mich in Görlitz zur Nacht, weil ich des bittern Biers nicht gewohnet war, überfallen, war abge- mattet worden; so wurde ich doch die übrige Tage so gestärcket, daß ich Freytags vor Jubilate frisch und gesund in Leipzig ankam.
Anno 1699. §. 38.
Auf Leipzig hatte ich mich längstens gefreuet, wie die Kinder auf den heiligen Christ. Denn ich hatte mir nicht nur vorgenommen, alsdenn fleißi- ger zu studiren, wenn ich nicht mehr zu praece- ptoriren, wie auf dem Gymnasio, würde genö- thiget seyn, sondern auch viel frömmer, und hei- liger zu leben, wenn ich die verführische Gesell- schafften nicht mehr so nahe, und täglich, wie zuvor, um mich haben würde. Jch machte auch gleich Anstalt meine gute Vorsätze zu voll- ziehen; doch so willig der Geist war, so war das Fleisch doch offt schwach genug, so daß ich mich zuweilen recht grämete, wenn ich in Aus- übung des guten wider meinen täglichen habituel- len und beständigen Vorsatz handelte, und aus Schwachheit sündigte. Jch dachte, sprach ich bey mir selbst, Leipzig solte es mir lindern, und nun zubricht mir GOTT abermahl meine Gebeine, wie ein Löwe, und macht, daß ich wider mich selbst bin, und mit mir
täglich
allwo er gluͤcklich ankommt,
mich in Goͤrlitz zur Nacht, weil ich des bittern Biers nicht gewohnet war, uͤberfallen, war abge- mattet worden; ſo wurde ich doch die uͤbrige Tage ſo geſtaͤrcket, daß ich Freytags vor Jubilate friſch und geſund in Leipzig ankam.
Anno 1699. §. 38.
Auf Leipzig hatte ich mich laͤngſtens gefreuet, wie die Kinder auf den heiligen Chriſt. Denn ich hatte mir nicht nur vorgenommen, alsdenn fleißi- ger zu ſtudiren, wenn ich nicht mehr zu præce- ptoriren, wie auf dem Gymnaſio, wuͤrde genoͤ- thiget ſeyn, ſondern auch viel froͤmmer, und hei- liger zu leben, wenn ich die verfuͤhriſche Geſell- ſchafften nicht mehr ſo nahe, und taͤglich, wie zuvor, um mich haben wuͤrde. Jch machte auch gleich Anſtalt meine gute Vorſaͤtze zu voll- ziehen; doch ſo willig der Geiſt war, ſo war das Fleiſch doch offt ſchwach genug, ſo daß ich mich zuweilen recht graͤmete, wenn ich in Aus- uͤbung des guten wider meinen taͤglichen habituel- len und beſtaͤndigen Vorſatz handelte, und aus Schwachheit ſuͤndigte. Jch dachte, ſprach ich bey mir ſelbſt, Leipzig ſolte es mir lindern, und nun zubricht mir GOTT abermahl meine Gebeine, wie ein Loͤwe, und macht, daß ich wider mich ſelbſt bin, und mit mir
taͤglich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0200"n="154"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">allwo er gluͤcklich ankommt,</hi></fw><lb/>
mich in Goͤrlitz zur Nacht, weil ich des bittern<lb/>
Biers nicht gewohnet war, uͤberfallen, war abge-<lb/>
mattet worden; ſo wurde ich doch die uͤbrige<lb/>
Tage ſo geſtaͤrcket, daß ich Freytags vor <hirendition="#aq">Jubilate</hi><lb/>
friſch und geſund in Leipzig ankam.</p></div><lb/><divn="1"><head><hirendition="#aq"><hirendition="#g">Anno</hi></hi> 1699.<lb/>
§. 38.</head><lb/><p>Auf Leipzig hatte ich mich laͤngſtens gefreuet,<lb/>
wie die Kinder auf den heiligen Chriſt. Denn<lb/>
ich hatte mir nicht nur vorgenommen, alsdenn fleißi-<lb/>
ger zu <hirendition="#aq">ſtudi</hi>ren, wenn ich nicht mehr zu <hirendition="#aq">præce-<lb/>
ptori</hi>ren, wie auf dem <hirendition="#aq">Gymnaſio,</hi> wuͤrde genoͤ-<lb/>
thiget ſeyn, ſondern auch viel froͤmmer, und hei-<lb/>
liger zu leben, wenn ich die verfuͤhriſche Geſell-<lb/>ſchafften nicht mehr ſo nahe, und taͤglich, wie<lb/>
zuvor, um mich haben wuͤrde. Jch machte<lb/>
auch gleich Anſtalt meine gute Vorſaͤtze zu voll-<lb/>
ziehen; doch ſo willig der Geiſt war, ſo war<lb/>
das Fleiſch doch offt ſchwach genug, ſo daß ich<lb/>
mich zuweilen recht graͤmete, wenn ich in Aus-<lb/>
uͤbung des guten wider meinen taͤglichen <hirendition="#aq">habituel-<lb/>
l</hi>en und beſtaͤndigen Vorſatz handelte, und aus<lb/>
Schwachheit ſuͤndigte. Jch dachte, ſprach<lb/>
ich bey mir ſelbſt, <hirendition="#fr">Leipzig ſolte es mir lindern,<lb/>
und nun zubricht mir <hirendition="#g">GOTT</hi> abermahl<lb/>
meine Gebeine, wie ein Loͤwe, und macht,<lb/>
daß ich wider mich ſelbſt bin, und mit mir</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">taͤglich</hi></fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[154/0200]
allwo er gluͤcklich ankommt,
mich in Goͤrlitz zur Nacht, weil ich des bittern
Biers nicht gewohnet war, uͤberfallen, war abge-
mattet worden; ſo wurde ich doch die uͤbrige
Tage ſo geſtaͤrcket, daß ich Freytags vor Jubilate
friſch und geſund in Leipzig ankam.
Anno 1699.
§. 38.
Auf Leipzig hatte ich mich laͤngſtens gefreuet,
wie die Kinder auf den heiligen Chriſt. Denn
ich hatte mir nicht nur vorgenommen, alsdenn fleißi-
ger zu ſtudiren, wenn ich nicht mehr zu præce-
ptoriren, wie auf dem Gymnaſio, wuͤrde genoͤ-
thiget ſeyn, ſondern auch viel froͤmmer, und hei-
liger zu leben, wenn ich die verfuͤhriſche Geſell-
ſchafften nicht mehr ſo nahe, und taͤglich, wie
zuvor, um mich haben wuͤrde. Jch machte
auch gleich Anſtalt meine gute Vorſaͤtze zu voll-
ziehen; doch ſo willig der Geiſt war, ſo war
das Fleiſch doch offt ſchwach genug, ſo daß ich
mich zuweilen recht graͤmete, wenn ich in Aus-
uͤbung des guten wider meinen taͤglichen habituel-
len und beſtaͤndigen Vorſatz handelte, und aus
Schwachheit ſuͤndigte. Jch dachte, ſprach
ich bey mir ſelbſt, Leipzig ſolte es mir lindern,
und nun zubricht mir GOTT abermahl
meine Gebeine, wie ein Loͤwe, und macht,
daß ich wider mich ſelbſt bin, und mit mir
taͤglich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/200>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.