"Die Anwendung dieses Grundsatzes (ne bis in idem) ist aber nicht zulässig bei den gegen den Preußischen Staat verübten Verbrechen, da Verbrechen dieser Art in den ausländischen Gesetzgebungen entweder gar nicht oder mit einer relativ ungenügenden Strafe bedroht sind. Das Auskunftsmittel gegen etwaige zu große Härten muß hier entweder in der unterbleibenden Verfolgung oder in einer Milderung der später zu erkennenden Strafe im Gnadenwege gefunden werden." (S. Motive a. a. O.)
§. 5.
Auf Preußische Militairpersonen finden die allgemeinen Strafgesetze inso- weit Anwendung, als nicht die Militairgesetze ein Anderes bestimmen.
Der §. 5. bestimmt das Verhältniß des allgemeinen Strafgesetzbuchs zu den Militair-Strafgesetzen und geht hierbei von dem, aus der bishe- rigen Gesetzgebung entlehnten Grundsatz aus, daß die Vorschriften der allgemeinen Strafgesetze auf Militairpersonen nur insoweit Anwendung finden, als die Militair-Strafgesetze nichts Anderes bestimmen. Die Festhaltung dieses Grundsatzes findet in den militairischen Dienstverhält- nissen ihre Rechtfertigung. l)
Die Militairpersonen haben nämlich außer den allgemeinen Staats- bürgerpflichten besondere Pflichten ihres Berufs. Die Handlungen welche eine Verletzung militairischer Berufspflichten darstellen, machen den In- begriff der militarischen Verbrechen aus und die Vorschriften wegen Be- strafung dieser Handlungen bilden ein eigenes, den allgemeinen Straf- gesetzen nicht angehörendes Rechtsgebiet.
In Ansehung der allgemeinen Staatsbürgerpflichten sind dagegen auch die Militairpersonen den allgemeinen Strafgesetzen unterworfen und wegen der darin unter Strafe gestellten Handlungen nach diesen Ge- setzen zu beurtheilen und zu bestrafen, wenn nicht die eigenthümlichen Verhältnisse des Militairstandes Ausnahme von dieser Regel erfordern. Die Nothwendigkeit solcher Ausnahmen tritt ein:
1) bei Beurtheilung solcher in den allgemeinen Strafgesetzen mit Strafe bedroheten Handlungen, die, von Militairpersonen verübt, einen besonderen Charakter annehmen,
2) bei denjenigen bürgerlichen Strafen, die mit den Verhältnissen des Militairstandes nicht vereinbar sind.
Demnach bilden die Militairgesetze in Betreff der darin für militairische Verbrechen enthaltenen Strafbestimmungen ein Specialrecht; und, inso-
„Die Anwendung dieſes Grundſatzes (ne bis in idem) iſt aber nicht zuläſſig bei den gegen den Preußiſchen Staat verübten Verbrechen, da Verbrechen dieſer Art in den ausländiſchen Geſetzgebungen entweder gar nicht oder mit einer relativ ungenügenden Strafe bedroht ſind. Das Auskunftsmittel gegen etwaige zu große Härten muß hier entweder in der unterbleibenden Verfolgung oder in einer Milderung der ſpäter zu erkennenden Strafe im Gnadenwege gefunden werden.“ (S. Motive a. a. O.)
§. 5.
Auf Preußiſche Militairperſonen finden die allgemeinen Strafgeſetze inſo- weit Anwendung, als nicht die Militairgeſetze ein Anderes beſtimmen.
Der §. 5. beſtimmt das Verhältniß des allgemeinen Strafgeſetzbuchs zu den Militair-Strafgeſetzen und geht hierbei von dem, aus der bishe- rigen Geſetzgebung entlehnten Grundſatz aus, daß die Vorſchriften der allgemeinen Strafgeſetze auf Militairperſonen nur inſoweit Anwendung finden, als die Militair-Strafgeſetze nichts Anderes beſtimmen. Die Feſthaltung dieſes Grundſatzes findet in den militairiſchen Dienſtverhält- niſſen ihre Rechtfertigung. l)
Die Militairperſonen haben nämlich außer den allgemeinen Staats- bürgerpflichten beſondere Pflichten ihres Berufs. Die Handlungen welche eine Verletzung militairiſcher Berufspflichten darſtellen, machen den In- begriff der militariſchen Verbrechen aus und die Vorſchriften wegen Be- ſtrafung dieſer Handlungen bilden ein eigenes, den allgemeinen Straf- geſetzen nicht angehörendes Rechtsgebiet.
