Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
gezählt." Dass aber diese Geschütze zum weit grössten Teile aus
Eisen gegossen waren, geht aus andern Nachrichten hervor. Die
Artillerie unter König Johann (1574 bis 1592) zählte bereits 3459
Geschütze, darunter 2027 aus Gusseisen 1).

Aus allen diesen Angaben erkennt man deutlich, welchen Um-
fang die Fabrikation gusseiserner Geschütze im Laufe des 16. Jahr-
hunderts erlangt hatte. Deutschland war auch hierin voraus-
gegangen.

Zur Förderung des Artilleriewesens trugen ausser den Fort-
schritten des Eisenhüttenwesens noch wesentlich die Artillerie-
schulen
, die Zeughäuser und die damit verbundenen Giess-
häuser
bei.

Die älteste Artillerieschule hatte Venedig. Alte Giess-
schulen gab es in Amberg und München. Kaiser Max stiftete da-
nach eine in Innsbruck. Karl V. gründete eine Artillerieschule zu
Burgos in Spanien und eine andere in Sizilien. Ebenso legte der-
selbe Kaiser Stückgiessereien in vielen Städten seines ausgedehnten
Reiches an, so zu Burgos, St. Sebastian, Malaga und Barcelona
in Spanien, in Mecheln und Utrecht in den Niederlanden und zu
Crema, Mailand, Neapel und Messina in Italien. In Deutschland
lag dafür kein Bedürfnis vor, denn dort bestanden solche in den
meisten grossen Städten. Nürnberg und Augsburg trieben sogar
ausgedehnten Handel mit Geschützen. 1502 liess der Rat von Augs-
burg ein neues schönes Giesshaus und ein Zeughaus, "welches gemeinig-
lich der Kazenstadel genannt wurde", an dem Judenkirchhofe er-
bauen 2) und gleich damals goss der Stückgiesser Niclas Oberacker
aus Konstanz 35 metallene Stücke und einen Mörser, welche alle
in das Zeughaus gestellt wurden. Der Augsburger Stückgiesser
Georg Löffler war so berühmt, dass Karl V. öfter Stücke bei ihm
giessen liess und ihn später ganz in seinen Dienst nahm. Das Giess-
haus brannte wiederholt und zwar in den Jahren 1556 und 1601.
Damals war Wolfgang Neidthardt, der Stadt Stück-, Glocken-
und Figurengiesser, berühmt. Er stammte aus Ulm, wo schon sein
Vater Stück- und Glockengiesser gewesen war. -- Das Zeughaus zu
Augsburg, hinter St. Moritz gelegen, war so reich mit Geschützen
und Gewehren ausgerüstet, dass damit die Wälle besetzt und die
ganze Bürgerschaft bewaffnet werden konnte. 1578 veranstaltete die

1) Siehe Weiss, Kostümkunde, Bd. VI, S. 929.
2) Siehe von Stetten,
Geschichte von Augsburg, S. 235.

Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.
gezählt.“ Daſs aber diese Geschütze zum weit gröſsten Teile aus
Eisen gegossen waren, geht aus andern Nachrichten hervor. Die
Artillerie unter König Johann (1574 bis 1592) zählte bereits 3459
Geschütze, darunter 2027 aus Guſseisen 1).

Aus allen diesen Angaben erkennt man deutlich, welchen Um-
fang die Fabrikation guſseiserner Geschütze im Laufe des 16. Jahr-
hunderts erlangt hatte. Deutschland war auch hierin voraus-
gegangen.

Zur Förderung des Artilleriewesens trugen auſser den Fort-
schritten des Eisenhüttenwesens noch wesentlich die Artillerie-
schulen
, die Zeughäuser und die damit verbundenen Gieſs-
häuser
bei.

