Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite

Das zweyte Hauptstück, erste Abtheilung.
nieren seyn, um nicht aus der Mode zu kommen. Man kehre sich
nicht daran, wenn sie anfangs nicht allezeit schmecken wollen.
Das neue, so einnehmend es zuweilen ist, so widerwärtig pflegt
es uns manchmahl zu seyn. Dieser letztere Umstand ist oft ein
Beweis von der Güte einer Sache, welche sich in der Folge
länger erhält, als andre, die im Anfange allzusehr gefallen.
Gemeiniglich werden diese letzteren so strapaziert, daß sie bald
zum Eckel werden.

§. 28.

Da die meisten Exempel über die Manieren in
der rechten Hand vorkommen, so verbiete ich diese Schönheiten der
lincken gantz und gar nicht; ich rathe vielmehr jedem an, alle
Manieren mit beyden Händen für sich zu üben, weil sie eine
Fertigkeit und Leichtigkeit, andre Noten herauszubringen, ver-
schaffen. Wir werden aus der Folge sehen, daß gewisse Manie-
ren auch öfters bey dem Basse vorkommen. Ausser dem aber
ist man verbunden, alle Nachahmungen bis auf die geringste Klei-
nigkeiten nachzumachen. Damit also die lincke Hand dieses
mit einer Geschicklichkeit verrichten könne, so ist nöthig, daß sie
hierinnen geübt werde, indem es widrigenfalls besser seyn würde,
die Manieren, welche ihre Anmuth verliehren, so bald man sie
schlecht vorträgt, wegzulassen.

§. 29.

Man wird aus dem folgenden sehen, daß die dem
zweyten Theil meiner Sonaten beygefügte Erklärung einiger Ma-
nieren, welche der Verleger unter meinem Namen, ob schon wi-
der meinen Willen und Wissen anzuhängen sich nicht entblödet
hat, [f]alsch ist. Jch bin hieran so unschuldig, als an der Her-
ausgabe der im Lotterschen Catalogus aller musicalischen
Bücher
von diesem Jahre auf der achten Seite unter meinem
Vor- und Zunahmen und folgendem mercklichen Titel befindlichen
VI Sonates nouveaux per Cembalo, 1751. Jch habe diese So-

naten

Das zweyte Hauptſtuͤck, erſte Abtheilung.
nieren ſeyn, um nicht aus der Mode zu kommen. Man kehre ſich
nicht daran, wenn ſie anfangs nicht allezeit ſchmecken wollen.
Das neue, ſo einnehmend es zuweilen iſt, ſo widerwaͤrtig pflegt
es uns manchmahl zu ſeyn. Dieſer letztere Umſtand iſt oft ein
Beweis von der Guͤte einer Sache, welche ſich in der Folge
laͤnger erhaͤlt, als andre, die im Anfange allzuſehr gefallen.
Gemeiniglich werden dieſe letzteren ſo ſtrapaziert, daß ſie bald
zum Eckel werden.

§. 28.

Da die meiſten Exempel uͤber die Manieren in
der rechten Hand vorkommen, ſo verbiete ich dieſe Schoͤnheiten der
lincken gantz und gar nicht; ich rathe vielmehr jedem an, alle
Manieren mit beyden Haͤnden fuͤr ſich zu uͤben, weil ſie eine
Fertigkeit und Leichtigkeit, andre Noten herauszubringen, ver-
ſchaffen. Wir werden aus der Folge ſehen, daß gewiſſe Manie-
ren auch oͤfters bey dem Baſſe vorkommen. Auſſer dem aber
iſt man verbunden, alle Nachahmungen bis auf die geringſte Klei-
nigkeiten nachzumachen. Damit alſo die lincke Hand dieſes
mit einer Geſchicklichkeit verrichten koͤnne, ſo iſt noͤthig, daß ſie
hierinnen geuͤbt werde, indem es widrigenfalls beſſer ſeyn wuͤrde,
die Manieren, welche ihre Anmuth verliehren, ſo bald man ſie
ſchlecht vortraͤgt, wegzulaſſen.

§. 29.

Man wird aus dem folgenden ſehen, daß die dem
zweyten Theil meiner Sonaten beygefuͤgte Erklaͤrung einiger Ma-
nieren, welche der Verleger unter meinem Namen, ob ſchon wi-
der meinen Willen und Wiſſen anzuhaͤngen ſich nicht entbloͤdet
hat, [f]alſch iſt. Jch bin hieran ſo unſchuldig, als an der Her-
ausgabe der im Lotterſchen Catalogus aller muſicaliſchen
Buͤcher
von dieſem Jahre auf der achten Seite unter meinem
Vor- und Zunahmen und folgendem mercklichen Titel befindlichen
VI Sonates nouveaux per Cembalo, 1751. Jch habe dieſe So-

