Diese Beschränkung rechtfertigt sich durch die Erwägung, daß die neueren Strafgesetze, zumal die deutschen, auf die es hier zunächst an- kommt, im Ganzen auf gleicher Stufe stehen, und daß nur höchst selten eine durch unser Gesetz verpönte Handlung nach ausländischem Recht straflos sein wird. i) Es müßten aber doch ganz unabweisbare Gründe der Zweckmäßigkeit aufgestellt werden, wenn eine Gesetzgebung dahin gebracht werden sollte, wegen Handlungen, die unter dem Schutze eines geordneten Rechtszustandes vollkommen rechtmäßig in der Fremde vor- genommen wurden, den zurückkehrenden Inländer zu bestrafen. Anders stellt es sich in den unter 1. und 2. aufgeführten Fällen, weil es zu- fällig ist, ob und inwieweit die fremde Gesetzgebung überhaupt auf die Sicherheit und das Recht des Preußischen Staates Rücksicht nimmt. Aber diese Fälle sind auch mit den gewöhnlichen gemeinen Verbrechen nicht zu verwechseln, und können für diese keine Regel bilden. -- Da- gegen könnte es nothwendig erscheinen, eine solche im Auslande straflose Handlung nach dem inländischen Gesetz zu bestrafen, wenn sie in der Absicht im Auslande vorgenommen worden, das Preußische Gesetz zu umgehen. Der Entwurf von 1847. §. 2. enthielt auch eine solche Vor- schrift, und der Antrag, dieselbe aus dem Gesetzbuch zu entfernen, bekam in dem vereinigten ständischen Ausschusse nicht die Mehrheit. k) In- dessen spricht doch Vieles dafür, daß das Strafgesetzbuch eine solche Bestimmung nicht aufgenommen hat. Die praktische Bedeutung dersel- ben ist an sich gering anzuschlagen, der Begriff einer in fraudem legis vorgenommenen Handlung schwer zu bestimmen und der Beweis einer solchen Absicht selten zu führen.
b. Die Verfolgung und Bestrafung soll in diesem letzten Fall auch dann nicht statt finden, wenn von den Gerichten des Auslandes über die Handlung rechtskräftig erkannt und die etwa ausgesprochene Strafe vollzogen oder durch Begnadigung erlassen ist. Diese Bestim- mung beruht auf dem allgemeinen Rechtsgrundsatz: ne bis in idem; sie erhält ihre Bedeutung eigentlich durch den Gegensatz, welcher daraus, daß sie an dieser Stelle ausdrücklich ausgesprochen ist, für die unter 1.und 2. behandelten Fälle hervorgeht; für diese kommt jener Rechts- grundsatz also nicht zur Anwendung. Die Rechtfertigung dieser an sich allerdings sehr bedenklichen Abweichung von einer solchen Grundregel der Rechtspflege kann nur in derselben Weise geführt werden, wie die Vertheidigung der Vorschrift, daß für dieselben Fälle die Straflosigkeit nach dem ausländischen Recht ohne Einwirkung bleiben soll.
i)Revision a. a. O. S. 13.
k)Verhandlungen a. a. O. II. S. 31. 33. 37. 45. 50.
§§. 3. 4. Anwendung der Strafgeſetze.
Dieſe Beſchränkung rechtfertigt ſich durch die Erwägung, daß die neueren Strafgeſetze, zumal die deutſchen, auf die es hier zunächſt an- kommt, im Ganzen auf gleicher Stufe ſtehen, und daß nur höchſt ſelten eine durch unſer Geſetz verpönte Handlung nach ausländiſchem Recht ſtraflos ſein wird. i) Es müßten aber doch ganz unabweisbare Gründe der Zweckmäßigkeit aufgeſtellt werden, wenn eine Geſetzgebung dahin gebracht werden ſollte, wegen Handlungen, die unter dem Schutze eines geordneten Rechtszuſtandes vollkommen rechtmäßig in der Fremde vor- genommen wurden, den zurückkehrenden Inländer zu beſtrafen. Anders ſtellt es ſich in den unter 1. und 2. aufgeführten Fällen, weil es zu- fällig iſt, ob und inwieweit die fremde Geſetzgebung überhaupt auf die Sicherheit und das Recht des Preußiſchen Staates Rückſicht nimmt. Aber dieſe Fälle ſind auch mit den gewöhnlichen gemeinen Verbrechen nicht zu verwechſeln, und können für dieſe keine Regel bilden. — Da- gegen könnte es nothwendig erſcheinen, eine ſolche im Auslande ſtrafloſe Handlung nach dem inländiſchen Geſetz zu beſtrafen, wenn ſie in der Abſicht im Auslande vorgenommen worden, das Preußiſche Geſetz zu umgehen. Der Entwurf von 1847. §. 2. enthielt auch eine ſolche Vor- ſchrift, und der Antrag, dieſelbe aus dem Geſetzbuch zu entfernen, bekam in dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſe nicht die Mehrheit. k) In- deſſen ſpricht doch Vieles dafür, daß das Strafgeſetzbuch eine ſolche Beſtimmung nicht aufgenommen hat. Die praktiſche Bedeutung derſel- ben iſt an ſich gering anzuſchlagen, der Begriff einer in fraudem legis vorgenommenen Handlung ſchwer zu beſtimmen und der Beweis einer ſolchen Abſicht ſelten zu führen.