Die älteste Artillerieschule hatte Venedig. Alte Gieſs-
schulen gab es in Amberg und München. Kaiser Max stiftete da-
nach eine in Innsbruck. Karl V. gründete eine Artillerieschule zu
Burgos in Spanien und eine andere in Sizilien. Ebenso legte der-
selbe Kaiser Stückgieſsereien in vielen Städten seines ausgedehnten
Reiches an, so zu Burgos, St. Sebastian, Malaga und Barcelona
in Spanien, in Mecheln und Utrecht in den Niederlanden und zu
Crema, Mailand, Neapel und Messina in Italien. In Deutschland
lag dafür kein Bedürfnis vor, denn dort bestanden solche in den
meisten groſsen Städten. Nürnberg und Augsburg trieben sogar
ausgedehnten Handel mit Geschützen. 1502 lieſs der Rat von Augs-
burg ein neues schönes Gieſshaus und ein Zeughaus, „welches gemeinig-
lich der Kazenstadel genannt wurde“, an dem Judenkirchhofe er-
bauen 2) und gleich damals goſs der Stückgieſser Niclas Oberacker
aus Konstanz 35 metallene Stücke und einen Mörser, welche alle
in das Zeughaus gestellt wurden. Der Augsburger Stückgieſser
Georg Löffler war so berühmt, daſs Karl V. öfter Stücke bei ihm
gieſsen lieſs und ihn später ganz in seinen Dienst nahm. Das Gieſs-
haus brannte wiederholt und zwar in den Jahren 1556 und 1601.
Damals war Wolfgang Neidthardt, der Stadt Stück-, Glocken-
und Figurengieſser, berühmt. Er stammte aus Ulm, wo schon sein
Vater Stück- und Glockengieſser gewesen war. — Das Zeughaus zu
Augsburg, hinter St. Moritz gelegen, war so reich mit Geschützen
und Gewehren ausgerüstet, daſs damit die Wälle besetzt und die
ganze Bürgerschaft bewaffnet werden konnte. 1578 veranstaltete die

