Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.kleine Mädchen ist ein Engelskind! Es hat Kräfte, Artigkeit und Verstand weit über sein Alter hinaus. Es ist ein Glück, daß sie fort sind, lieb ist mir auch, daß der junge Herr Graf und Herr van der Valck weg sind, denn als Hauptleute waren beide nur ein fünftes Rad am Wagen, und es herrscht bei mir fortwährend eine gräuliche Verwirrung und wird von Tage zu Tage schlimmer. Ich sitze, wie ein züngelnder Wappenlöwe, als Thorwächter in einer Trophäe zwischen eitel Pauken, Spießen, Trompeten, Standarten und Hellebarten." 5. Die Emigranten.
Die fernere Mittheilung aus Windt's Brief wurde durch Weisbrod's Wiedereintritt unterbrochen, welcher abermals mehrere Briefe und Karten brachte. Die Mehrzahl dieser Billets war französisch geschrieben; Baron von Binder bezeugte seinen Respect und bedauerte, mit seiner Frau absagen zu müssen. Frau Gräfin von Schimmelmann schrieb: "Empfangen Sie unsere Entschuldigung, daß wir nicht die uns zugedachte Ehre genießen können, an Ihrem Zirkel Theil zu nehmen. Meine Schwiegertochter leidet an den Folgen einer heftigen Erkältung und dies hält uns zu unserem großen Bedauern ab, in die Stadt zu fahren; ich ersehne aber mit Ungeduld den Augenblick, Ihrer Excellenz die Gefühle meiner größten Ergebenheit zu wiederholen, mit welchen ich -- und so weiter. Und hier noch -- ein versiegeltes Billet -- ah, von unserem ehrwürdigen alten Legationsrath und markgräflich badenschen Hofrath, was schreibt doch der? "Gnädigste Frau Gräfin Excellenz! Ihre Güte entschuldigt wohl mich alten Mann, wenn ich mit gehorsamem Danke auf Hochdero gnädige Einladung verzichte. Ich tauge nicht mehr in die Kreise der heutigen Welt. Der Kreis, in welchem Sie so gnädig sind, mich dulden zu wollen, besteht, wie ich höre, aus Personen, deren Unglück mir gewiß heilig ist, ohne daß ich aber die Vergötterung billigen kann, welche die Deutschen ihnen, den Ausländern, kleine Mädchen ist ein Engelskind! Es hat Kräfte, Artigkeit und Verstand weit über sein Alter hinaus. Es ist ein Glück, daß sie fort sind, lieb ist mir auch, daß der junge Herr Graf und Herr van der Valck weg sind, denn als Hauptleute waren beide nur ein fünftes Rad am Wagen, und es herrscht bei mir fortwährend eine gräuliche Verwirrung und wird von Tage zu Tage schlimmer. Ich sitze, wie ein züngelnder Wappenlöwe, als Thorwächter in einer Trophäe zwischen eitel Pauken, Spießen, Trompeten, Standarten und Hellebarten.“ 5. Die Emigranten.
Die fernere Mittheilung aus Windt’s Brief wurde durch Weisbrod’s Wiedereintritt unterbrochen, welcher abermals mehrere Briefe und Karten brachte. Die Mehrzahl dieser Billets war französisch geschrieben; Baron von Binder bezeugte seinen Respect und bedauerte, mit seiner Frau absagen zu müssen. Frau Gräfin von Schimmelmann schrieb: „Empfangen Sie unsere Entschuldigung, daß wir nicht die uns zugedachte Ehre genießen können, an Ihrem Zirkel Theil zu nehmen. Meine Schwiegertochter leidet an den Folgen einer heftigen Erkältung und dies hält uns zu unserem großen Bedauern ab, in die Stadt zu fahren; ich ersehne aber mit Ungeduld den Augenblick, Ihrer Excellenz die Gefühle meiner größten Ergebenheit zu wiederholen, mit welchen ich — und so weiter. Und hier noch — ein versiegeltes Billet — ah, von unserem ehrwürdigen alten Legationsrath und markgräflich badenschen Hofrath, was schreibt doch der? »Gnädigste Frau Gräfin Excellenz! Ihre Güte entschuldigt wohl mich alten Mann, wenn ich mit gehorsamem Danke auf Hochdero gnädige Einladung verzichte. Ich tauge nicht mehr in die Kreise der heutigen Welt. Der Kreis, in welchem Sie so gnädig sind, mich dulden zu wollen, besteht, wie ich höre, aus Personen, deren Unglück mir gewiß heilig ist, ohne daß ich aber die Vergötterung billigen kann, welche die Deutschen ihnen, den Ausländern, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0231" n="227"/> kleine Mädchen ist ein Engelskind! Es hat Kräfte, Artigkeit und Verstand weit über sein Alter hinaus. Es ist ein Glück, daß sie fort sind, lieb ist mir auch, daß der junge Herr Graf und Herr van der Valck weg sind, denn als Hauptleute waren beide nur ein fünftes Rad am Wagen, und es herrscht bei mir fortwährend eine gräuliche Verwirrung und wird von Tage zu Tage schlimmer. Ich sitze, wie ein züngelnder Wappenlöwe, als Thorwächter in einer Trophäe zwischen eitel Pauken, Spießen, Trompeten, Standarten und Hellebarten.