b. Die Verfolgung und Beſtrafung ſoll in dieſem letzten Fall auch dann nicht ſtatt finden, wenn von den Gerichten des Auslandes über die Handlung rechtskräftig erkannt und die etwa ausgeſprochene Strafe vollzogen oder durch Begnadigung erlaſſen iſt. Dieſe Beſtim- mung beruht auf dem allgemeinen Rechtsgrundſatz: ne bis in idem; ſie erhält ihre Bedeutung eigentlich durch den Gegenſatz, welcher daraus, daß ſie an dieſer Stelle ausdrücklich ausgeſprochen iſt, für die unter 1.und 2. behandelten Fälle hervorgeht; für dieſe kommt jener Rechts- grundſatz alſo nicht zur Anwendung. Die Rechtfertigung dieſer an ſich allerdings ſehr bedenklichen Abweichung von einer ſolchen Grundregel der Rechtspflege kann nur in derſelben Weiſe geführt werden, wie die Vertheidigung der Vorſchrift, daß für dieſelben Fälle die Strafloſigkeit nach dem ausländiſchen Recht ohne Einwirkung bleiben ſoll.
i)Reviſion a. a. O. S. 13.
k)Verhandlungen a. a. O. II. S. 31. 33. 37. 45. 50.
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§§. 3. 4. Anwendung der Strafgeſetze.
Dieſe Beſchränkung rechtfertigt ſich durch die Erwägung, daß die
neueren Strafgeſetze, zumal die deutſchen, auf die es hier zunächſt an-
kommt, im Ganzen auf gleicher Stufe ſtehen, und daß nur höchſt ſelten
eine durch unſer Geſetz verpönte Handlung nach ausländiſchem Recht
ſtraflos ſein wird. i) Es müßten aber doch ganz unabweisbare Gründe
der Zweckmäßigkeit aufgeſtellt werden, wenn eine Geſetzgebung dahin
gebracht werden ſollte, wegen Handlungen, die unter dem Schutze eines
geordneten Rechtszuſtandes vollkommen rechtmäßig in der Fremde vor-
genommen wurden, den zurückkehrenden Inländer zu beſtrafen. Anders
ſtellt es ſich in den unter 1. und 2. aufgeführten Fällen, weil es zu-
fällig iſt, ob und inwieweit die fremde Geſetzgebung überhaupt auf die
Sicherheit und das Recht des Preußiſchen Staates Rückſicht nimmt.
Aber dieſe Fälle ſind auch mit den gewöhnlichen gemeinen Verbrechen
nicht zu verwechſeln, und können für dieſe keine Regel bilden. — Da-
gegen könnte es nothwendig erſcheinen, eine ſolche im Auslande ſtrafloſe
Handlung nach dem inländiſchen Geſetz zu beſtrafen, wenn ſie in der
Abſicht im Auslande vorgenommen worden, das Preußiſche Geſetz zu
umgehen. Der Entwurf von 1847. §. 2. enthielt auch eine ſolche Vor-
ſchrift, und der Antrag, dieſelbe aus dem Geſetzbuch zu entfernen, bekam
in dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſe nicht die Mehrheit. k) In-
deſſen ſpricht doch Vieles dafür, daß das Strafgeſetzbuch eine ſolche
Beſtimmung nicht aufgenommen hat. Die praktiſche Bedeutung derſel-
ben iſt an ſich gering anzuſchlagen, der Begriff einer in fraudem legis
vorgenommenen Handlung ſchwer zu beſtimmen und der Beweis einer
ſolchen Abſicht ſelten zu führen.
b. Die Verfolgung und Beſtrafung ſoll in dieſem letzten Fall
auch dann nicht ſtatt finden, wenn von den Gerichten des Auslandes
über die Handlung rechtskräftig erkannt und die etwa ausgeſprochene
Strafe vollzogen oder durch Begnadigung erlaſſen iſt. Dieſe Beſtim-
mung beruht auf dem allgemeinen Rechtsgrundſatz: ne bis in idem;
ſie erhält ihre Bedeutung eigentlich durch den Gegenſatz, welcher daraus,
daß ſie an dieſer Stelle ausdrücklich ausgeſprochen iſt, für die unter
1.und 2. behandelten Fälle hervorgeht; für dieſe kommt jener Rechts-
grundſatz alſo nicht zur Anwendung. Die Rechtfertigung dieſer an ſich
allerdings ſehr bedenklichen Abweichung von einer ſolchen Grundregel
der Rechtspflege kann nur in derſelben Weiſe geführt werden, wie die
Vertheidigung der Vorſchrift, daß für dieſelben Fälle die Strafloſigkeit
nach dem ausländiſchen Recht ohne Einwirkung bleiben ſoll.
i) Reviſion a. a. O. S. 13.
k) Verhandlungen a. a. O. II. S. 31. 33. 37. 45. 50.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/87>, abgerufen am 26.11.2024.
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