1) Siehe Weiſs, Kostümkunde, Bd. VI, S. 929.
2) Siehe von Stetten,
Geschichte von Augsburg, S. 235.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0355" n="335"/><fw place="top" type="header">Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert.</fw><lb/>
gezählt.&#x201C; Da&#x017F;s aber diese Geschütze zum weit grö&#x017F;sten Teile aus<lb/>
Eisen gegossen waren, geht aus andern Nachrichten hervor. Die<lb/>
Artillerie unter König Johann (1574 bis 1592) zählte bereits 3459<lb/>
Geschütze, darunter 2027 aus Gu&#x017F;seisen <note place="foot" n="1)">Siehe <hi rendition="#g">Wei&#x017F;s</hi>, Kostümkunde, Bd. VI, S. 929.</note>.</p><lb/>
            <p>Aus allen diesen Angaben erkennt man deutlich, welchen Um-<lb/>
fang die Fabrikation gu&#x017F;seiserner Geschütze im Laufe des 16. Jahr-<lb/>
hunderts erlangt hatte. Deutschland war auch hierin voraus-<lb/>
gegangen.</p><lb/>
            <p>Zur Förderung des Artilleriewesens trugen au&#x017F;ser den Fort-<lb/>
schritten des Eisenhüttenwesens noch wesentlich die <hi rendition="#g">Artillerie-<lb/>
schulen</hi>, die <hi rendition="#g">Zeughäuser</hi> und die damit verbundenen <hi rendition="#g">Gie&#x017F;s-<lb/>
häuser</hi> bei.</p><lb/>
            <p>Die älteste <hi rendition="#g">Artillerieschule</hi> hatte Venedig. Alte Gie&#x017F;s-<lb/>
schulen gab es in Amberg und München. Kaiser <hi rendition="#g">Max</hi> stiftete da-<lb/>
nach eine in Innsbruck. <hi rendition="#g">Karl</hi> V. gründete eine Artillerieschule zu<lb/>
Burgos in Spanien und eine andere in Sizilien. Ebenso legte der-<lb/>
selbe Kaiser Stückgie&#x017F;sereien in vielen Städten seines ausgedehnten<lb/>
Reiches an, so zu Burgos, St. Sebastian, Malaga und Barcelona<lb/>
in Spanien, in Mecheln und Utrecht in den Niederlanden und zu<lb/>
Crema, Mailand, Neapel und Messina in Italien. In Deutschland<lb/>
lag dafür kein Bedürfnis vor, denn dort bestanden solche in den<lb/>
meisten gro&#x017F;sen Städten. Nürnberg und Augsburg trieben sogar<lb/>
ausgedehnten Handel mit Geschützen. 1502 lie&#x017F;s der Rat von Augs-<lb/>
burg ein neues schönes Gie&#x017F;shaus und ein Zeughaus, &#x201E;welches gemeinig-<lb/>
lich der Kazenstadel genannt wurde&#x201C;, an dem Judenkirchhofe er-<lb/>
bauen <note place="foot" n="2)">Siehe <hi rendition="#g">von Stetten</hi>,<lb/>
Geschichte von Augsburg, S. 235.</note> und gleich damals go&#x017F;s der Stückgie&#x017F;ser <hi rendition="#g">Niclas Oberacker</hi><lb/>
aus Konstanz 35 metallene Stücke und einen Mörser, welche alle<lb/>
in das Zeughaus gestellt wurden. Der Augsburger Stückgie&#x017F;ser<lb/><hi rendition="#g">Georg Löffler</hi> war so berühmt, da&#x017F;s Karl V. öfter Stücke bei ihm<lb/>
gie&#x017F;sen lie&#x017F;s und ihn später ganz in seinen Dienst nahm. Das Gie&#x017F;s-<lb/>
haus brannte wiederholt und zwar in den Jahren 1556 und 1601.<lb/>
Damals war <hi rendition="#g">Wolfgang Neidthardt</hi>, der Stadt Stück-, Glocken-<lb/>
und Figurengie&#x017F;ser, berühmt. Er stammte aus Ulm, wo schon sein<lb/>
Vater Stück- und Glockengie&#x017F;ser gewesen war. &#x2014; Das Zeughaus zu<lb/>
Augsburg, hinter St. Moritz gelegen, war so reich mit Geschützen<lb/>
und Gewehren ausgerüstet, da&#x017F;s damit die Wälle besetzt und die<lb/>
ganze Bürgerschaft bewaffnet werden konnte. 1578 veranstaltete die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0355] Die Feuerwaffen im 16. Jahrhundert. gezählt.“ Daſs aber diese Geschütze zum weit gröſsten Teile aus Eisen gegossen waren, geht aus andern Nachrichten hervor. Die Artillerie unter König Johann (1574 bis 1592) zählte bereits 3459 Geschütze, darunter 2027 aus Guſseisen 1). Aus allen diesen Angaben erkennt man deutlich, welchen Um- fang die Fabrikation guſseiserner Geschütze im Laufe des 16. Jahr- hunderts erlangt hatte. Deutschland war auch hierin voraus- gegangen. Zur Förderung des Artilleriewesens trugen auſser den Fort- schritten des Eisenhüttenwesens noch wesentlich die Artillerie- schulen, die Zeughäuser und die damit verbundenen Gieſs- häuser bei. Die älteste Artillerieschule hatte Venedig. Alte Gieſs- schulen gab es in Amberg und München. Kaiser Max stiftete da- nach eine in Innsbruck. Karl V. gründete eine Artillerieschule zu Burgos in Spanien und eine andere in Sizilien. Ebenso legte der- selbe Kaiser Stückgieſsereien in vielen Städten seines ausgedehnten Reiches an, so zu Burgos, St. Sebastian, Malaga und Barcelona in Spanien, in Mecheln und Utrecht in den Niederlanden und zu Crema, Mailand, Neapel und Messina in Italien. In Deutschland lag dafür kein Bedürfnis vor, denn dort bestanden solche in den meisten groſsen Städten. Nürnberg und Augsburg trieben sogar ausgedehnten Handel mit Geschützen. 1502 lieſs der Rat von Augs- burg ein neues schönes Gieſshaus und ein Zeughaus, „welches gemeinig- lich der Kazenstadel genannt wurde“, an dem Judenkirchhofe er- bauen 2) und gleich damals goſs der Stückgieſser Niclas Oberacker aus Konstanz 35 metallene Stücke und einen Mörser, welche alle in das Zeughaus gestellt wurden. Der Augsburger Stückgieſser Georg Löffler war so berühmt, daſs Karl V. öfter Stücke bei ihm gieſsen lieſs und ihn später ganz in seinen Dienst nahm. Das Gieſs- haus brannte wiederholt und zwar in den Jahren 1556 und 1601. Damals war Wolfgang Neidthardt, der Stadt Stück-, Glocken- und Figurengieſser, berühmt. Er stammte aus Ulm, wo schon sein Vater Stück- und Glockengieſser gewesen war. — Das Zeughaus zu Augsburg, hinter St. Moritz gelegen, war so reich mit Geschützen und Gewehren ausgerüstet, daſs damit die Wälle besetzt und die ganze Bürgerschaft bewaffnet werden konnte. 1578 veranstaltete die 1) Siehe Weiſs, Kostümkunde, Bd. VI, S. 929. 2) Siehe von Stetten, Geschichte von Augsburg, S. 235.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/355
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/355>, abgerufen am 26.04.2024.