In Anſehung der allgemeinen Staatsbürgerpflichten ſind dagegen auch die Militairperſonen den allgemeinen Strafgeſetzen unterworfen und wegen der darin unter Strafe geſtellten Handlungen nach dieſen Ge- ſetzen zu beurtheilen und zu beſtrafen, wenn nicht die eigenthümlichen Verhältniſſe des Militairſtandes Ausnahme von dieſer Regel erfordern. Die Nothwendigkeit ſolcher Ausnahmen tritt ein:
1) bei Beurtheilung ſolcher in den allgemeinen Strafgeſetzen mit Strafe bedroheten Handlungen, die, von Militairperſonen verübt, einen beſonderen Charakter annehmen,
2) bei denjenigen bürgerlichen Strafen, die mit den Verhältniſſen des Militairſtandes nicht vereinbar ſind.
Demnach bilden die Militairgeſetze in Betreff der darin für militairiſche Verbrechen enthaltenen Strafbeſtimmungen ein Specialrecht; und, inſo-
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Einleitende Beſtimmungen.
„Die Anwendung dieſes Grundſatzes (ne bis in idem) iſt aber
nicht zuläſſig bei den gegen den Preußiſchen Staat verübten Verbrechen,
da Verbrechen dieſer Art in den ausländiſchen Geſetzgebungen entweder
gar nicht oder mit einer relativ ungenügenden Strafe bedroht ſind. Das
Auskunftsmittel gegen etwaige zu große Härten muß hier entweder in
der unterbleibenden Verfolgung oder in einer Milderung der ſpäter zu
erkennenden Strafe im Gnadenwege gefunden werden.“ (S. Motive
a. a. O.)
§. 5.
Auf Preußiſche Militairperſonen finden die allgemeinen Strafgeſetze inſo-
weit Anwendung, als nicht die Militairgeſetze ein Anderes beſtimmen.
Der §. 5. beſtimmt das Verhältniß des allgemeinen Strafgeſetzbuchs
zu den Militair-Strafgeſetzen und geht hierbei von dem, aus der bishe-
rigen Geſetzgebung entlehnten Grundſatz aus, daß die Vorſchriften der
allgemeinen Strafgeſetze auf Militairperſonen nur inſoweit Anwendung
finden, als die Militair-Strafgeſetze nichts Anderes beſtimmen. Die
Feſthaltung dieſes Grundſatzes findet in den militairiſchen Dienſtverhält-
niſſen ihre Rechtfertigung. l)
Die Militairperſonen haben nämlich außer den allgemeinen Staats-
bürgerpflichten beſondere Pflichten ihres Berufs. Die Handlungen welche
eine Verletzung militairiſcher Berufspflichten darſtellen, machen den In-
begriff der militariſchen Verbrechen aus und die Vorſchriften wegen Be-
ſtrafung dieſer Handlungen bilden ein eigenes, den allgemeinen Straf-
geſetzen nicht angehörendes Rechtsgebiet.
In Anſehung der allgemeinen Staatsbürgerpflichten ſind dagegen
auch die Militairperſonen den allgemeinen Strafgeſetzen unterworfen und
wegen der darin unter Strafe geſtellten Handlungen nach dieſen Ge-
ſetzen zu beurtheilen und zu beſtrafen, wenn nicht die eigenthümlichen
Verhältniſſe des Militairſtandes Ausnahme von dieſer Regel erfordern.
Die Nothwendigkeit ſolcher Ausnahmen tritt ein:
1) bei Beurtheilung ſolcher in den allgemeinen Strafgeſetzen mit
Strafe bedroheten Handlungen, die, von Militairperſonen verübt,
einen beſonderen Charakter annehmen,
2) bei denjenigen bürgerlichen Strafen, die mit den Verhältniſſen
des Militairſtandes nicht vereinbar ſind.
Demnach bilden die Militairgeſetze in Betreff der darin für militairiſche
Verbrechen enthaltenen Strafbeſtimmungen ein Specialrecht; und, inſo-
l) Vgl. Code pénal art. 5. — Württemb. Strafgeſetzb. Art. 2. —
Braunſchweig. Criminalgeſetzb. §. 3. — Bad. Strafgeſetzb. §. 2.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/88>, abgerufen am 22.02.2025.
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