So lange als ich Prediger gewesen, und noch bis auf den heutigen Tag, werd ich um ein leich- tes von Dispositionibus febrilibus und von An- stössen eines Fiebers, oder mit unvermutheten Durchfällen incommodiret; so daß ich mit aller meiner genauen Diaet nicht fähig genug gewesen, und auch bis diese Stunde noch nicht bin, diesen Anfällen zu entgehen. Man kan leicht erach- ten, daß dergleichen Zufälle einen Prediger sehr hindern, wenn er auf die Predigt studiren soll. Die Prediger fühlen vielmahl beym concipiren und studiren selbst die Krafft des Wortes GOttes, und den kalten Schauer, den, gleichwie alles sublime und hohe, was nach GOTT und der Ewigkeit schmeckt, also die hohen Dinge, so in GOTTES Wort vorkommen, gar sonderlich erregen. Dieser Schauer aber hat eine Aehn- lichkeit mit dem Schauer, der einen ankommt, wenn ihn ein Fieber anwandelt, folgentlich hab ich offt beym concipiren alles bewegliche, und er- habene im Stylo quittiren und fahren lassen müs- sen, ja schier die Würckung und Krafft des Wor- tes GOttes aufhalten müssen, um dem Ausbruche des Fiebers nur zu entgehen, ja an statt eines Con- ceptes nur eine Sciagraphie, und Disposition ma- chen, und nach derselben die Predigt ex tempore
halten
von Fiebriſchen Anwandlungen,
§. 124.
So lange als ich Prediger geweſen, und noch bis auf den heutigen Tag, werd ich um ein leich- tes von Diſpoſitionibus febrilibus und von An- ſtoͤſſen eines Fiebers, oder mit unvermutheten Durchfaͤllen incommodiret; ſo daß ich mit aller meiner genauen Diæt nicht faͤhig genug geweſen, und auch bis dieſe Stunde noch nicht bin, dieſen Anfaͤllen zu entgehen. Man kan leicht erach- ten, daß dergleichen Zufaͤlle einen Prediger ſehr hindern, wenn er auf die Predigt ſtudiren ſoll. Die Prediger fuͤhlen vielmahl beym concipiren und ſtudiren ſelbſt die Krafft des Wortes GOttes, und den kalten Schauer, den, gleichwie alles ſublime und hohe, was nach GOTT und der Ewigkeit ſchmeckt, alſo die hohen Dinge, ſo in GOTTES Wort vorkommen, gar ſonderlich erregen. Dieſer Schauer aber hat eine Aehn- lichkeit mit dem Schauer, der einen ankommt, wenn ihn ein Fieber anwandelt, folgentlich hab ich offt beym concipiren alles bewegliche, und er- habene im Stylo quittiren und fahren laſſen muͤſ- ſen, ja ſchier die Wuͤrckung und Krafft des Wor- tes GOttes aufhalten muͤſſen, um dem Ausbruche des Fiebers nur zu entgehen, ja an ſtatt eines Con- ceptes nur eine Sciagraphie, und Diſpoſition ma- chen, und nach derſelben die Predigt ex tempore
halten
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von Fiebriſchen Anwandlungen,
§. 124.
So lange als ich Prediger geweſen, und noch
bis auf den heutigen Tag, werd ich um ein leich-
tes von Diſpoſitionibus febrilibus und von An-
ſtoͤſſen eines Fiebers, oder mit unvermutheten
Durchfaͤllen incommodiret; ſo daß ich mit aller
meiner genauen Diæt nicht faͤhig genug geweſen,
und auch bis dieſe Stunde noch nicht bin, dieſen
Anfaͤllen zu entgehen. Man kan leicht erach-
ten, daß dergleichen Zufaͤlle einen Prediger ſehr
hindern, wenn er auf die Predigt ſtudiren ſoll.
Die Prediger fuͤhlen vielmahl beym concipiren
und ſtudiren ſelbſt die Krafft des Wortes GOttes,
und den kalten Schauer, den, gleichwie alles
ſublime und hohe, was nach GOTT und der
Ewigkeit ſchmeckt, alſo die hohen Dinge, ſo in
GOTTES Wort vorkommen, gar ſonderlich
erregen. Dieſer Schauer aber hat eine Aehn-
lichkeit mit dem Schauer, der einen ankommt,
wenn ihn ein Fieber anwandelt, folgentlich hab
ich offt beym concipiren alles bewegliche, und er-
habene im Stylo quittiren und fahren laſſen muͤſ-
ſen, ja ſchier die Wuͤrckung und Krafft des Wor-
tes GOttes aufhalten muͤſſen, um dem Ausbruche
des Fiebers nur zu entgehen, ja an ſtatt eines Con-
ceptes nur eine Sciagraphie, und Diſpoſition ma-
chen, und nach derſelben die Predigt ex tempore
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/616>, abgerufen am 21.11.2024.
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