naten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0062" n="54"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das zweyte Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck, er&#x017F;te Abtheilung.</hi></fw><lb/>
nieren &#x017F;eyn, um nicht aus der Mode zu kommen. Man kehre &#x017F;ich<lb/>
nicht daran, wenn &#x017F;ie anfangs nicht allezeit &#x017F;chmecken wollen.<lb/>
Das neue, &#x017F;o einnehmend es zuweilen i&#x017F;t, &#x017F;o widerwa&#x0364;rtig pflegt<lb/>
es uns manchmahl zu &#x017F;eyn. Die&#x017F;er letztere Um&#x017F;tand i&#x017F;t oft ein<lb/>
Beweis von der Gu&#x0364;te einer Sache, welche &#x017F;ich in der Folge<lb/>
la&#x0364;nger erha&#x0364;lt, als andre, die im Anfange allzu&#x017F;ehr gefallen.<lb/>
Gemeiniglich werden die&#x017F;e letzteren &#x017F;o &#x017F;trapaziert, daß &#x017F;ie bald<lb/>
zum Eckel werden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 28.</head>
            <p>Da die mei&#x017F;ten Exempel u&#x0364;ber die Manieren in<lb/>
der rechten Hand vorkommen, &#x017F;o verbiete ich die&#x017F;e Scho&#x0364;nheiten der<lb/>
lincken gantz und gar nicht; ich rathe vielmehr jedem an, alle<lb/>
Manieren mit beyden Ha&#x0364;nden fu&#x0364;r &#x017F;ich zu u&#x0364;ben, weil &#x017F;ie eine<lb/>
Fertigkeit und Leichtigkeit, andre Noten herauszubringen, ver-<lb/>
&#x017F;chaffen. Wir werden aus der Folge &#x017F;ehen, daß gewi&#x017F;&#x017F;e Manie-<lb/>
ren auch o&#x0364;fters bey dem Ba&#x017F;&#x017F;e vorkommen. Au&#x017F;&#x017F;er dem aber<lb/>
i&#x017F;t man verbunden, alle Nachahmungen bis auf die gering&#x017F;te Klei-<lb/>
nigkeiten nachzumachen. Damit al&#x017F;o die lincke Hand die&#x017F;es<lb/>
mit einer Ge&#x017F;chicklichkeit verrichten ko&#x0364;nne, &#x017F;o i&#x017F;t no&#x0364;thig, daß &#x017F;ie<lb/>
hierinnen geu&#x0364;bt werde, indem es widrigenfalls be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;eyn wu&#x0364;rde,<lb/>
die Manieren, welche ihre Anmuth verliehren, &#x017F;o bald man &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chlecht vortra&#x0364;gt, wegzula&#x017F;&#x017F;en.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 29.</head>
            <p>Man wird aus dem folgenden &#x017F;ehen, daß die dem<lb/>
zweyten Theil meiner Sonaten beygefu&#x0364;gte Erkla&#x0364;rung einiger Ma-<lb/>
nieren, welche der Verleger unter meinem Namen, ob &#x017F;chon wi-<lb/>
der meinen Willen und Wi&#x017F;&#x017F;en anzuha&#x0364;ngen &#x017F;ich nicht entblo&#x0364;det<lb/>
hat, <supplied>f</supplied>al&#x017F;ch i&#x017F;t. Jch bin hieran &#x017F;o un&#x017F;chuldig, als an der Her-<lb/>
ausgabe der im <hi rendition="#fr">Lotter&#x017F;chen Catalogus aller mu&#x017F;icali&#x017F;chen<lb/>
Bu&#x0364;cher</hi> von die&#x017F;em Jahre auf der achten Seite unter meinem<lb/>
Vor- und Zunahmen und folgendem mercklichen Titel befindlichen<lb/><hi rendition="#aq">VI Sonates nouveaux per Cembalo,</hi> 1751. Jch habe die&#x017F;e So-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">naten</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0062] Das zweyte Hauptſtuͤck, erſte Abtheilung. nieren ſeyn, um nicht aus der Mode zu kommen. Man kehre ſich nicht daran, wenn ſie anfangs nicht allezeit ſchmecken wollen. Das neue, ſo einnehmend es zuweilen iſt, ſo widerwaͤrtig pflegt es uns manchmahl zu ſeyn. Dieſer letztere Umſtand iſt oft ein Beweis von der Guͤte einer Sache, welche ſich in der Folge laͤnger erhaͤlt, als andre, die im Anfange allzuſehr gefallen. Gemeiniglich werden dieſe letzteren ſo ſtrapaziert, daß ſie bald zum Eckel werden. §. 28. Da die meiſten Exempel uͤber die Manieren in der rechten Hand vorkommen, ſo verbiete ich dieſe Schoͤnheiten der lincken gantz und gar nicht; ich rathe vielmehr jedem an, alle Manieren mit beyden Haͤnden fuͤr ſich zu uͤben, weil ſie eine Fertigkeit und Leichtigkeit, andre Noten herauszubringen, ver- ſchaffen. Wir werden aus der Folge ſehen, daß gewiſſe Manie- ren auch oͤfters bey dem Baſſe vorkommen. Auſſer dem aber iſt man verbunden, alle Nachahmungen bis auf die geringſte Klei- nigkeiten nachzumachen. Damit alſo die lincke Hand dieſes mit einer Geſchicklichkeit verrichten koͤnne, ſo iſt noͤthig, daß ſie hierinnen geuͤbt werde, indem es widrigenfalls beſſer ſeyn wuͤrde, die Manieren, welche ihre Anmuth verliehren, ſo bald man ſie ſchlecht vortraͤgt, wegzulaſſen. §. 29. Man wird aus dem folgenden ſehen, daß die dem zweyten Theil meiner Sonaten beygefuͤgte Erklaͤrung einiger Ma- nieren, welche der Verleger unter meinem Namen, ob ſchon wi- der meinen Willen und Wiſſen anzuhaͤngen ſich nicht entbloͤdet hat, falſch iſt. Jch bin hieran ſo unſchuldig, als an der Her- ausgabe der im Lotterſchen Catalogus aller muſicaliſchen Buͤcher von dieſem Jahre auf der achten Seite unter meinem Vor- und Zunahmen und folgendem mercklichen Titel befindlichen VI Sonates nouveaux per Cembalo, 1751. Jch habe dieſe So- naten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Erstauflage dieses Teils erschien als selbstä… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch01_1759/62
Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch01_1759/62>, abgerufen am 24.11.2024.