Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite
Fortsetzung. -- Das Recht der Genossenschaft.
V. Vermögensverhältnisse der Genossen-
schaften, insbesondere vom Gesammt-
eigenthum
.

Wie schon erwähnt worden, kommt bei der Genossenschaft
der Begriff der juristischen Person nicht immer rein zur An-
wendung; es können dabei Sonderrechte der einzelnen Genos-
sen bestehen, welche eher dem Recht der communio, als dem
der universitas zu entsprechen scheinen, und gerade bei den
Vermögensverhältnissen ist dieß vorzugsweise der Fall. Es ist
aber damit nur der allgemeine Gesichtspunct angegeben, wel-
chen man bei der juristischen Beurtheilung festhalten muß; bei
der Verschiedenheit des Zwecks und der Verfassung, welche sich
bei den einzelnen Arten der Genossenschaften finden, treten wie-
der sehr wesentliche Modificationen jenes Princips ein, welche
hier vor Allem näher zu betrachten sind.

1. Wenn das Vermögen der Genossenschaft bloß dem
Vereinszwecke dient, ohne daß ein besonderes Interesse der ein-
zelnen Mitglieder dabei in Betracht kommt, so sind diese un-
mittelbar nicht dabei betheiligt, und das ganze Rechtsverhältniß
wird nach dem strengen Princip der juristischen Person beurtheilt.
Dasselbe gilt, wenn den einzelnen Genossen gewisse Vortheile
zufließen, aber nur in Folge der Verfassung oder einer be-
stimmten Beschlußnahme, ohne daß ihnen eine unmittelbare
Berechtigung am Vermögen der Gesammtheit zusteht, wenn
also z. B. ein Kunstverein unter seinen Mitgliedern Gemählde
ausloosen oder Kupferstiche vertheilen läßt.

2. Anders stellt sich die Sache schon, wenn in der Ge-
nossenschaft, wie es auch in der deutschen Gemeinde der Fall
seyn kann, den einzelnen Mitgliedern bestimmte Sonderrechte
an dem Corporationsgut als Nutzungsrechte zustehen, welche

Fortſetzung. — Das Recht der Genoſſenſchaft.
V. Vermoͤgensverhaͤltniſſe der Genoſſen-
ſchaften, insbeſondere vom Geſammt-
eigenthum
.

Wie ſchon erwaͤhnt worden, kommt bei der Genoſſenſchaft
der Begriff der juriſtiſchen Perſon nicht immer rein zur An-
wendung; es koͤnnen dabei Sonderrechte der einzelnen Genoſ-
ſen beſtehen, welche eher dem Recht der communio, als dem
der universitas zu entſprechen ſcheinen, und gerade bei den
Vermoͤgensverhaͤltniſſen iſt dieß vorzugsweiſe der Fall. Es iſt
aber damit nur der allgemeine Geſichtspunct angegeben, wel-
chen man bei der juriſtiſchen Beurtheilung feſthalten muß; bei
der Verſchiedenheit des Zwecks und der Verfaſſung, welche ſich
bei den einzelnen Arten der Genoſſenſchaften finden, treten wie-
der ſehr weſentliche Modificationen jenes Princips ein, welche
hier vor Allem naͤher zu betrachten ſind.

1. Wenn das Vermoͤgen der Genoſſenſchaft bloß dem
Vereinszwecke dient, ohne daß ein beſonderes Intereſſe der ein-
zelnen Mitglieder dabei in Betracht kommt, ſo ſind dieſe un-
mittelbar nicht dabei betheiligt, und das ganze Rechtsverhaͤltniß
wird nach dem ſtrengen Princip der juriſtiſchen Perſon beurtheilt.
Daſſelbe gilt, wenn den einzelnen Genoſſen gewiſſe Vortheile
zufließen, aber nur in Folge der Verfaſſung oder einer be-
ſtimmten Beſchlußnahme, ohne daß ihnen eine unmittelbare
Berechtigung am Vermoͤgen der Geſammtheit zuſteht, wenn
alſo z. B. ein Kunſtverein unter ſeinen Mitgliedern Gemaͤhlde
auslooſen oder Kupferſtiche vertheilen laͤßt.

