Suchen Sie sich Diderots Briefe zu verschaffen. Ich bin jetzt mit dem zweiten Theile fertig. Daß so breite Briefe zugleich so tief seyn könnten -- ich hätte es nie gedacht. Sie nehmen kein Ende, und doch hört das Vergnügen, sie zu lesen, nur mit jeder letzten Zeile auf. Alles ist darin, das Schlechte und Gute, Schöne und Häßliche, Gift und Balsam, Gestank und Wohlgeruch, Ekel und Erquickung des achtzehnten Jahrhunderts. Denn man muß jene Zeit als die Apotheke betrachten und die französischen Schriftsteller als die Apotheker, welche unser Jahrhundert geheilt haben. Sollten Sie wohl glauben, daß ich Mensch, ein Vierziger,
Vier und zwanzigſter Brief.
Paris, Donnerſtag, den 6. Januar 1831.
Suchen Sie ſich Diderots Briefe zu verſchaffen. Ich bin jetzt mit dem zweiten Theile fertig. Daß ſo breite Briefe zugleich ſo tief ſeyn könnten — ich hätte es nie gedacht. Sie nehmen kein Ende, und doch hört das Vergnügen, ſie zu leſen, nur mit jeder letzten Zeile auf. Alles iſt darin, das Schlechte und Gute, Schöne und Häßliche, Gift und Balſam, Geſtank und Wohlgeruch, Ekel und Erquickung des achtzehnten Jahrhunderts. Denn man muß jene Zeit als die Apotheke betrachten und die franzöſiſchen Schriftſteller als die Apotheker, welche unſer Jahrhundert geheilt haben. Sollten Sie wohl glauben, daß ich Menſch, ein Vierziger,
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[[172]/0186]
Vier und zwanzigſter Brief.
Paris, Donnerſtag, den 6. Januar 1831.
Suchen Sie ſich Diderots Briefe zu verſchaffen.
Ich bin jetzt mit dem zweiten Theile fertig. Daß
ſo breite Briefe zugleich ſo tief ſeyn könnten — ich
hätte es nie gedacht. Sie nehmen kein Ende, und
doch hört das Vergnügen, ſie zu leſen, nur mit
jeder letzten Zeile auf. Alles iſt darin, das
Schlechte und Gute, Schöne und Häßliche, Gift
und Balſam, Geſtank und Wohlgeruch, Ekel und
Erquickung des achtzehnten Jahrhunderts. Denn
man muß jene Zeit als die Apotheke betrachten und
die franzöſiſchen Schriftſteller als die Apotheker,
welche unſer Jahrhundert geheilt haben. Sollten
Sie wohl glauben, daß ich Menſch, ein Vierziger,
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. [172]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/186>, abgerufen am 21.02.2025.
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