Beifall gefunden. Aber ſeine Unrichtigkeit erhellt
ſchon aus der einfachen Erfahrung, daß die gewoͤhnliche Verdunſtung
in niedrigen Temperaturen nicht allein ebenſo gut, ſondern ſogar weit
ſchneller im luftleeren Raume ſtatt findet, alſo da ſtatt findet, wo jenes
angebliche Aufloͤſungsmittel gaͤnzlich fehlt. Dagegen bewaͤhrt ſich
die Regel als eine ohne Ausnahme geltende, daß die Verdampfung,
ſie geſchehe langſam in niedrigen Temperaturen oder heftig beim
Kochen, ſie finde im luftvollen oder im luftleeren Raume ſtatt,
immer mit Waͤrme-Aufwand verbunden iſt. Der benetzte Finger,
den wir der Luft darbieten, lehrt uns durch die in ihm erzeugte
Empfindung von Kaͤlte, daß das verdunſtende Waſſer dem Koͤrper,
an welchem es ſich befindet, Waͤrme entreißt, und die Erfahrung
des Landmannes, daß bei ſchwachem Winde die Richtung des Win-
des ſich darin kenntlich macht, daß die dem Winde ausgeſetzte Seite
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[100/0114] Siebente Vorleſung. Entſtehung der Daͤmpfe. Schon neulich habe ich, h. H., eine zweite Erſcheinung, bei welcher Waͤrme latent wird, erwaͤhnt, die Bildung der Daͤmpfe. Daß bei ihrer Erzeugung ein Waͤrme-Aufwand ſtatt findet, ohne eine Erhoͤhung der Temperatur hervorzubringen, iſt ſchon daraus klar, daß kochendes Waſſer durch verſtaͤrktes Feuer zwar zu hefti- gerem Aufwallen, zu ſchnellerem Verdampfen, aber nicht zu einer groͤßeren Waͤrme gebracht wird; die zuſtroͤmende Waͤrme wird alſo latent, ſie vereiniget ſich mit dem Waſſer, um ein neues, elaſtiſches Fluidum, den Dampf, hervorzubringen. Da wir jedes der Luft ausgeſetzte Waſſer ſich allmaͤhlich ver- mindern ſehen, da auch die Daͤmpfe des kochenden Waſſers ſich in der Luft verlieren, ſo war es ein ſehr natuͤrlich ſcheinender Gedanke, der Luft eine aufloͤſende Kraft beizulegen, vermoͤge welcher ſie das Waſſer in ſich aufnaͤhme, und dieſer Gedanke hat eine lange Zeit bei den Phyſikern Beifall gefunden. Aber ſeine Unrichtigkeit erhellt ſchon aus der einfachen Erfahrung, daß die gewoͤhnliche Verdunſtung in niedrigen Temperaturen nicht allein ebenſo gut, ſondern ſogar weit ſchneller im luftleeren Raume ſtatt findet, alſo da ſtatt findet, wo jenes angebliche Aufloͤſungsmittel gaͤnzlich fehlt. Dagegen bewaͤhrt ſich die Regel als eine ohne Ausnahme geltende, daß die Verdampfung, ſie geſchehe langſam in niedrigen Temperaturen oder heftig beim Kochen, ſie finde im luftvollen oder im luftleeren Raume ſtatt, immer mit Waͤrme-Aufwand verbunden iſt. Der benetzte Finger, den wir der Luft darbieten, lehrt uns durch die in ihm erzeugte Empfindung von Kaͤlte, daß das verdunſtende Waſſer dem Koͤrper, an welchem es ſich befindet, Waͤrme entreißt, und die Erfahrung des Landmannes, daß bei ſchwachem Winde die Richtung des Win- des ſich darin kenntlich macht, daß die dem Winde ausgeſetzte Seite des naſſen Fingers mehr erkaltet, giebt einen Beweis fuͤr den ver- mehrten Waͤrme-Aufwand an der Seite, wo der Wind die Aus-

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/114>, abgerufen am 13.11.2024.