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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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den Flüchtlingen, angedeihen lassen. Ich müßte mir selbst untreu werden, denn was ich einst sang, ist noch heute das Wort meiner Ueberzeugung:

Dem Fremden, den ihr vorzieht, kam's
Nie ein, den Fremden vorzuziehn;
Er haßt die Empfindung dieser Kriechsucht,
Verachtet euch
Weil ihr ihn vorzieht. --

Diese Worte dürften mir schwerlich vergeben werden, wenn ich mich immer noch zu denselben bekenne. Mit der tiefsten Verehrung!"

Nun, das ist stark! rief Georgine aus. Wer ist dieser kühne Mann?

Es ist Deutschlands größter Dichter -- es ist unser Klopstock, antwortete Ottoline.

So ist es, bestätigte die Reichsgräfin. Wieder ein Typus des ächten deutschen Gelehrten, gerade wie mein Abbe Eckhel in Wien, gerade durch, starrköpfig, liebenswürdig und zu Zeiten sehr -- wahrhaftig.

Die Reichsgräfin nahm nach dieser Unterbrechung Windt's Brief wieder auf und fuhr fort darin zu lesen.

"Die beiden Grafen du Boutier, nach denen Excellenz sich bei mir erkundigen, befinden sich zur Zeit zu Schloß Brunsberg bei Zütphen, unter dem Schutze der Legion Rohan, von wo sie sich nach Hamburg begeben werden; vielleicht sind sie schon dort. Es ist sehr gefährlich, sich mit Emigranten in irgend eine Verbindung einzulassen, und die Carmagnolen sind auf nichts so wüthend und erbittert, als auf sie und wer ihnen Vorschub leistet. Ich sage es Excellenz gerade heraus, ich bin kein Emigrantenfreund. Das Betragen dieser Leute ist die verkörperte Anmaßung und ihre Belohnungen für erwiesene Dienste bestehen nur aus Undank. Ich habe sie im Kastell gehabt und habe nur eine einzige Ausnahme zu rühmen, diese machte ein junger, sehr schöner Prinz von Conde."

"Durch den hannover'schen Feldpostmeister, frühern Secretär bei Graf Walmoden, erhalte ich die Hamburger Zeitung, ich kann aber mittheilen, daß alle die hiesigen Vorfälle darin ganz unwahr und falsch angegeben und des Lesens unwerth sind. Graf Walmodens Gemahlin wollte erst in Arnhem in Brantsens Hause Wochenbett halten, wird sich aber nun nach Osnabrück begeben."

den Flüchtlingen, angedeihen lassen. Ich müßte mir selbst untreu werden, denn was ich einst sang, ist noch heute das Wort meiner Ueberzeugung:

Dem Fremden, den ihr vorzieht, kam’s
Nie ein, den Fremden vorzuziehn;
Er haßt die Empfindung dieser Kriechsucht,
Verachtet euch
Weil ihr ihn vorzieht. —

Diese Worte dürften mir schwerlich vergeben werden, wenn ich mich immer noch zu denselben bekenne. Mit der tiefsten Verehrung!“

Nun, das ist stark! rief Georgine aus. Wer ist dieser kühne Mann?

Es ist Deutschlands größter Dichter — es ist unser Klopstock, antwortete Ottoline.

So ist es, bestätigte die Reichsgräfin. Wieder ein Typus des ächten deutschen Gelehrten, gerade wie mein Abbé Eckhel in Wien, gerade durch, starrköpfig, liebenswürdig und zu Zeiten sehr — wahrhaftig.

Die Reichsgräfin nahm nach dieser Unterbrechung Windt’s Brief wieder auf und fuhr fort darin zu lesen.

„Die beiden Grafen du Boutier, nach denen Excellenz sich bei mir erkundigen, befinden sich zur Zeit zu Schloß Brunsberg bei Zütphen, unter dem Schutze der Legion Rohan, von wo sie sich nach Hamburg begeben werden; vielleicht sind sie schon dort. Es ist sehr gefährlich, sich mit Emigranten in irgend eine Verbindung einzulassen, und die Carmagnolen sind auf nichts so wüthend und erbittert, als auf sie und wer ihnen Vorschub leistet. Ich sage es Excellenz gerade heraus, ich bin kein Emigrantenfreund. Das Betragen dieser Leute ist die verkörperte Anmaßung und ihre Belohnungen für erwiesene Dienste bestehen nur aus Undank. Ich habe sie im Kastell gehabt und habe nur eine einzige Ausnahme zu rühmen, diese machte ein junger, sehr schöner Prinz von Condé.“

„Durch den hannover’schen Feldpostmeister, frühern Secretär bei Graf Walmoden, erhalte ich die Hamburger Zeitung, ich kann aber mittheilen, daß alle die hiesigen Vorfälle darin ganz unwahr und falsch angegeben und des Lesens unwerth sind. Graf Walmodens Gemahlin wollte erst in Arnhem in Brantsens Hause Wochenbett halten, wird sich aber nun nach Osnabrück begeben.“

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[228/0232] den Flüchtlingen, angedeihen lassen. Ich müßte mir selbst untreu werden, denn was ich einst sang, ist noch heute das Wort meiner Ueberzeugung: Dem Fremden, den ihr vorzieht, kam’s Nie ein, den Fremden vorzuziehn; Er haßt die Empfindung dieser Kriechsucht, Verachtet euch Weil ihr ihn vorzieht. — Diese Worte dürften mir schwerlich vergeben werden, wenn ich mich immer noch zu denselben bekenne. Mit der tiefsten Verehrung!“ Nun, das ist stark! rief Georgine aus. Wer ist dieser kühne Mann? Es ist Deutschlands größter Dichter — es ist unser Klopstock, antwortete Ottoline. So ist es, bestätigte die Reichsgräfin. Wieder ein Typus des ächten deutschen Gelehrten, gerade wie mein Abbé Eckhel in Wien, gerade durch, starrköpfig, liebenswürdig und zu Zeiten sehr — wahrhaftig. Die Reichsgräfin nahm nach dieser Unterbrechung Windt’s Brief wieder auf und fuhr fort darin zu lesen. „Die beiden Grafen du Boutier, nach denen Excellenz sich bei mir erkundigen, befinden sich zur Zeit zu Schloß Brunsberg bei Zütphen, unter dem Schutze der Legion Rohan, von wo sie sich nach Hamburg begeben werden; vielleicht sind sie schon dort. Es ist sehr gefährlich, sich mit Emigranten in irgend eine Verbindung einzulassen, und die Carmagnolen sind auf nichts so wüthend und erbittert, als auf sie und wer ihnen Vorschub leistet. Ich sage es Excellenz gerade heraus, ich bin kein Emigrantenfreund. Das Betragen dieser Leute ist die verkörperte Anmaßung und ihre Belohnungen für erwiesene Dienste bestehen nur aus Undank. Ich habe sie im Kastell gehabt und habe nur eine einzige Ausnahme zu rühmen, diese machte ein junger, sehr schöner Prinz von Condé.“ „Durch den hannover’schen Feldpostmeister, frühern Secretär bei Graf Walmoden, erhalte ich die Hamburger Zeitung, ich kann aber mittheilen, daß alle die hiesigen Vorfälle darin ganz unwahr und falsch angegeben und des Lesens unwerth sind. Graf Walmodens Gemahlin wollte erst in Arnhem in Brantsens Hause Wochenbett halten, wird sich aber nun nach Osnabrück begeben.“

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/232>, abgerufen am 28.11.2024.