Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

Nimbt einen Famulum an,
Davidisches Erkänntniß herausgegeben, in wel-
chen er an Scharffsinnigkeit den Engeländern es
zuvor thut, und in welchen er dem seligen Inspe-
ctor
Neumann, dessen Schrifften er vor diesem
auf meine Recommendation gelesen, vortrefflich
nachgeahmet, bewegen mich zu glauben, daß er
ein Prediger werden sollen, und von GOtt von
Mutter-Leibe an dazu bestimmet gewesen.

Anno 1702.
§. 49.

Allein diese Honig-süsse Stunden, so ich
einige Wochen gehabt, wurden mir gar bald in
bittere Wermuth einer nicht geringen Versuchung
verkehret. Der vorige Informator Herr Wach-
tel hatte auf seiner Stube, welche ich zugleich
mit der Information auf dem rothen Collegio
bekommen, einen armen Knaben, ich glaube
eines verstorbenen Predigers Sohn, mit Na-
men Wittich, einige Jahre bey sich gehabt, der
gleiches Alters mit meinem Discipel war, und
gleiche Studia hatte, und den er auch die Lectio-
nes,
die er seinem Untergebenen hielt, umsonst
mit besuchen lassen. Jch weiß nicht, was er
an diesem Knaben, oder Jünglinge gefunden hatte,
daß er ihm mit gantzem Hertzen zugethan war.
Ausser seinem Armuth war nichts an ihm, was
einen hätte sonderlich bewegen, oder gefallen

können,
N

Nimbt einen Famulum an,
Davidiſches Erkaͤnntniß herausgegeben, in wel-
chen er an Scharffſinnigkeit den Engelaͤndern es
zuvor thut, und in welchen er dem ſeligen Inſpe-
ctor
Neumann, deſſen Schrifften er vor dieſem
auf meine Recommendation geleſen, vortrefflich
nachgeahmet, bewegen mich zu glauben, daß er
ein Prediger werden ſollen, und von GOtt von
Mutter-Leibe an dazu beſtimmet geweſen.

Anno 1702.
§. 49.

Allein dieſe Honig-ſuͤſſe Stunden, ſo ich
einige Wochen gehabt, wurden mir gar bald in
bittere Wermuth einer nicht geringen Verſuchung
verkehret. Der vorige Informator Herr Wach-
tel hatte auf ſeiner Stube, welche ich zugleich
mit der Information auf dem rothen Collegio
bekommen, einen armen Knaben, ich glaube
eines verſtorbenen Predigers Sohn, mit Na-
men Wittich, einige Jahre bey ſich gehabt, der
gleiches Alters mit meinem Diſcipel war, und
gleiche Studia hatte, und den er auch die Lectio-
nes,
die er ſeinem Untergebenen hielt, umſonſt
mit beſuchen laſſen. Jch weiß nicht, was er
an dieſem Knaben, oder Juͤnglinge gefunden hatte,
daß er ihm mit gantzem Hertzen zugethan war.
Auſſer ſeinem Armuth war nichts an ihm, was
einen haͤtte ſonderlich bewegen, oder gefallen

koͤnnen,
N
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0239" n="193"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Nimbt einen</hi><hi rendition="#aq">Famulum</hi><hi rendition="#b">an,</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Davidi&#x017F;ches Erka&#x0364;nntniß</hi> herausgegeben, in wel-<lb/>
chen er an Scharff&#x017F;innigkeit den Engela&#x0364;ndern es<lb/>
zuvor thut, und in welchen er dem &#x017F;eligen <hi rendition="#aq">In&#x017F;pe-<lb/>
ctor</hi> Neumann, de&#x017F;&#x017F;en Schrifften er vor die&#x017F;em<lb/>
auf meine <hi rendition="#aq">Recommendation</hi> gele&#x017F;en, vortrefflich<lb/>
nachgeahmet, bewegen mich zu glauben, daß er<lb/>
ein Prediger werden &#x017F;ollen, und von GOtt von<lb/>
Mutter-Leibe an dazu be&#x017F;timmet gewe&#x017F;en.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Anno</hi></hi> 1702.<lb/>
§. 49.</head><lb/>
        <p>Allein die&#x017F;e Honig-&#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Stunden, &#x017F;o ich<lb/>
einige Wochen gehabt, wurden mir gar bald in<lb/>
bittere Wermuth einer nicht geringen Ver&#x017F;uchung<lb/>
verkehret. Der vorige <hi rendition="#aq">Informator</hi> Herr Wach-<lb/>
tel hatte auf &#x017F;einer Stube, welche ich zugleich<lb/>
mit der <hi rendition="#aq">Information</hi> auf dem rothen <hi rendition="#aq">Collegio</hi><lb/>
bekommen, einen armen Knaben, ich glaube<lb/>
eines ver&#x017F;torbenen Predigers Sohn, mit Na-<lb/>
men <hi rendition="#aq">Wittich,</hi> einige Jahre bey &#x017F;ich gehabt, der<lb/>
gleiches Alters mit meinem <hi rendition="#aq">Di&#x017F;cipel</hi> war, und<lb/>
gleiche <hi rendition="#aq">Studia</hi> hatte, und den er auch die <hi rendition="#aq">Lectio-<lb/>
nes,</hi> die er &#x017F;einem Untergebenen hielt, um&#x017F;on&#x017F;t<lb/>
mit be&#x017F;uchen la&#x017F;&#x017F;en. Jch weiß nicht, was er<lb/>
an die&#x017F;em Knaben, oder Ju&#x0364;nglinge gefunden hatte,<lb/>
daß er ihm mit gantzem Hertzen zugethan war.<lb/>
Au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;einem Armuth war nichts an ihm, was<lb/>
einen ha&#x0364;tte &#x017F;onderlich bewegen, oder gefallen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N</fw><fw place="bottom" type="catch">ko&#x0364;nnen,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0239] Nimbt einen Famulum an, Davidiſches Erkaͤnntniß herausgegeben, in wel- chen er an Scharffſinnigkeit den Engelaͤndern es zuvor thut, und in welchen er dem ſeligen Inſpe- ctor Neumann, deſſen Schrifften er vor dieſem auf meine Recommendation geleſen, vortrefflich nachgeahmet, bewegen mich zu glauben, daß er ein Prediger werden ſollen, und von GOtt von Mutter-Leibe an dazu beſtimmet geweſen. Anno 1702. §. 49. Allein dieſe Honig-ſuͤſſe Stunden, ſo ich einige Wochen gehabt, wurden mir gar bald in bittere Wermuth einer nicht geringen Verſuchung verkehret. Der vorige Informator Herr Wach- tel hatte auf ſeiner Stube, welche ich zugleich mit der Information auf dem rothen Collegio bekommen, einen armen Knaben, ich glaube eines verſtorbenen Predigers Sohn, mit Na- men Wittich, einige Jahre bey ſich gehabt, der gleiches Alters mit meinem Diſcipel war, und gleiche Studia hatte, und den er auch die Lectio- nes, die er ſeinem Untergebenen hielt, umſonſt mit beſuchen laſſen. Jch weiß nicht, was er an dieſem Knaben, oder Juͤnglinge gefunden hatte, daß er ihm mit gantzem Hertzen zugethan war. Auſſer ſeinem Armuth war nichts an ihm, was einen haͤtte ſonderlich bewegen, oder gefallen koͤnnen, N

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/239
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/239>, abgerufen am 21.12.2024.