Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Bildung des Centrums. Polnische Seite des Culturkampfs. Cardinal-Staatssekretärs Franchi zu denken, dahingestellt sein. VonRußland hat man gesagt: gouvernement absolu tempere par le regicide. Ist ein Papst, der in der Nichtachtung der in der Kirchen¬ politik concurrirenden Organe zu weit ginge, vor kirchlichen "Nihi¬ listen" sichrer als der Zar? Gegenüber Bischöfen, die im Vatican versammelt sind, ist der Papst stark; und wenn er mit dem Jesuitenorden geht, stärker, als wenn er außerhalb seiner Residenz versucht, den Widerstand der weltlichen Jesuiten zu brechen, die die Träger des parlamentarischen Katholicismus zu sein pflegen. II. Der Beginn des Culturkampfes war für mich überwiegend Bildung des Centrums. Polniſche Seite des Culturkampfs. Cardinal-Staatsſekretärs Franchi zu denken, dahingeſtellt ſein. VonRußland hat man geſagt: gouvernement absolu tempéré par le régicide. Iſt ein Papſt, der in der Nichtachtung der in der Kirchen¬ politik concurrirenden Organe zu weit ginge, vor kirchlichen „Nihi¬ liſten“ ſichrer als der Zar? Gegenüber Biſchöfen, die im Vatican verſammelt ſind, iſt der Papſt ſtark; und wenn er mit dem Jeſuitenorden geht, ſtärker, als wenn er außerhalb ſeiner Reſidenz verſucht, den Widerſtand der weltlichen Jeſuiten zu brechen, die die Träger des parlamentariſchen Katholicismus zu ſein pflegen. II. Der Beginn des Culturkampfes war für mich überwiegend <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0151" n="127"/><fw place="top" type="header">Bildung des Centrums. Polniſche Seite des Culturkampfs.<lb/></fw> Cardinal-Staatsſekretärs Franchi zu denken, dahingeſtellt ſein. Von<lb/> Rußland hat man geſagt: <hi rendition="#aq">gouvernement absolu tempéré par le<lb/> régicide</hi>. Iſt ein Papſt, der in der Nichtachtung der in der Kirchen¬<lb/> politik concurrirenden Organe zu weit ginge, vor kirchlichen „Nihi¬<lb/> liſten“ ſichrer als der Zar? Gegenüber Biſchöfen, die im Vatican<lb/> verſammelt ſind, iſt der Papſt ſtark; und wenn er <hi rendition="#g">mit</hi> dem<lb/> Jeſuitenorden geht, ſtärker, als wenn er außerhalb ſeiner Reſidenz<lb/> verſucht, den Widerſtand der weltlichen Jeſuiten zu brechen, die<lb/> die Träger des parlamentariſchen Katholicismus zu ſein pflegen.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/> </head> <p>Der Beginn des Culturkampfes war für mich überwiegend<lb/> beſtimmt durch ſeine polniſche Seite. Seit dem Verzicht auf die<lb/> Politik der Flottwell und Grolman, ſeit der Conſolidirung des<lb/> Radziwill'ſchen Einfluſſes auf den König und der Einrichtung der<lb/> „katholiſchen Abtheilung“ im geiſtlichen Miniſterium, ſtellten die<lb/> ſtatiſtiſchen Data einen ſchnellen Fortſchritt der polniſchen Natio¬<lb/> nalität auf Koſten der Deutſchen in Poſen und Weſtpreußen<lb/> außer Zweifel, und in Oberſchleſien wurde das bis dahin ſtramm<lb/> preußiſche Element der „Waſſerpolacken“ poloniſirt; Schaffranek<lb/> wurde dort in den Landtag gewählt, der uns das Sprichwort von<lb/> der Unmöglichkeit der Verbrüderung der Deutſchen und der Polen<lb/> in polniſcher Sprache als Parlamentsredner entgegenhielt. Der¬<lb/> gleichen war in Schleſien nur möglich auf Grund der amtlichen<lb/> Autorität der katholiſchen Abtheilung. Auf Klage bei dem Fürſt¬<lb/> biſchof wurde dem Schaffranek unterſagt, bei Wiederwahl auf der<lb/> Linken zu „ſitzen“; in Folge deſſen ſtand dieſer kräftig gebaute<lb/> Prieſter 5 und 6 Stunden und bei Doppelſitzungen 10 Stunden<lb/> am Tage vor den Bänken der Linken, ſtramm wie eine Schild¬<lb/> wache, und brauchte nicht erſt aufzuſtehn, wenn er zu antideutſcher<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [127/0151]
Bildung des Centrums. Polniſche Seite des Culturkampfs.
Cardinal-Staatsſekretärs Franchi zu denken, dahingeſtellt ſein. Von
Rußland hat man geſagt: gouvernement absolu tempéré par le
régicide. Iſt ein Papſt, der in der Nichtachtung der in der Kirchen¬
politik concurrirenden Organe zu weit ginge, vor kirchlichen „Nihi¬
liſten“ ſichrer als der Zar? Gegenüber Biſchöfen, die im Vatican
verſammelt ſind, iſt der Papſt ſtark; und wenn er mit dem
Jeſuitenorden geht, ſtärker, als wenn er außerhalb ſeiner Reſidenz
verſucht, den Widerſtand der weltlichen Jeſuiten zu brechen, die
die Träger des parlamentariſchen Katholicismus zu ſein pflegen.
II.
Der Beginn des Culturkampfes war für mich überwiegend
beſtimmt durch ſeine polniſche Seite. Seit dem Verzicht auf die
Politik der Flottwell und Grolman, ſeit der Conſolidirung des
Radziwill'ſchen Einfluſſes auf den König und der Einrichtung der
„katholiſchen Abtheilung“ im geiſtlichen Miniſterium, ſtellten die
ſtatiſtiſchen Data einen ſchnellen Fortſchritt der polniſchen Natio¬
nalität auf Koſten der Deutſchen in Poſen und Weſtpreußen
außer Zweifel, und in Oberſchleſien wurde das bis dahin ſtramm
preußiſche Element der „Waſſerpolacken“ poloniſirt; Schaffranek
wurde dort in den Landtag gewählt, der uns das Sprichwort von
der Unmöglichkeit der Verbrüderung der Deutſchen und der Polen
in polniſcher Sprache als Parlamentsredner entgegenhielt. Der¬
gleichen war in Schleſien nur möglich auf Grund der amtlichen
Autorität der katholiſchen Abtheilung. Auf Klage bei dem Fürſt¬
biſchof wurde dem Schaffranek unterſagt, bei Wiederwahl auf der
Linken zu „ſitzen“; in Folge deſſen ſtand dieſer kräftig gebaute
Prieſter 5 und 6 Stunden und bei Doppelſitzungen 10 Stunden
am Tage vor den Bänken der Linken, ſtramm wie eine Schild¬
wache, und brauchte nicht erſt aufzuſtehn, wenn er zu antideutſcher
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