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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762.

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Von den Schlußcadenzen.
klang sogleich darzu anschlagen könne: so muß man sich bey solchen
Cadenzen, welche mit Ketten von Trillern verziert werden, durch eine
allzu grosse Sorgfalt nicht verführen lassen, und mit dem Dreyklange
gleich zuplatzen, so bald ein etwas langer Triller in der Terz geschla-
gen wird. Dieser Triller ist gemeiniglich ein sicheres Kennzeichen,
daß die Cadenz noch nicht zu Ende ist, und man waget also durch
einen zu frühen Anschlag noch viele Töne zu hören, welche zu
dem Dreyklange nicht passen. Ein verständiger Ausführer der
Hauptstimme wird sich zwar alsdenn auf alle mögliche Art ein-
schränken, und, damit das Gehör nichts widriges empfinde, bald
zum Schlusse eilen: allein diesen Zwang muß ein Accompagnist
nicht veranlassen. Solte jemand aus besonderm Gefallen mit
einem solchen Triller in der Terz der Grundnote seine Cadenz
endigen wollen: so muß er sich gefallen lassen, wenn der Clavierist
mit seinem Dreyklange nicht gleich bey der Hand ist, sondern die-
sen Triller zuvor eine Weile anhöret, bis er gewiß weiß, daß die
Cadenz damit geschlossen werden soll. Einige Ausführer der
Hauptstimme haben einen Wohlgefallen daran, wenn sie den Ac-
compagnisten durch einen langen Triller in der Quinte hintergehen
und vermögen können, daß er mit seiner Auflösung des Sextquar-
tenaccordes dabey einfällt, ob sie schon nachher in ihren Verzie-
rungen, welche sehr oft zu der vorhergegangenen Auflösung nicht
harmoniren, fortfahren: allein der Accompagnist kann bey dieser
Heldenthat ganz geruhig und vor allen rechtmäßigen Vorwürfen
sicher seyn. Er gönnet seinem Führer dieses Vergnügen, und über-
lässet ihm zugleich die Ehre der guten Ausnahme.

§. 9.

Bey folgenden Exempeln, welche zuweilen vorkom-
men, wird zur ersten Note der Dreyklang genommen, womit man,
wenn die Zeitmaasse hurtig ist, bis zur letzten Note liegen bleibet,
und alsdenn erst anhält. Die mittlern Noten lässet man, ohn-

geacht

Von den Schlußcadenzen.
klang ſogleich darzu anſchlagen könne: ſo muß man ſich bey ſolchen
Cadenzen, welche mit Ketten von Trillern verziert werden, durch eine
allzu groſſe Sorgfalt nicht verführen laſſen, und mit dem Dreyklange
gleich zuplatzen, ſo bald ein etwas langer Triller in der Terz geſchla-
gen wird. Dieſer Triller iſt gemeiniglich ein ſicheres Kennzeichen,
daß die Cadenz noch nicht zu Ende iſt, und man waget alſo durch
einen zu frühen Anſchlag noch viele Töne zu hören, welche zu
dem Dreyklange nicht paſſen. Ein verſtändiger Ausführer der
Hauptſtimme wird ſich zwar alsdenn auf alle mögliche Art ein-
ſchränken, und, damit das Gehör nichts widriges empfinde, bald
zum Schluſſe eilen: allein dieſen Zwang muß ein Accompagniſt
nicht veranlaſſen. Solte jemand aus beſonderm Gefallen mit
einem ſolchen Triller in der Terz der Grundnote ſeine Cadenz
endigen wollen: ſo muß er ſich gefallen laſſen, wenn der Clavieriſt
mit ſeinem Dreyklange nicht gleich bey der Hand iſt, ſondern die-
ſen Triller zuvor eine Weile anhöret, bis er gewiß weiß, daß die
Cadenz damit geſchloſſen werden ſoll. Einige Ausführer der
Hauptſtimme haben einen Wohlgefallen daran, wenn ſie den Ac-
compagniſten durch einen langen Triller in der Quinte hintergehen
und vermögen können, daß er mit ſeiner Auflöſung des Sextquar-
tenaccordes dabey einfällt, ob ſie ſchon nachher in ihren Verzie-
rungen, welche ſehr oft zu der vorhergegangenen Auflöſung nicht
harmoniren, fortfahren: allein der Accompagniſt kann bey dieſer
Heldenthat ganz geruhig und vor allen rechtmäßigen Vorwürfen
ſicher ſeyn. Er gönnet ſeinem Führer dieſes Vergnügen, und über-
läſſet ihm zugleich die Ehre der guten Ausnahme.

§. 9.

Bey folgenden Exempeln, welche zuweilen vorkom-
men, wird zur erſten Note der Dreyklang genommen, womit man,
wenn die Zeitmaaſſe hurtig iſt, bis zur letzten Note liegen bleibet,
und alsdenn erſt anhält. Die mittlern Noten läſſet man, ohn-

geacht
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[263/0273] Von den Schlußcadenzen. klang ſogleich darzu anſchlagen könne: ſo muß man ſich bey ſolchen Cadenzen, welche mit Ketten von Trillern verziert werden, durch eine allzu groſſe Sorgfalt nicht verführen laſſen, und mit dem Dreyklange gleich zuplatzen, ſo bald ein etwas langer Triller in der Terz geſchla- gen wird. Dieſer Triller iſt gemeiniglich ein ſicheres Kennzeichen, daß die Cadenz noch nicht zu Ende iſt, und man waget alſo durch einen zu frühen Anſchlag noch viele Töne zu hören, welche zu dem Dreyklange nicht paſſen. Ein verſtändiger Ausführer der Hauptſtimme wird ſich zwar alsdenn auf alle mögliche Art ein- ſchränken, und, damit das Gehör nichts widriges empfinde, bald zum Schluſſe eilen: allein dieſen Zwang muß ein Accompagniſt nicht veranlaſſen. Solte jemand aus beſonderm Gefallen mit einem ſolchen Triller in der Terz der Grundnote ſeine Cadenz endigen wollen: ſo muß er ſich gefallen laſſen, wenn der Clavieriſt mit ſeinem Dreyklange nicht gleich bey der Hand iſt, ſondern die- ſen Triller zuvor eine Weile anhöret, bis er gewiß weiß, daß die Cadenz damit geſchloſſen werden ſoll. Einige Ausführer der Hauptſtimme haben einen Wohlgefallen daran, wenn ſie den Ac- compagniſten durch einen langen Triller in der Quinte hintergehen und vermögen können, daß er mit ſeiner Auflöſung des Sextquar- tenaccordes dabey einfällt, ob ſie ſchon nachher in ihren Verzie- rungen, welche ſehr oft zu der vorhergegangenen Auflöſung nicht harmoniren, fortfahren: allein der Accompagniſt kann bey dieſer Heldenthat ganz geruhig und vor allen rechtmäßigen Vorwürfen ſicher ſeyn. Er gönnet ſeinem Führer dieſes Vergnügen, und über- läſſet ihm zugleich die Ehre der guten Ausnahme. §. 9. Bey folgenden Exempeln, welche zuweilen vorkom- men, wird zur erſten Note der Dreyklang genommen, womit man, wenn die Zeitmaaſſe hurtig iſt, bis zur letzten Note liegen bleibet, und alsdenn erſt anhält. Die mittlern Noten läſſet man, ohn- geacht

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Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/273>, abgerufen am 21.11.2024.