2. Anders ſtellt ſich die Sache ſchon, wenn in der Ge-
noſſenſchaft, wie es auch in der deutſchen Gemeinde der Fall
ſeyn kann, den einzelnen Mitgliedern beſtimmte Sonderrechte
an dem Corporationsgut als Nutzungsrechte zuſtehen, welche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0197" n="185"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fort&#x017F;etzung. &#x2014; Das Recht der Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft</hi>.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#aq">V.</hi><hi rendition="#g">Vermo&#x0364;gensverha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e der Geno&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaften, insbe&#x017F;ondere vom Ge&#x017F;ammt-<lb/>
eigenthum</hi>.</head><lb/>
            <p>Wie &#x017F;chon erwa&#x0364;hnt worden, kommt bei der Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
der Begriff der juri&#x017F;ti&#x017F;chen Per&#x017F;on nicht immer rein zur An-<lb/>
wendung; es ko&#x0364;nnen dabei Sonderrechte der einzelnen Geno&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en be&#x017F;tehen, welche eher dem Recht der <hi rendition="#aq">communio,</hi> als dem<lb/>
der <hi rendition="#aq">universitas</hi> zu ent&#x017F;prechen &#x017F;cheinen, und gerade bei den<lb/>
Vermo&#x0364;gensverha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t dieß vorzugswei&#x017F;e der Fall. Es i&#x017F;t<lb/>
aber damit nur der allgemeine Ge&#x017F;ichtspunct angegeben, wel-<lb/>
chen man bei der juri&#x017F;ti&#x017F;chen Beurtheilung fe&#x017F;thalten muß; bei<lb/>
der Ver&#x017F;chiedenheit des Zwecks und der Verfa&#x017F;&#x017F;ung, welche &#x017F;ich<lb/>
bei den einzelnen Arten der Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften finden, treten wie-<lb/>
der &#x017F;ehr we&#x017F;entliche Modificationen jenes Princips ein, welche<lb/>
hier vor Allem na&#x0364;her zu betrachten &#x017F;ind.</p><lb/>
            <p>1. Wenn das Vermo&#x0364;gen der Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft bloß dem<lb/>
Vereinszwecke dient, ohne daß ein be&#x017F;onderes Intere&#x017F;&#x017F;e der ein-<lb/>
zelnen Mitglieder dabei in Betracht kommt, &#x017F;o &#x017F;ind die&#x017F;e un-<lb/>
mittelbar nicht dabei betheiligt, und das ganze Rechtsverha&#x0364;ltniß<lb/>
wird nach dem &#x017F;trengen Princip der juri&#x017F;ti&#x017F;chen Per&#x017F;on beurtheilt.<lb/>
Da&#x017F;&#x017F;elbe gilt, wenn den einzelnen Geno&#x017F;&#x017F;en gewi&#x017F;&#x017F;e Vortheile<lb/>
zufließen, aber nur in Folge der Verfa&#x017F;&#x017F;ung oder einer be-<lb/>
&#x017F;timmten Be&#x017F;chlußnahme, ohne daß ihnen eine unmittelbare<lb/>
Berechtigung am Vermo&#x0364;gen der Ge&#x017F;ammtheit zu&#x017F;teht, wenn<lb/>
al&#x017F;o z. B. ein Kun&#x017F;tverein unter &#x017F;einen Mitgliedern Gema&#x0364;hlde<lb/>
ausloo&#x017F;en oder Kupfer&#x017F;tiche vertheilen la&#x0364;ßt.</p><lb/>
            <p>2. Anders &#x017F;tellt &#x017F;ich die Sache &#x017F;chon, wenn in der Ge-<lb/>
no&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, wie es auch in der deut&#x017F;chen Gemeinde der Fall<lb/>
&#x017F;eyn kann, den einzelnen Mitgliedern be&#x017F;timmte Sonderrechte<lb/>
an dem Corporationsgut als Nutzungsrechte zu&#x017F;tehen, welche<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0197] Fortſetzung. — Das Recht der Genoſſenſchaft. V. Vermoͤgensverhaͤltniſſe der Genoſſen- ſchaften, insbeſondere vom Geſammt- eigenthum. Wie ſchon erwaͤhnt worden, kommt bei der Genoſſenſchaft der Begriff der juriſtiſchen Perſon nicht immer rein zur An- wendung; es koͤnnen dabei Sonderrechte der einzelnen Genoſ- ſen beſtehen, welche eher dem Recht der communio, als dem der universitas zu entſprechen ſcheinen, und gerade bei den Vermoͤgensverhaͤltniſſen iſt dieß vorzugsweiſe der Fall. Es iſt aber damit nur der allgemeine Geſichtspunct angegeben, wel- chen man bei der juriſtiſchen Beurtheilung feſthalten muß; bei der Verſchiedenheit des Zwecks und der Verfaſſung, welche ſich bei den einzelnen Arten der Genoſſenſchaften finden, treten wie- der ſehr weſentliche Modificationen jenes Princips ein, welche hier vor Allem naͤher zu betrachten ſind. 1. Wenn das Vermoͤgen der Genoſſenſchaft bloß dem Vereinszwecke dient, ohne daß ein beſonderes Intereſſe der ein- zelnen Mitglieder dabei in Betracht kommt, ſo ſind dieſe un- mittelbar nicht dabei betheiligt, und das ganze Rechtsverhaͤltniß wird nach dem ſtrengen Princip der juriſtiſchen Perſon beurtheilt. Daſſelbe gilt, wenn den einzelnen Genoſſen gewiſſe Vortheile zufließen, aber nur in Folge der Verfaſſung oder einer be- ſtimmten Beſchlußnahme, ohne daß ihnen eine unmittelbare Berechtigung am Vermoͤgen der Geſammtheit zuſteht, wenn alſo z. B. ein Kunſtverein unter ſeinen Mitgliedern Gemaͤhlde auslooſen oder Kupferſtiche vertheilen laͤßt. 2. Anders ſtellt ſich die Sache ſchon, wenn in der Ge- noſſenſchaft, wie es auch in der deutſchen Gemeinde der Fall ſeyn kann, den einzelnen Mitgliedern beſtimmte Sonderrechte an dem Corporationsgut als Nutzungsrechte zuſtehen, welche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/197
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/197>, abgerufen am 21.12.2024.