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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. III. Num. XIV. Hamburgischer Streit mit dem Ministerio.
[Spaltenumbruch] GOTT und erwarte der zeit. Das weiß
man wol/ sagte der Doctor, daß man beten
muß/ aber weil GOTT durch mittel han-
delt/ so muß man auch mittel gebrauchen/
oder es gieng einem wie jenem/ der den kar-
ren in koth schüb/ und ausser dem beten nicht
felbst hand anlegen wolte/ ihn heraus zu
ziehen.

§. 7.

Ach/ sagte hierauff M. Volsch/ daß
ich so vertraulich rede/ Jhr Excellentz/
und daß ichs so gerne anders sehe/ das
kommt her aus einer erbarmenden lie-
be/ da ich so gerne wolte/ daß die Lehrer
sampt den zuhörern selig würden. A-
ber mein hertz thut mir offt wehe (Jhr
Excellentz werden ja nicht zornig/ daß
ichs so klar heraus sage) wann ich viel
Lehrer manchmahl ansehe/ so kommt
mirs vor/ als wann sie schon auff dem
wege der verdammnüß. Ursach: Denn
D. Luther sagt in der Kirchen-Postill:
Wann ein Prediger vor seine person/
wie ein Engel lebte/ und liesse nur eine
Seele in ihrer sünden ungestrafft/ so
müste der Prediger/ der sonst vor
seine persen wol selig werden könte/
umb jenes willen verdammt werden.
Doch was darffs Lutherus worte/
sagt doch der Prophet Ezechiel auff
gleichen schlag. Besiehe das 3. Cap.
v. 17. seqq. Nun kan ich nicht anders
sagen/ so weit ichs verstehe/ es gehen
viele durch vieler Prediger säum-
nüß verlohren/ in dem nicht alles und
jedes zur hand genommen wird/ dar-
durch man noch manche Seele retten
könte. Darauff D. Müller: Ey das
weiß man wol/ daß es einem jedem
Christen schwehr wird/ seiner selbst ei-
genen seligkeit recht wahrzunehmen/
vielmehr einem Prediger/ der für viele
zu wachen und zu sorgen. Jch sage
aber dem Herrn/ daß wir unser ampt
gnugsam verwalten. Und wann/ sa-
ge er mir doch/ solte man zeit haben zur
mehrer Catechisation? Darauff ant-
wortete M. Volsch: Voraus am lieben
Sonntage/ da wäre das eine viel seli-
gere arbeit/ als daß am selbigen tage die
Priester denen leichen folgen/ daran
sich ohne das viel fromme hertzen är-
geren/ daß durch solch leichgehen viel
viel versäumet wird. Darauff Herr
D. Müller: Wann solten dann die
Sonntags-Leichen bestättiget werden.
Volsch antwortet: Am Montage/ da
keine bestättiget werden. O/ sagte Herr
D. Müller/ das ist schon gewest/ ehe ich
anhero kommen/ und auch damahls
schon abzuschaffen versuchet wor-
den.

[Spaltenumbruch]
§. 8.

Zuletzt sagte Volsch: Was hält
doch Jhr Excellentz von der brüderli-
chen bestraffung/ daß die recht möchte
wieder unter den Christen im schwan-
ge gehen? Darauff antwortet D. Mül-
ler/ daß einer den andern Christlich be-
lehret und bedeutet/ ist gar nicht un-
recht/ aber solche leute die wollens zu
weit ziehen/ und gar unsere Inspectores
seyn. Ach nein/ Jhr Excellentz/ sagte
Volsch/ wie wolte man sich das unter-
nehmen/ dahin ist es nicht gemeinet/
das weiß der liebe GOTT. [NB. Die-
ses alles ist so in gemein geredet wor-
den. Was die sonderlichen und indivi-
dual-
erinnerungen des Herr Senioris an-
langen/ sind ebenmässig dieselbe nur in
höchster demuth und behutsamkeit be-
rühret worden/ welche man mercket/
daß sie der Herr Senior gar nicht wol
auffgenommen/ noch ausgedeutet habe.
Es hats aber M. Volsch gar behutsam
und bescheiden vermeinet zu machen/
in dem er folgender gestalt geredet.

