Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite
Stücke der Schutzvorrede
"Rosse einherzutraben pflegte, und einen
"Knaben voran lauffen ließ, der dem sich
"versammelnden Pöbel mit heller Stim-
"me verkündigen muste, daß sein Herr und
"Meister, das Wunder seiner Zeit, der
"Phönix der Aerzte, die Sonne der Wis-
"senschaften, ein unsterblicher Erhalter des
"menschlichen Geschlechtes, der Bezwinger
"aller Kranckheiten u. s. w. sey. Zu wel-
"chem allem der Zahnarzt uur seinen Bart
"streichelte, und zu Zeiten zu den Umste-
"henden nur dieses sagte: Der Knabe
"spricht nichts als die wahrheit: Jch rüh-
"me mich nicht; aber er kennet mich."

Alleine unser Hr. D. Tr-ll-r ist eines weit
edelmüthigern Sinns, er hat deswegen dem
J. C. B. der die beyden Theile seiner Ge-
dichte mit Vorreden versehen, ausdrücklich
untersagt,
daß er den Werth seiner Ge-
dichte nicht anpreisen sollte: Aber eben die-
ser Vorredner giebt nicht undeutlich zu ver-
stehen, was für ein hartes Gebot dieses sey,
und wie schwer es ihm falle, den Werth und
die Verdienste eines Mannes oder einer
Schrift, die jedermann so ausnehmend vor-
kommen, als gleichgültig zu behandeln.
Man muß es darum vor die Würckung ei-
ner raren Bescheidenheit halten, daß Hr.
Tr-ll-r bey der Ausgabe seiner Fabeln das
Amt eines Vorredners keinem Fremden an-

ver-
Stuͤcke der Schutzvorrede
„Roſſe einherzutraben pflegte, und einen
„Knaben voran lauffen ließ, der dem ſich
„verſammelnden Poͤbel mit heller Stim-
„me verkuͤndigen muſte, daß ſein Herr und
„Meiſter, das Wunder ſeiner Zeit, der
„Phoͤnix der Aerzte, die Sonne der Wiſ-
„ſenſchaften, ein unſterblicher Erhalter des
„menſchlichen Geſchlechtes, der Bezwinger
„aller Kranckheiten u. ſ. w. ſey. Zu wel-
„chem allem der Zahnarzt uur ſeinen Bart
„ſtreichelte, und zu Zeiten zu den Umſte-
„henden nur dieſes ſagte: Der Knabe
„ſpricht nichts als die wahrheit: Jch ruͤh-
„me mich nicht; aber er kennet mich.„

Alleine unſer Hr. D. Tr-ll-r iſt eines weit
edelmuͤthigern Sinns, er hat deswegen dem
J. C. B. der die beyden Theile ſeiner Ge-
dichte mit Vorreden verſehen, ausdruͤcklich
unterſagt,
daß er den Werth ſeiner Ge-
dichte nicht anpreiſen ſollte: Aber eben die-
ſer Vorredner giebt nicht undeutlich zu ver-
ſtehen, was fuͤr ein hartes Gebot dieſes ſey,
und wie ſchwer es ihm falle, den Werth und
die Verdienſte eines Mannes oder einer
Schrift, die jedermann ſo ausnehmend vor-
kommen, als gleichguͤltig zu behandeln.
Man muß es darum vor die Wuͤrckung ei-
ner raren Beſcheidenheit halten, daß Hr.
Tr-ll-r bey der Ausgabe ſeiner Fabeln das
Amt eines Vorredners keinem Fremden an-

