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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. I. Bestrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. II. Von d.
Versuche.
wurde vom Justizminister Uhden und mehreren Mitgliedern bemerkt:
die Grenze der Strafbarkeit sei zu enge gezogen, wenn man alle vor-
bereitenden Handlungen ohne Unterschied als straflos bezeichne. Die
Strafe des Versuchs müsse eintreten, sobald der verbrecherische Wille in
äußeren Handlungen so stark hervorgetreten sei, daß man auf die ernste
Absicht, das Verbrechen zu begehen, schließen müsse. Dieß sei das Prinzip
des Landrechts, das bisher zu keinen Uebelständen Anlaß gegeben habe.
Hiezu komme, daß die Unterscheidung zwischen bloß vorbereitenden und
eigentlichen Versuchshandlungen eine durchaus schwankende sei.
In
concreto
werde es lediglich von der Beurtheilung des Richters ab-
hangen, ob er die vorliegende Handlung in die Kategorie der einen oder
der andern Klasse bringen wolle. Der Zweck des Gesetzes, eine wahr-
haft dispositive, den Richter bindende Bestimmung zu geben, werde da-
her nicht erreicht, und es erscheine demnach das Angemessenste, den §. 42.
im Allgemeinen fortfallen zu lassen, und aus demselben lediglich die im §. 62.
des früheren Entwurfs enthaltene Bestimmung wegen der Straflosigkeit
der Versuchshandlung im Falle des freiwilligen Rücktritts
vorzubehalten."

"Von dem Justizminister von Savigny, dem Kommissarius des
Ministeriums des Innern, so wie von mehreren Mitgliedern wurde hier-
auf Folgendes erwiedert: Die so eben aufgestellte Ansicht führe offenbar
zu weit, und gebe zur größten Willkühr Anlaß. In der Reihe der
äußeren Handlungen, welche der Vollendung des Verbrechens vorher
gegangen, müsse man einen bestimmten Punkt festhalten und bezeichnen,
mit dem man die Strafbarkeit beginnen lasse. Dieß sei im Entwurf
geschehen. Er bezeichne als solchen den Augenblick, wo die Ausführung
des Verbrechens selbst begine. Darin liege ein festes, klares Prinzip;
allerdings werde der Richter immer in concreto beurtheilen
müssen, zu
welcher Kategorie der vorliegende Fall gehöre, allein schon das sei offen-
bar ein Gewinn, daß das Gesetz den leitenden Gesichtspunkt aufstelle.
Der §. 42. sei keine bloß theoretische Definition, sondern eine wahrhaft dis-
positive Bestimmung. Er sei deshalb nicht wohl zu entbehren, obgleich
allerdings nicht geläugnet werden solle, daß die Fassung des §. 42. in
der einen oder andern Hinsicht einer Abänderung bedürfe."

In der Kommission siegte indessen die erstere Ansicht, und der §. 42.
wurde demnach gestrichen, so daß er auch im Entwurf von 1847. fehlt.
Aber der vereinigte ständische Ausschuß nahm denselben auf den Vor-
schlag der vorberathenden Abtheilung mit mehr als zwei Drittel der
Stimmen wieder auf, m) und zwar in einer Fassung, die im Wesent-
lichen dem §. 31. des Strafgesetzbuchs entspricht.


m) Verhandlungen des vereinigten ständischen Ausschusses. I.
S. 205. -- II. S. 348. 358.

Th. I. Beſtrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. II. Von d.
Verſuche.
wurde vom Juſtizminiſter Uhden und mehreren Mitgliedern bemerkt:
die Grenze der Strafbarkeit ſei zu enge gezogen, wenn man alle vor-
bereitenden Handlungen ohne Unterſchied als ſtraflos bezeichne. Die
Strafe des Verſuchs müſſe eintreten, ſobald der verbrecheriſche Wille in
äußeren Handlungen ſo ſtark hervorgetreten ſei, daß man auf die ernſte
Abſicht, das Verbrechen zu begehen, ſchließen müſſe. Dieß ſei das Prinzip
des Landrechts, das bisher zu keinen Uebelſtänden Anlaß gegeben habe.
Hiezu komme, daß die Unterſcheidung zwiſchen bloß vorbereitenden und
eigentlichen Verſuchshandlungen eine durchaus ſchwankende ſei.
In
concreto
werde es lediglich von der Beurtheilung des Richters ab-
hangen, ob er die vorliegende Handlung in die Kategorie der einen oder
der andern Klaſſe bringen wolle. Der Zweck des Geſetzes, eine wahr-
haft dispoſitive, den Richter bindende Beſtimmung zu geben, werde da-
her nicht erreicht, und es erſcheine demnach das Angemeſſenſte, den §. 42.
im Allgemeinen fortfallen zu laſſen, und aus demſelben lediglich die im §. 62.
des früheren Entwurfs enthaltene Beſtimmung wegen der Strafloſigkeit
der Verſuchshandlung im Falle des freiwilligen Rücktritts
vorzubehalten.“