“ </p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head>5. Die Emigranten.<lb/></head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die fernere Mittheilung aus Windt’s Brief wurde durch Weisbrod’s Wiedereintritt unterbrochen, welcher abermals mehrere Briefe und Karten brachte. Die Mehrzahl dieser Billets war französisch geschrieben; Baron von Binder bezeugte seinen Respect und bedauerte, mit seiner Frau absagen zu müssen. Frau Gräfin von Schimmelmann schrieb: „Empfangen Sie unsere Entschuldigung, daß wir nicht die uns zugedachte Ehre genießen können, an Ihrem Zirkel Theil zu nehmen. Meine Schwiegertochter leidet an den Folgen einer heftigen Erkältung und dies hält uns zu unserem großen Bedauern ab, in die Stadt zu fahren; ich ersehne aber mit Ungeduld den Augenblick, Ihrer Excellenz die Gefühle meiner größten Ergebenheit zu wiederholen, mit welchen ich — und so weiter.</p> <p>Und hier noch — ein versiegeltes Billet — ah, von unserem ehrwürdigen alten Legationsrath und markgräflich badenschen Hofrath, was schreibt doch der? »Gnädigste Frau Gräfin Excellenz! Ihre Güte entschuldigt wohl mich alten Mann, wenn ich mit gehorsamem Danke auf Hochdero gnädige Einladung verzichte. Ich tauge nicht mehr in die Kreise der heutigen Welt. Der Kreis, in welchem Sie so gnädig sind, mich dulden zu wollen, besteht, wie ich höre, aus Personen, deren Unglück mir gewiß heilig ist, ohne daß ich aber die Vergötterung billigen kann, welche die Deutschen ihnen, den Ausländern, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [227/0231]
kleine Mädchen ist ein Engelskind! Es hat Kräfte, Artigkeit und Verstand weit über sein Alter hinaus. Es ist ein Glück, daß sie fort sind, lieb ist mir auch, daß der junge Herr Graf und Herr van der Valck weg sind, denn als Hauptleute waren beide nur ein fünftes Rad am Wagen, und es herrscht bei mir fortwährend eine gräuliche Verwirrung und wird von Tage zu Tage schlimmer. Ich sitze, wie ein züngelnder Wappenlöwe, als Thorwächter in einer Trophäe zwischen eitel Pauken, Spießen, Trompeten, Standarten und Hellebarten.“
5. Die Emigranten.
Die fernere Mittheilung aus Windt’s Brief wurde durch Weisbrod’s Wiedereintritt unterbrochen, welcher abermals mehrere Briefe und Karten brachte. Die Mehrzahl dieser Billets war französisch geschrieben; Baron von Binder bezeugte seinen Respect und bedauerte, mit seiner Frau absagen zu müssen. Frau Gräfin von Schimmelmann schrieb: „Empfangen Sie unsere Entschuldigung, daß wir nicht die uns zugedachte Ehre genießen können, an Ihrem Zirkel Theil zu nehmen. Meine Schwiegertochter leidet an den Folgen einer heftigen Erkältung und dies hält uns zu unserem großen Bedauern ab, in die Stadt zu fahren; ich ersehne aber mit Ungeduld den Augenblick, Ihrer Excellenz die Gefühle meiner größten Ergebenheit zu wiederholen, mit welchen ich — und so weiter.
Und hier noch — ein versiegeltes Billet — ah, von unserem ehrwürdigen alten Legationsrath und markgräflich badenschen Hofrath, was schreibt doch der? »Gnädigste Frau Gräfin Excellenz! Ihre Güte entschuldigt wohl mich alten Mann, wenn ich mit gehorsamem Danke auf Hochdero gnädige Einladung verzichte. Ich tauge nicht mehr in die Kreise der heutigen Welt. Der Kreis, in welchem Sie so gnädig sind, mich dulden zu wollen, besteht, wie ich höre, aus Personen, deren Unglück mir gewiß heilig ist, ohne daß ich aber die Vergötterung billigen kann, welche die Deutschen ihnen, den Ausländern,
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/231>, abgerufen am 16.07.2024. |