Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.Freitag, den 18. Februar. Gestern war ich in der italienischen Oper, weil Freitag, den 18. Februar. Geſtern war ich in der italieniſchen Oper, weil <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0085" n="71"/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">Freitag, den 18. Februar.</hi> </dateline><lb/> <p>Geſtern war ich in der italieniſchen Oper, weil<lb/> mir Jemand ein Billet dazu ſchenkte; denn ſonſt<lb/> wäre ich viel zu ſehr Pariſer Dandy dahin zu gehen,<lb/> wenn die Malibran nicht ſingt. Das Haus war nur<lb/> halb gefüllt, und von dieſer Hälfte ſchlichen ſich die<lb/> Meiſten lange vor dem Ende fort. Manchen jungen<lb/> Herrn ſah und hörte ich ſchlafen. Und doch war die<lb/> ganze Oper vortrefflich beſetzt. Madame Lalande<lb/> wäre eine glänzende Sängerin, würde ſie nicht von<lb/> der Malibran verdunkelt. Man gab <hi rendition="#g">Zelmire</hi>, eine<lb/> tragiſche Oper von Roſſini. Nach meinem <hi rendition="#g">Ge¬<lb/> fühle</hi> (denn <hi rendition="#g">Urtheil</hi> habe ich freilich keines in der<lb/> Muſik) Roſſinis beſte Oper, wenigſtens unter allen,<lb/> die mir bekannt ſind. Eine Muſik, ganz von Stahl,<lb/> wenn auch polirtem. Man wird einigemal an Gluck<lb/> erinnert. Dreißig Minuten hinter einander vernünf¬<lb/> tig zu ſeyn, das iſt dem lieben Roſſini freilich un¬<lb/> möglich. Hat er ſich eine halbe Stunde männlich be¬<lb/> tragen, wird ihm vor ſeiner eigenen Ritterlichkeit<lb/> bange, er lüftet das Viſir und zeigt das alte freund¬<lb/> liche Geſicht. Horaz ſagt: Man mag die Natur<lb/> mit Heugabeln hinausjagen, ſie kehrt immer wieder<lb/> zurück. Aber ſagen Sie mir, woher kommt es, daß<lb/> die Deutſchen nicht ſingen können? Es iſt wirklich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0085]
Freitag, den 18. Februar.
Geſtern war ich in der italieniſchen Oper, weil
mir Jemand ein Billet dazu ſchenkte; denn ſonſt
wäre ich viel zu ſehr Pariſer Dandy dahin zu gehen,
wenn die Malibran nicht ſingt. Das Haus war nur
halb gefüllt, und von dieſer Hälfte ſchlichen ſich die
Meiſten lange vor dem Ende fort. Manchen jungen
Herrn ſah und hörte ich ſchlafen. Und doch war die
ganze Oper vortrefflich beſetzt. Madame Lalande
wäre eine glänzende Sängerin, würde ſie nicht von
der Malibran verdunkelt. Man gab Zelmire, eine
tragiſche Oper von Roſſini. Nach meinem Ge¬
fühle (denn Urtheil habe ich freilich keines in der
Muſik) Roſſinis beſte Oper, wenigſtens unter allen,
die mir bekannt ſind. Eine Muſik, ganz von Stahl,
wenn auch polirtem. Man wird einigemal an Gluck
erinnert. Dreißig Minuten hinter einander vernünf¬
tig zu ſeyn, das iſt dem lieben Roſſini freilich un¬
möglich. Hat er ſich eine halbe Stunde männlich be¬
tragen, wird ihm vor ſeiner eigenen Ritterlichkeit
bange, er lüftet das Viſir und zeigt das alte freund¬
liche Geſicht. Horaz ſagt: Man mag die Natur
mit Heugabeln hinausjagen, ſie kehrt immer wieder
zurück. Aber ſagen Sie mir, woher kommt es, daß
die Deutſchen nicht ſingen können? Es iſt wirklich
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