erlangt das Licht im Glase in so kurzem Uebergange, in einer Schichte, deren Dicke uns als völlig verschwindend erscheint, eine 11/2 mal so große Geschwindigkeit, welche beim Wiederhervortreten eben so schnell wieder verlohren geht. Aber wenn uns diese un- endlich scheinende Wirksamkeit der Kräfte als unglaublich vorkömmt, so nöthigt uns doch die uns bekannte mächtige Einwirkung der chemischen Kräfte auf die Körper zu dem Geständnisse, daß auch diese den festesten Zusammenhang der Theilchen überwindenden Kräfte uns ebenso unbegreiflich sind, daß wir viel zu wenig diese, gleichsam das innere Wesen der Körper betreffenden, Einwirkungen zu erkennen im Stande sind, und daher vom Erstaunen über die mächtigen Wirkungen nicht zu schnell zum Zweifel, ob es solche Kräfte geben könne, übergehen dürfen.
Dreizehnte Vorlesung.
Die Undulationstheorie.
Obgleich die Hypothese, womit ich Sie, m. h. H., neulich unterhalten habe, für die bis jetzt näher angegebenen Lichtphäno- mene eine in vieler Hinsicht sehr befriedigende Erklärung darbot, so hat doch schon Newton's scharfsinniger Zeitgenosse Huyghens eine zweite Hypothese aufgestellt und ihre Uebereinstimmung mit den Erscheinungen gründlich darzuthun gesucht. Diese Theorie, die man die Undulations- oder Vibrationstheorie genannt hat, schließt sich an die Uebereinstimmung, die zwischen dem Schalle und dem Lichte statt findet, an, und gründet ihre Schlüsse auf die Gesetze der Vibrationsbewegung. Es ist wahr, daß man bei der oberflächlichen Beobachtung des Schalles gar wohl an eine Emissionstheorie des Schalles denken, von Schalltheilchen, die mit erheblicher Geschwindigkeit von dem schallenden Körper aus- gehend unser Ohr erreichen, die beim Echo zurückgeworfen werden, reden könnte; und die Ueberzeugung, daß man diese, vielen Schein
erlangt das Licht im Glaſe in ſo kurzem Uebergange, in einer Schichte, deren Dicke uns als voͤllig verſchwindend erſcheint, eine 1½ mal ſo große Geſchwindigkeit, welche beim Wiederhervortreten eben ſo ſchnell wieder verlohren geht. Aber wenn uns dieſe un- endlich ſcheinende Wirkſamkeit der Kraͤfte als unglaublich vorkoͤmmt, ſo noͤthigt uns doch die uns bekannte maͤchtige Einwirkung der chemiſchen Kraͤfte auf die Koͤrper zu dem Geſtaͤndniſſe, daß auch dieſe den feſteſten Zuſammenhang der Theilchen uͤberwindenden Kraͤfte uns ebenſo unbegreiflich ſind, daß wir viel zu wenig dieſe, gleichſam das innere Weſen der Koͤrper betreffenden, Einwirkungen zu erkennen im Stande ſind, und daher vom Erſtaunen uͤber die maͤchtigen Wirkungen nicht zu ſchnell zum Zweifel, ob es ſolche Kraͤfte geben koͤnne, uͤbergehen duͤrfen.
Dreizehnte Vorleſung.
Die Undulationstheorie.
Obgleich die Hypotheſe, womit ich Sie, m. h. H., neulich unterhalten habe, fuͤr die bis jetzt naͤher angegebenen Lichtphaͤno- mene eine in vieler Hinſicht ſehr befriedigende Erklaͤrung darbot, ſo hat doch ſchon Newton's ſcharfſinniger Zeitgenoſſe Huyghens eine zweite Hypotheſe aufgeſtellt und ihre Uebereinſtimmung mit den Erſcheinungen gruͤndlich darzuthun geſucht. Dieſe Theorie, die man die Undulations- oder Vibrationstheorie genannt hat, ſchließt ſich an die Uebereinſtimmung, die zwiſchen dem Schalle und dem Lichte ſtatt findet, an, und gruͤndet ihre Schluͤſſe auf die Geſetze der Vibrationsbewegung. Es iſt wahr, daß man bei der oberflaͤchlichen Beobachtung des Schalles gar wohl an eine Emiſſionstheorie des Schalles denken, von Schalltheilchen, die mit erheblicher Geſchwindigkeit von dem ſchallenden Koͤrper aus- gehend unſer Ohr erreichen, die beim Echo zuruͤckgeworfen werden, reden koͤnnte; und die Ueberzeugung, daß man dieſe, vielen Schein
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erlangt das Licht im Glaſe in ſo kurzem Uebergange, in einer
Schichte, deren Dicke uns als voͤllig verſchwindend erſcheint, eine
1½ mal ſo große Geſchwindigkeit, welche beim Wiederhervortreten
eben ſo ſchnell wieder verlohren geht. Aber wenn uns dieſe un-
endlich ſcheinende Wirkſamkeit der Kraͤfte als unglaublich vorkoͤmmt,
ſo noͤthigt uns doch die uns bekannte maͤchtige Einwirkung der
chemiſchen Kraͤfte auf die Koͤrper zu dem Geſtaͤndniſſe, daß auch
dieſe den feſteſten Zuſammenhang der Theilchen uͤberwindenden
Kraͤfte uns ebenſo unbegreiflich ſind, daß wir viel zu wenig dieſe,
gleichſam das innere Weſen der Koͤrper betreffenden, Einwirkungen
zu erkennen im Stande ſind, und daher vom Erſtaunen uͤber die
maͤchtigen Wirkungen nicht zu ſchnell zum Zweifel, ob es ſolche
Kraͤfte geben koͤnne, uͤbergehen duͤrfen.
Dreizehnte Vorleſung.
Die Undulationstheorie.
Obgleich die Hypotheſe, womit ich Sie, m. h. H., neulich
unterhalten habe, fuͤr die bis jetzt naͤher angegebenen Lichtphaͤno-
mene eine in vieler Hinſicht ſehr befriedigende Erklaͤrung darbot, ſo
hat doch ſchon Newton's ſcharfſinniger Zeitgenoſſe Huyghens
eine zweite Hypotheſe aufgeſtellt und ihre Uebereinſtimmung mit
den Erſcheinungen gruͤndlich darzuthun geſucht. Dieſe Theorie,
die man die Undulations- oder Vibrationstheorie genannt hat,
ſchließt ſich an die Uebereinſtimmung, die zwiſchen dem Schalle
und dem Lichte ſtatt findet, an, und gruͤndet ihre Schluͤſſe auf
die Geſetze der Vibrationsbewegung. Es iſt wahr, daß man bei
der oberflaͤchlichen Beobachtung des Schalles gar wohl an eine
Emiſſionstheorie des Schalles denken, von Schalltheilchen, die
mit erheblicher Geſchwindigkeit von dem ſchallenden Koͤrper aus-
gehend unſer Ohr erreichen, die beim Echo zuruͤckgeworfen werden,
reden koͤnnte; und die Ueberzeugung, daß man dieſe, vielen Schein
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/258>, abgerufen am 22.02.2025.
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