§. 9.

Eins/ Jhr E[x]cellentz/ hätte ich
wol Jhrer Excellentz eigener person hal-
ber wolmeinentlich zu erinnern/ wie
es die leute deuten und davon reden:
Was ist dann das? sagte der Herr Se-
nior.
Darauff Volsch: Es sagen die
leute: Der Herr D. Müller hat wol
feine gaben zu predigen/ auch feine ga-
ben zuschreiben/ aber wanner die laster
straffen soll/ so ist kein motus heroicus und
zelus divinus dabey. Welche höffliche
worte Volsch brauchte/ die gar harte
reden/ die er offt hievon gehöret/ zu ver-
sänfftigen. Was? sagte Herr D. Mül-
ler/ solche leute wollen von mir ha-
ben bengeley/ flegeley/ lümmeley/ daß
ich schelten soll/ ich folge meinen mir von
GOTT verliehenen gaben nach. Dar-
auff Volsch: Wollen Jhr E[x]cellentz
hören/ wie ichs habe pflegen zu entschul-
digen? Jch habe pflegen so zu sagen:
Lasset doch diesen mann darinn ungeta-
delt/ thut ers umb ungunst zu ver-
meiden/ daß er nicht eyferiger wie-
der die laster prediget/ so thut er
nicht recht; thut ers aber so nach dem
trieb und lauff seiner gaben/ alles
auffrichtig vor den augen GOTTES/
so kan man ihn deßwegen nicht ta-
deln. Darauff schwieg der Herr Se-

nior
Qq qq 3

Th. IV. Sect. III. Num. XIV. Hamburgiſcher Streit mit dem Miniſterio.
[Spaltenumbruch] GOTT und erwarte der zeit. Das weiß
man wol/ ſagte der Doctor, daß man beten
muß/ aber weil GOTT durch mittel han-
delt/ ſo muß man auch mittel gebrauchen/
oder es gieng einem wie jenem/ der den kar-
ren in koth ſchuͤb/ und auſſer dem beten nicht
felbſt hand anlegen wolte/ ihn heraus zu
ziehen.

§. 7.

Ach/ ſagte hierauff M. Volſch/ daß
ich ſo vertraulich rede/ Jhr Excellentz/
und daß ichs ſo gerne anders ſehe/ das
kommt her aus einer erbarmenden lie-
be/ da ich ſo gerne wolte/ daß die Lehrer
ſampt den zuhoͤrern ſelig wuͤrden. A-
ber mein hertz thut mir offt wehe (Jhr
Excellentz werden ja nicht zornig/ daß
ichs ſo klar heraus ſage) wann ich viel
Lehrer manchmahl anſehe/ ſo kommt
mirs vor/ als wann ſie ſchon auff dem
wege der verdammnuͤß. Urſach: Denn
D. Luther ſagt in der Kirchen-Poſtill:
Wann ein Prediger vor ſeine perſon/
wie ein Engel lebte/ und lieſſe nur eine
Seele in ihrer ſuͤnden ungeſtrafft/ ſo
muͤſte der Prediger/ der ſonſt vor
ſeine perſen wol ſelig werden koͤnte/
umb jenes willen verdammt werden.
Doch was darffs Lutherus worte/
ſagt doch der Prophet Ezechiel auff
gleichen ſchlag. Beſiehe das 3. Cap.
v. 17. ſeqq. Nun kan ich nicht anders
ſagen/ ſo weit ichs verſtehe/ es gehen
viele durch vieler Prediger ſaͤum-
nuͤß verlohren/ in dem nicht alles und
jedes zur hand genommen wird/ dar-
durch man noch manche Seele retten
koͤnte. Darauff D. Muͤller: Ey das
weiß man wol/ daß es einem jedem
Chriſten ſchwehr wird/ ſeiner ſelbſt ei-
genen ſeligkeit recht wahrzunehmen/
vielmehr einem Prediger/ der fuͤr viele
zu wachen und zu ſorgen. Jch ſage
aber dem Herꝛn/ daß wir unſer ampt
gnugſam verwalten. Und wann/ ſa-
ge er mir doch/ ſolte man zeit haben zur
mehrer Catechiſation? Darauff ant-
wortete M. Volſch: Voraus am lieben
Sonntage/ da waͤre das eine viel ſeli-
gere arbeit/ als daß am ſelbigen tage die
Prieſter denen leichen folgen/ daran
ſich ohne das viel fromme hertzen aͤr-
geren/ daß durch ſolch leichgehen viel
viel verſaͤumet wird. Darauff Herꝛ
D. Muͤller: Wann ſolten dann die
Sonntags-Leichen beſtaͤttiget werden.
Volſch antwortet: Am Montage/ da
keine beſtaͤttiget werden. O/ ſagte Herꝛ
D. Muͤller/ das iſt ſchon geweſt/ ehe ich
anhero kommen/ und auch damahls
ſchon abzuſchaffen verſuchet wor-
den.

