Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

Frau nicht in die Reihen zu treten, über der verführerischen Melodie vergessen. Gräfinn Sidonie stand graziös in stummer Erwartung; denn es handelte sich um die Frage, mit welcher Dame wohl der Prinz den Reigen eröffnen werde. Obgleich sie die erklärte Geliebte des Großfürsten war, hatte sie doch alle ihre Koketterieen angewandt, während der Saison die Aufmerksamkeit des Prinzen auf sich zu ziehen, dessen Empfänglichkeit für weibliche Schönheit keineswegs zu den Mysterien Carlsbads gehörte. Bis jetzt hatte er allen ihren Lockungen ein kalt höfliches Benehmen entgegengesetzt, und ihren Hochmuth dadurch bitter gekränkt. Gerade deßhalb war sie bereit, zu dieser Eroberung alle ihre Kräfte aufzubieten, und hoffte viel von dem heutigen Abend, weil sie die Königinn dieses Festes war, welcher der Prinz, nach allen Regeln der Etikette, sich nähern mußte. Schon eine geraume Zeit hindurch ertönte die Musik, und noch immer stand der Prinz, vornehm nachlässig, in der Salonthüre, den reich und bunt geschmückten Frauenkreis mit gleichgültigem Blick übersehend. Endlich ging er, dem Ceremoniell gemäß, langsam

Frau nicht in die Reihen zu treten, über der verführerischen Melodie vergessen. Gräfinn Sidonie stand graziös in stummer Erwartung; denn es handelte sich um die Frage, mit welcher Dame wohl der Prinz den Reigen eröffnen werde. Obgleich sie die erklärte Geliebte des Großfürsten war, hatte sie doch alle ihre Koketterieen angewandt, während der Saison die Aufmerksamkeit des Prinzen auf sich zu ziehen, dessen Empfänglichkeit für weibliche Schönheit keineswegs zu den Mysterien Carlsbads gehörte. Bis jetzt hatte er allen ihren Lockungen ein kalt höfliches Benehmen entgegengesetzt, und ihren Hochmuth dadurch bitter gekränkt. Gerade deßhalb war sie bereit, zu dieser Eroberung alle ihre Kräfte aufzubieten, und hoffte viel von dem heutigen Abend, weil sie die Königinn dieses Festes war, welcher der Prinz, nach allen Regeln der Etikette, sich nähern mußte. Schon eine geraume Zeit hindurch ertönte die Musik, und noch immer stand der Prinz, vornehm nachlässig, in der Salonthüre, den reich und bunt geschmückten Frauenkreis mit gleichgültigem Blick übersehend. Endlich ging er, dem Ceremoniell gemäß, langsam

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0064" n="52"/>
Frau nicht                     in die Reihen zu treten, über der verführerischen Melodie vergessen. Gräfinn                     Sidonie stand graziös in stummer Erwartung; denn es handelte sich um die Frage,                     mit welcher Dame wohl der Prinz den Reigen eröffnen werde. Obgleich sie die                     erklärte Geliebte des Großfürsten war, hatte sie doch alle ihre Koketterieen                     angewandt, während der Saison die Aufmerksamkeit des Prinzen auf sich zu ziehen,                     dessen Empfänglichkeit für weibliche Schönheit keineswegs zu den Mysterien                     Carlsbads gehörte. Bis jetzt hatte er allen ihren Lockungen ein kalt höfliches                     Benehmen entgegengesetzt, und ihren Hochmuth dadurch bitter gekränkt. Gerade                     deßhalb war sie bereit, zu dieser Eroberung alle ihre Kräfte aufzubieten, und                     hoffte viel von dem heutigen Abend, weil sie die Königinn dieses Festes war,                     welcher der Prinz, nach allen Regeln der Etikette, sich nähern mußte. Schon eine                     geraume Zeit hindurch ertönte die Musik, und noch immer stand der Prinz, vornehm                     nachlässig, in der Salonthüre, den reich und bunt geschmückten Frauenkreis mit                     gleichgültigem Blick übersehend. Endlich ging er, dem Ceremoniell gemäß,                         langsam
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0064] Frau nicht in die Reihen zu treten, über der verführerischen Melodie vergessen. Gräfinn Sidonie stand graziös in stummer Erwartung; denn es handelte sich um die Frage, mit welcher Dame wohl der Prinz den Reigen eröffnen werde. Obgleich sie die erklärte Geliebte des Großfürsten war, hatte sie doch alle ihre Koketterieen angewandt, während der Saison die Aufmerksamkeit des Prinzen auf sich zu ziehen, dessen Empfänglichkeit für weibliche Schönheit keineswegs zu den Mysterien Carlsbads gehörte. Bis jetzt hatte er allen ihren Lockungen ein kalt höfliches Benehmen entgegengesetzt, und ihren Hochmuth dadurch bitter gekränkt. Gerade deßhalb war sie bereit, zu dieser Eroberung alle ihre Kräfte aufzubieten, und hoffte viel von dem heutigen Abend, weil sie die Königinn dieses Festes war, welcher der Prinz, nach allen Regeln der Etikette, sich nähern mußte. Schon eine geraume Zeit hindurch ertönte die Musik, und noch immer stand der Prinz, vornehm nachlässig, in der Salonthüre, den reich und bunt geschmückten Frauenkreis mit gleichgültigem Blick übersehend. Endlich ging er, dem Ceremoniell gemäß, langsam

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie - A Digital Library of Works by German-Speaking Women: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von "Sophie". (2013-03-13T15:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Heinrich Heine Universität Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-13T15:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-13T15:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/64
Zitationshilfe: Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/64>, abgerufen am 27.04.2024.