Wer vorsätzlich und widerrechtlich einen Menschen einsperrt, oder auf andere Weise des Gebrauchs der persönlichen Freiheit beraubt, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft.
Die Strafe ist Zuchthaus bis zu funfzehn Jahren:
1) wenn für den der Freiheit Beraubten die Freiheitsentziehung oder die ihm während derselben widerfahrene Behandlung eine schwere Körper- verletzung (§. 193.) zur Folge gehabt hat;
2) wenn die Freiheitsberaubung über einen Monat gedauert hat;
3) wenn das Verbrechen gegen leibliche Verwandte in aufsteigender Linie verübt worden ist.
§. 211.
Eine widerrechtliche Freiheitsberaubung ist nicht vorhanden, wenn eine Per- son vorläufig ergriffen und festgenommen wird, welche, bei Ausführung einer strafbaren Handlung oder gleich nach derselben betroffen oder verfolgt, die Flucht ergreift oder der Flucht dringend verdächtig ist, oder wenn in einem solchen Falle Grund zu der Besorgniß vorliegt, daß die Identität der Person sonst nicht festzustellen sein werde. Der Ergriffene muß sofort einer Polizei- behörde oder einem anderen Beamten, welchem nach den Gesetzen die Pflicht obliegt, Verbrechen oder Vergehen nachzuforschen, behufs der Bestimmung über die vorläufige Festnahme übergeben, oder einer Wachtmannschaft zugeführt werden.
Ebenso ist eine widerrechtliche Freiheitsberaubung nicht vorhanden, wenn die Fürsorge für einen Geisteskranken die Beschränkung seiner Freiheit noth- wendig macht. Versäumt in einem solchen Falle derjenige, welcher diese Maaßregel trifft, der Polizeibehörde ohne Verzug von der getroffenen Maaß- regel Anzeige zu machen, so soll er mit Gefängniß bis zu sechs Monaten oder mit Geldbuße bis zu Einhundert Thalern bestraft werden.
Das Charakteristische der in §. 210. mit Strafe bedrohten Hand- lungen ist in den Worten angedeutet "einsperrt oder auf andere Weise des Gebrauchs der persönlichen Freiheit beraubt." Die vorsätzliche und widerrechtliche Verübung einer solchen Handlung findet sich auch bei anderen Verbrechen, z. B. dem Menschenraub, der Entführung; aber bei diesen muß noch etwas Anderes hinzukommen, wodurch der That- bestand erst hergestellt wird, und zwar ist es die bestimmte Absicht, der Zweck, zu dessen Erreichung die That begangen wird. In dem vorlie- genden Fall ist es die Verletzung der persönlichen Freiheit an sich, die geahndet werden soll, und die eben so als ein strafbares Unrecht be-
Verjährung des Strafantrags, die erst von dem Zeitpunkte an zu laufen beginnt, wo der Berechtigte Kenntniß von der Heirath erhalten hat, -- Bericht der Kommis- sion der ersten Kammer zu diesem Titel.
§§. 210. 211. Widerrechtliche Freiheitsberaubung.
§. 210.
Wer vorſätzlich und widerrechtlich einen Menſchen einſperrt, oder auf andere Weiſe des Gebrauchs der perſönlichen Freiheit beraubt, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten beſtraft.
Die Strafe iſt Zuchthaus bis zu funfzehn Jahren:
1) wenn für den der Freiheit Beraubten die Freiheitsentziehung oder die ihm während derſelben widerfahrene Behandlung eine ſchwere Körper- verletzung (§. 193.) zur Folge gehabt hat;
2) wenn die Freiheitsberaubung über einen Monat gedauert hat;
3) wenn das Verbrechen gegen leibliche Verwandte in aufſteigender Linie verübt worden iſt.
§. 211.
Eine widerrechtliche Freiheitsberaubung iſt nicht vorhanden, wenn eine Per- ſon vorläufig ergriffen und feſtgenommen wird, welche, bei Ausführung einer ſtrafbaren Handlung oder gleich nach derſelben betroffen oder verfolgt, die Flucht ergreift oder der Flucht dringend verdächtig iſt, oder wenn in einem ſolchen Falle Grund zu der Beſorgniß vorliegt, daß die Identität der Perſon ſonſt nicht feſtzuſtellen ſein werde. Der Ergriffene muß ſofort einer Polizei- behörde oder einem anderen Beamten, welchem nach den Geſetzen die Pflicht obliegt, Verbrechen oder Vergehen nachzuforſchen, behufs der Beſtimmung über die vorläufige Feſtnahme übergeben, oder einer Wachtmannſchaft zugeführt werden.