ver-
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <cit>
            <quote><pb facs="#f0022" n="20"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Stu&#x0364;cke der Schutzvorrede</hi></fw><lb/>
&#x201E;Ro&#x017F;&#x017F;e einherzutraben pflegte, und einen<lb/>
&#x201E;Knaben voran lauffen ließ, der dem &#x017F;ich<lb/>
&#x201E;ver&#x017F;ammelnden Po&#x0364;bel mit heller Stim-<lb/>
&#x201E;me verku&#x0364;ndigen mu&#x017F;te, daß &#x017F;ein Herr und<lb/>
&#x201E;Mei&#x017F;ter, das Wunder &#x017F;einer Zeit, der<lb/>
&#x201E;Pho&#x0364;nix der Aerzte, die Sonne der Wi&#x017F;-<lb/>
&#x201E;&#x017F;en&#x017F;chaften, ein un&#x017F;terblicher Erhalter des<lb/>
&#x201E;men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechtes, der Bezwinger<lb/>
&#x201E;aller Kranckheiten u. &#x017F;. w. &#x017F;ey. Zu wel-<lb/>
&#x201E;chem allem der Zahnarzt uur &#x017F;einen Bart<lb/>
&#x201E;&#x017F;treichelte, und zu Zeiten zu den Um&#x017F;te-<lb/>
&#x201E;henden nur die&#x017F;es &#x017F;agte: Der Knabe<lb/>
&#x201E;&#x017F;pricht nichts als die wahrheit: Jch ru&#x0364;h-<lb/>
&#x201E;me mich nicht; aber er kennet mich.&#x201E;</quote>
          </cit><lb/>
          <p>Alleine un&#x017F;er Hr. D. Tr-ll-r i&#x017F;t eines weit<lb/>
edelmu&#x0364;thigern Sinns, er hat deswegen dem<lb/>
J. C. B. der die beyden Theile &#x017F;einer Ge-<lb/>
dichte mit Vorreden ver&#x017F;ehen, <hi rendition="#fr">ausdru&#x0364;cklich<lb/>
unter&#x017F;agt,</hi> daß er den Werth &#x017F;einer Ge-<lb/>
dichte nicht anprei&#x017F;en &#x017F;ollte: Aber eben die-<lb/>
&#x017F;er Vorredner giebt nicht undeutlich zu ver-<lb/>
&#x017F;tehen, was fu&#x0364;r ein hartes Gebot die&#x017F;es &#x017F;ey,<lb/>
und wie &#x017F;chwer es ihm falle, den Werth und<lb/>
die Verdien&#x017F;te eines Mannes oder einer<lb/>
Schrift, die jedermann &#x017F;o ausnehmend vor-<lb/>
kommen, als gleichgu&#x0364;ltig zu behandeln.<lb/>
Man muß es darum vor die Wu&#x0364;rckung ei-<lb/>
ner raren Be&#x017F;cheidenheit halten, daß Hr.<lb/>
Tr-ll-r bey der Ausgabe &#x017F;einer Fabeln das<lb/>
Amt eines Vorredners keinem Fremden an-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[20/0022] Stuͤcke der Schutzvorrede „Roſſe einherzutraben pflegte, und einen „Knaben voran lauffen ließ, der dem ſich „verſammelnden Poͤbel mit heller Stim- „me verkuͤndigen muſte, daß ſein Herr und „Meiſter, das Wunder ſeiner Zeit, der „Phoͤnix der Aerzte, die Sonne der Wiſ- „ſenſchaften, ein unſterblicher Erhalter des „menſchlichen Geſchlechtes, der Bezwinger „aller Kranckheiten u. ſ. w. ſey. Zu wel- „chem allem der Zahnarzt uur ſeinen Bart „ſtreichelte, und zu Zeiten zu den Umſte- „henden nur dieſes ſagte: Der Knabe „ſpricht nichts als die wahrheit: Jch ruͤh- „me mich nicht; aber er kennet mich.„ Alleine unſer Hr. D. Tr-ll-r iſt eines weit edelmuͤthigern Sinns, er hat deswegen dem J. C. B. der die beyden Theile ſeiner Ge- dichte mit Vorreden verſehen, ausdruͤcklich unterſagt, daß er den Werth ſeiner Ge- dichte nicht anpreiſen ſollte: Aber eben die- ſer Vorredner giebt nicht undeutlich zu ver- ſtehen, was fuͤr ein hartes Gebot dieſes ſey, und wie ſchwer es ihm falle, den Werth und die Verdienſte eines Mannes oder einer Schrift, die jedermann ſo ausnehmend vor- kommen, als gleichguͤltig zu behandeln. Man muß es darum vor die Wuͤrckung ei- ner raren Beſcheidenheit halten, daß Hr. Tr-ll-r bey der Ausgabe ſeiner Fabeln das Amt eines Vorredners keinem Fremden an- ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/22
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/22>, abgerufen am 26.04.2024.