[Spaltenumbruch]
§. 8.

Zuletzt ſagte Volſch: Was haͤlt
doch Jhr Excellentz von der bruͤderli-
chen beſtraffung/ daß die recht moͤchte
wieder unter den Chriſten im ſchwan-
ge gehen? Darauff antwortet D. Muͤl-
ler/ daß einer den andern Chriſtlich be-
lehret und bedeutet/ iſt gar nicht un-
recht/ aber ſolche leute die wollens zu
weit ziehen/ und gar unſere Inſpectores
ſeyn. Ach nein/ Jhr Excellentz/ ſagte
Volſch/ wie wolte man ſich das unter-
nehmen/ dahin iſt es nicht gemeinet/
das weiß der liebe GOTT. [NB. Die-
ſes alles iſt ſo in gemein geredet wor-
den. Was die ſonderlichen und indivi-
dual-
erinnerungen des Herꝛ Senioris an-
langen/ ſind ebenmaͤſſig dieſelbe nur in
hoͤchſter demuth und behutſamkeit be-
ruͤhret worden/ welche man mercket/
daß ſie der Herꝛ Senior gar nicht wol
auffgenommen/ noch ausgedeutet habe.
Es hats aber M. Volſch gar behutſam
und beſcheiden vermeinet zu machen/
in dem er folgender geſtalt geredet.

§. 9.

Eins/ Jhr E[x]cellentz/ haͤtte ich
wol Jhrer Excellentz eigener perſon hal-
ber wolmeinentlich zu erinnern/ wie
es die leute deuten und davon reden:
Was iſt dann das? ſagte der Herꝛ Se-
nior.
Darauff Volſch: Es ſagen die
leute: Der Herꝛ D. Muͤller hat wol
feine gaben zu predigen/ auch feine ga-
ben zuſchreiben/ aber wanner die laſter
ſtraffen ſoll/ ſo iſt kein motus heroicus und
zelus divinus dabey. Welche hoͤffliche
worte Volſch brauchte/ die gar harte
reden/ die er offt hievon gehoͤret/ zu ver-
ſaͤnfftigen. Was? ſagte Herꝛ D. Muͤl-
ler/ ſolche leute wollen von mir ha-
ben bengeley/ flegeley/ luͤmmeley/ daß
ich ſchelten ſoll/ ich folge meinen mir von
GOTT verliehenen gaben nach. Dar-
auff Volſch: Wollen Jhr E[x]cellentz
hoͤren/ wie ichs habe pflegen zu entſchul-
digen? Jch habe pflegen ſo zu ſagen:
Laſſet doch dieſen mann darinn ungeta-
delt/ thut ers umb ungunſt zu ver-
meiden/ daß er nicht eyferiger wie-
der die laſter prediget/ ſo thut er
nicht recht; thut ers aber ſo nach dem
trieb und lauff ſeiner gaben/ alles
auffrichtig vor den augen GOTTES/
ſo kan man ihn deßwegen nicht ta-
deln. Darauff ſchwieg der Herꝛ Se-

nior
Qq qq 3
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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 677. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/985>, abgerufen am 20.11.2024.