die Diener des Hauses, die hin und her eilen, die Befehle ihres Herrn zu vollziehen und ihm aufzu¬ warten. Die Bevölkerung in den Provinzen hat eine wahre Lakaien-Art, sie spricht von nichts als von ihrem gnädigen Herrn Paris. Die Städte, die Dör¬ fer sind Misthaufen, bestimmt Paris zu düngen. Wenn auch die andern Provinzen Frankreichs denen gleichen, die ich kenne, so möchte ich außerhalb Paris kein Franzose sein, weder König noch Bürger.
Vitry-sür-Marne, den 12. September.
-- Das menschliche Leben ist voller Rechnungs¬ fehler und ich weiß wahrhaftig nicht, wozu uns das Einmal Eins nützt. Der Teufel ist Controlleur und hat seine Freude am Widerspruch, um jeden Abend den ehrlichen Buchhalter zu verwirren. Am zwölften September des vorigen Jahres war ich, wie ich aus meinem Tagebuche ersahe, in Soden, der letzte Gast im Bade, der einzige Städter im Dorfe, saß gefan¬ gen auf meinem Zimmer, von dem schlechtesten Wet¬ ter bewacht, ward gefoltert von den boshaftesten Ner¬ ven. Es war Abends acht Uhr, ich lag auf dem Sopha, das ungeputzte Licht brannte düster, Wind und Regen klopften leise an das Fenster, es war mir, als wenn die Elemente riefen: komm zurück, wir erwarten dich! Es war mir unendlich wehe. Ich fühlte mich wie fortgeschleppt von den gewaltigen
die Diener des Hauſes, die hin und her eilen, die Befehle ihres Herrn zu vollziehen und ihm aufzu¬ warten. Die Bevölkerung in den Provinzen hat eine wahre Lakaien-Art, ſie ſpricht von nichts als von ihrem gnädigen Herrn Paris. Die Städte, die Dör¬ fer ſind Miſthaufen, beſtimmt Paris zu düngen. Wenn auch die andern Provinzen Frankreichs denen gleichen, die ich kenne, ſo möchte ich außerhalb Paris kein Franzoſe ſein, weder König noch Bürger.
Vitry-ſür-Marne, den 12. September.
— Das menſchliche Leben iſt voller Rechnungs¬ fehler und ich weiß wahrhaftig nicht, wozu uns das Einmal Eins nützt. Der Teufel iſt Controlleur und hat ſeine Freude am Widerſpruch, um jeden Abend den ehrlichen Buchhalter zu verwirren. Am zwölften September des vorigen Jahres war ich, wie ich aus meinem Tagebuche erſahe, in Soden, der letzte Gaſt im Bade, der einzige Städter im Dorfe, ſaß gefan¬ gen auf meinem Zimmer, von dem ſchlechteſten Wet¬ ter bewacht, ward gefoltert von den boshafteſten Ner¬ ven. Es war Abends acht Uhr, ich lag auf dem Sopha, das ungeputzte Licht brannte düſter, Wind und Regen klopften leiſe an das Fenſter, es war mir, als wenn die Elemente riefen: komm zurück, wir erwarten dich! Es war mir unendlich wehe. Ich fühlte mich wie fortgeſchleppt von den gewaltigen
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die Diener des Hauſes, die hin und her eilen, die
Befehle ihres Herrn zu vollziehen und ihm aufzu¬
warten. Die Bevölkerung in den Provinzen hat eine
wahre Lakaien-Art, ſie ſpricht von nichts als von
ihrem gnädigen Herrn Paris. Die Städte, die Dör¬
fer ſind Miſthaufen, beſtimmt Paris zu düngen.
Wenn auch die andern Provinzen Frankreichs denen
gleichen, die ich kenne, ſo möchte ich außerhalb Paris
kein Franzoſe ſein, weder König noch Bürger.
Vitry-ſür-Marne, den 12. September.
— Das menſchliche Leben iſt voller Rechnungs¬
fehler und ich weiß wahrhaftig nicht, wozu uns das
Einmal Eins nützt. Der Teufel iſt Controlleur und
hat ſeine Freude am Widerſpruch, um jeden Abend
den ehrlichen Buchhalter zu verwirren. Am zwölften
September des vorigen Jahres war ich, wie ich aus
meinem Tagebuche erſahe, in Soden, der letzte Gaſt
im Bade, der einzige Städter im Dorfe, ſaß gefan¬
gen auf meinem Zimmer, von dem ſchlechteſten Wet¬
ter bewacht, ward gefoltert von den boshafteſten Ner¬
ven. Es war Abends acht Uhr, ich lag auf dem
Sopha, das ungeputzte Licht brannte düſter, Wind
und Regen klopften leiſe an das Fenſter, es war
mir, als wenn die Elemente riefen: komm zurück,
wir erwarten dich! Es war mir unendlich wehe.
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/23>, abgerufen am 21.02.2025.
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