Ebenſo iſt eine widerrechtliche Freiheitsberaubung nicht vorhanden, wenn die Fürſorge für einen Geiſteskranken die Beſchränkung ſeiner Freiheit noth- wendig macht. Verſäumt in einem ſolchen Falle derjenige, welcher dieſe Maaßregel trifft, der Polizeibehörde ohne Verzug von der getroffenen Maaß- regel Anzeige zu machen, ſo ſoll er mit Gefängniß bis zu ſechs Monaten oder mit Geldbuße bis zu Einhundert Thalern beſtraft werden.
Das Charakteriſtiſche der in §. 210. mit Strafe bedrohten Hand- lungen iſt in den Worten angedeutet „einſperrt oder auf andere Weiſe des Gebrauchs der perſönlichen Freiheit beraubt.“ Die vorſätzliche und widerrechtliche Verübung einer ſolchen Handlung findet ſich auch bei anderen Verbrechen, z. B. dem Menſchenraub, der Entführung; aber bei dieſen muß noch etwas Anderes hinzukommen, wodurch der That- beſtand erſt hergeſtellt wird, und zwar iſt es die beſtimmte Abſicht, der Zweck, zu deſſen Erreichung die That begangen wird. In dem vorlie- genden Fall iſt es die Verletzung der perſönlichen Freiheit an ſich, die geahndet werden ſoll, und die eben ſo als ein ſtrafbares Unrecht be-
Verjährung des Strafantrags, die erſt von dem Zeitpunkte an zu laufen beginnt, wo der Berechtigte Kenntniß von der Heirath erhalten hat, — Bericht der Kommiſ- ſion der erſten Kammer zu dieſem Titel.
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§§. 210. 211. Widerrechtliche Freiheitsberaubung.
§. 210.
Wer vorſätzlich und widerrechtlich einen Menſchen einſperrt, oder auf andere
Weiſe des Gebrauchs der perſönlichen Freiheit beraubt, wird mit Gefängniß
nicht unter drei Monaten beſtraft.
Die Strafe iſt Zuchthaus bis zu funfzehn Jahren:
1) wenn für den der Freiheit Beraubten die Freiheitsentziehung oder die
ihm während derſelben widerfahrene Behandlung eine ſchwere Körper-
verletzung (§. 193.) zur Folge gehabt hat;
2) wenn die Freiheitsberaubung über einen Monat gedauert hat;
3) wenn das Verbrechen gegen leibliche Verwandte in aufſteigender Linie
verübt worden iſt.
§. 211.
Eine widerrechtliche Freiheitsberaubung iſt nicht vorhanden, wenn eine Per-
ſon vorläufig ergriffen und feſtgenommen wird, welche, bei Ausführung einer
ſtrafbaren Handlung oder gleich nach derſelben betroffen oder verfolgt, die
Flucht ergreift oder der Flucht dringend verdächtig iſt, oder wenn in einem
ſolchen Falle Grund zu der Beſorgniß vorliegt, daß die Identität der Perſon
ſonſt nicht feſtzuſtellen ſein werde. Der Ergriffene muß ſofort einer Polizei-
behörde oder einem anderen Beamten, welchem nach den Geſetzen die Pflicht
obliegt, Verbrechen oder Vergehen nachzuforſchen, behufs der Beſtimmung über
die vorläufige Feſtnahme übergeben, oder einer Wachtmannſchaft zugeführt
werden.
Ebenſo iſt eine widerrechtliche Freiheitsberaubung nicht vorhanden, wenn
die Fürſorge für einen Geiſteskranken die Beſchränkung ſeiner Freiheit noth-
wendig macht. Verſäumt in einem ſolchen Falle derjenige, welcher dieſe
Maaßregel trifft, der Polizeibehörde ohne Verzug von der getroffenen Maaß-
regel Anzeige zu machen, ſo ſoll er mit Gefängniß bis zu ſechs Monaten oder
mit Geldbuße bis zu Einhundert Thalern beſtraft werden.
Das Charakteriſtiſche der in §. 210. mit Strafe bedrohten Hand-
lungen iſt in den Worten angedeutet „einſperrt oder auf andere Weiſe
des Gebrauchs der perſönlichen Freiheit beraubt.“ Die vorſätzliche und
widerrechtliche Verübung einer ſolchen Handlung findet ſich auch bei
anderen Verbrechen, z. B. dem Menſchenraub, der Entführung; aber bei
dieſen muß noch etwas Anderes hinzukommen, wodurch der That-
beſtand erſt hergeſtellt wird, und zwar iſt es die beſtimmte Abſicht, der
Zweck, zu deſſen Erreichung die That begangen wird. In dem vorlie-
genden Fall iſt es die Verletzung der perſönlichen Freiheit an ſich, die
geahndet werden ſoll, und die eben ſo als ein ſtrafbares Unrecht be-
f)
f) Verjährung des Strafantrags, die erſt von dem Zeitpunkte an zu laufen beginnt, wo
der Berechtigte Kenntniß von der Heirath erhalten hat, — Bericht der Kommiſ-
ſion der erſten Kammer zu dieſem Titel.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/407>, abgerufen am 22.02.2025.
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