„Von dem Juſtizminiſter von Savigny, dem Kommiſſarius des
Miniſteriums des Innern, ſo wie von mehreren Mitgliedern wurde hier-
auf Folgendes erwiedert: Die ſo eben aufgeſtellte Anſicht führe offenbar
zu weit, und gebe zur größten Willkühr Anlaß. In der Reihe der
äußeren Handlungen, welche der Vollendung des Verbrechens vorher
gegangen, müſſe man einen beſtimmten Punkt feſthalten und bezeichnen,
mit dem man die Strafbarkeit beginnen laſſe. Dieß ſei im Entwurf
geſchehen. Er bezeichne als ſolchen den Augenblick, wo die Ausführung
des Verbrechens ſelbſt begine. Darin liege ein feſtes, klares Prinzip;
allerdings werde der Richter immer in concreto beurtheilen
müſſen, zu
welcher Kategorie der vorliegende Fall gehöre, allein ſchon das ſei offen-
bar ein Gewinn, daß das Geſetz den leitenden Geſichtspunkt aufſtelle.
Der §. 42. ſei keine bloß theoretiſche Definition, ſondern eine wahrhaft dis-
poſitive Beſtimmung. Er ſei deshalb nicht wohl zu entbehren, obgleich
allerdings nicht geläugnet werden ſolle, daß die Faſſung des §. 42. in
der einen oder andern Hinſicht einer Abänderung bedürfe.“

In der Kommiſſion ſiegte indeſſen die erſtere Anſicht, und der §. 42.
wurde demnach geſtrichen, ſo daß er auch im Entwurf von 1847. fehlt.
Aber der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß nahm denſelben auf den Vor-
ſchlag der vorberathenden Abtheilung mit mehr als zwei Drittel der
Stimmen wieder auf, m) und zwar in einer Faſſung, die im Weſent-
lichen dem §. 31. des Strafgeſetzbuchs entſpricht.


m) Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. I.
S. 205. — II. S. 348. 358.
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[140/0150] Th. I. Beſtrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. II. Von d. Verſuche. wurde vom Juſtizminiſter Uhden und mehreren Mitgliedern bemerkt: die Grenze der Strafbarkeit ſei zu enge gezogen, wenn man alle vor- bereitenden Handlungen ohne Unterſchied als ſtraflos bezeichne. Die Strafe des Verſuchs müſſe eintreten, ſobald der verbrecheriſche Wille in äußeren Handlungen ſo ſtark hervorgetreten ſei, daß man auf die ernſte Abſicht, das Verbrechen zu begehen, ſchließen müſſe. Dieß ſei das Prinzip des Landrechts, das bisher zu keinen Uebelſtänden Anlaß gegeben habe. Hiezu komme, daß die Unterſcheidung zwiſchen bloß vorbereitenden und eigentlichen Verſuchshandlungen eine durchaus ſchwankende ſei. In concreto werde es lediglich von der Beurtheilung des Richters ab- hangen, ob er die vorliegende Handlung in die Kategorie der einen oder der andern Klaſſe bringen wolle. Der Zweck des Geſetzes, eine wahr- haft dispoſitive, den Richter bindende Beſtimmung zu geben, werde da- her nicht erreicht, und es erſcheine demnach das Angemeſſenſte, den §. 42. im Allgemeinen fortfallen zu laſſen, und aus demſelben lediglich die im §. 62. des früheren Entwurfs enthaltene Beſtimmung wegen der Strafloſigkeit der Verſuchshandlung im Falle des freiwilligen Rücktritts vorzubehalten.“ „Von dem Juſtizminiſter von Savigny, dem Kommiſſarius des Miniſteriums des Innern, ſo wie von mehreren Mitgliedern wurde hier- auf Folgendes erwiedert: Die ſo eben aufgeſtellte Anſicht führe offenbar zu weit, und gebe zur größten Willkühr Anlaß. In der Reihe der äußeren Handlungen, welche der Vollendung des Verbrechens vorher gegangen, müſſe man einen beſtimmten Punkt feſthalten und bezeichnen, mit dem man die Strafbarkeit beginnen laſſe. Dieß ſei im Entwurf geſchehen. Er bezeichne als ſolchen den Augenblick, wo die Ausführung des Verbrechens ſelbſt begine. Darin liege ein feſtes, klares Prinzip; allerdings werde der Richter immer in concreto beurtheilen müſſen, zu welcher Kategorie der vorliegende Fall gehöre, allein ſchon das ſei offen- bar ein Gewinn, daß das Geſetz den leitenden Geſichtspunkt aufſtelle. Der §. 42. ſei keine bloß theoretiſche Definition, ſondern eine wahrhaft dis- poſitive Beſtimmung. Er ſei deshalb nicht wohl zu entbehren, obgleich allerdings nicht geläugnet werden ſolle, daß die Faſſung des §. 42. in der einen oder andern Hinſicht einer Abänderung bedürfe.“ In der Kommiſſion ſiegte indeſſen die erſtere Anſicht, und der §. 42. wurde demnach geſtrichen, ſo daß er auch im Entwurf von 1847. fehlt. Aber der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß nahm denſelben auf den Vor- ſchlag der vorberathenden Abtheilung mit mehr als zwei Drittel der Stimmen wieder auf, m) und zwar in einer Faſſung, die im Weſent- lichen dem §. 31. des Strafgeſetzbuchs entſpricht. m) Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. I. S. 205. — II. S. 348. 358.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/150>, abgerufen am 26.04.2024.