Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753.Von den Manieren überhaupt. Schmeichelhaften der Welschen Sing-Art zu vereinigen weiß. DieDeutschen sind hierzu besonders aufgelegt, so lange als sie von Vorurtheilen befreyet bleiben. §. 26. Jndessen kan es wohl seyn, daß einige mit dieser §. 27. Da also die Manieren nebst der Art sie zu gebrau- nie- G 3
Von den Manieren uͤberhaupt. Schmeichelhaften der Welſchen Sing-Art zu vereinigen weiß. DieDeutſchen ſind hierzu beſonders aufgelegt, ſo lange als ſie von Vorurtheilen befreyet bleiben. §. 26. Jndeſſen kan es wohl ſeyn, daß einige mit dieſer §. 27. Da alſo die Manieren nebſt der Art ſie zu gebrau- nie- G 3
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Von den Manieren uͤberhaupt.
Schmeichelhaften der Welſchen Sing-Art zu vereinigen weiß. Die
Deutſchen ſind hierzu beſonders aufgelegt, ſo lange als ſie von
Vorurtheilen befreyet bleiben.
§. 26. Jndeſſen kan es wohl ſeyn, daß einige mit dieſer
meiner Wahl von Manieren nicht gaͤntzlich zufrieden ſeyn wer-
den, weil ſie vielleicht nur einem Geſchmacke geſchworen haben;
ich glaube aber, daß niemand mit Grunde in der Muſick etwas
beurtheilen kan, als wer nicht allerley gehoͤrt hat und das beſte
aus jeder Art zu finden weiß. Jch glaube auch, nach dem Aus-
ſpruch eines gewiſſen groſſen Mannes, daß zwar ein Geſchmack
mehr gutes als der andere habe, daß dem ohngeacht in jedem
etwas beſonders gutes ſtecke und keiner noch nicht ſo vollkom-
men ſey, daß er nicht noch Zuſaͤtze leide. Durch dieſe Zuſaͤtze
und Raffinement ſind wir ſo weit gekommen, als wir ſind und
werden auch noch immer weiter kommen. Dieſes kan aber un-
moͤglich geſchehen, wenn man nur eine Art von Geſchmacke bear-
beitet und gleichſam anbetet; Man muß ſich gegentheils alles gute
zu nutze machen, man mag es finden wo man will.
§. 27. Da alſo die Manieren nebſt der Art ſie zu gebrau-
chen ein anſehnliches zum feinen Geſchmacke beytragen; ſo muß
man weder zu veraͤnderlich ſeyn, und den Augenblick jede neue
Manier, es mag ſie vorbringen wer nur will, ohne weitere Un-
terſuchung annehmen, noch auch ſo viel Vorurtheil fuͤr ſich und
ſeinen Geſchmack beſitzen, aus Eigenſinn gar nichts fremdes an-
nehmen zu wollen. Freylich gehoͤret allezeit eine ſcharfe Pruͤfung
vorher, ehe man ſich etwas fremdes zueignet, und es iſt moͤg-
lich, daß mit der Zeit durch eingefuͤhrte unnatuͤrliche Neuerun-
gen der gute Geſchmack eben ſo rar werden kan, als die Wiſſen-
ſchaft. Jndeſſen muß man doch, ob ſchon nicht der erſte, den-
noch auch nicht der letzte in der Nachfolge gewiſſer neuer Ma-
nie-
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