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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. III. Num. IIX. Proceß wider einen/
[Spaltenumbruch] Hierauff bedacht ich ferner/ daß unsere
voreltern gute leute gewesen/ feinde des
aberglaubens und der boßheit/ die ihre

familien zu GOttes ehre und des näch-
sten liebe wol eingerichtet gehabt/ de-
rentod ich auch für selig gehalten/ wor-
inne mir
Franciscus Junius vorging/ ein
mann von solcher billigkeit und
modera-
tion,
daß dahero andere hitzigere Pro-
testant
en ihm feind waren/ und übel nach-
redeten. Nun vernahm ich aber von
alten leuten und aus denhistorien/ daß
hernach leute gekommen/ welche ge-
sagt/ man müste die kirche/ darinne un-
sere vorfahren gewesen/ gantz verlassen.
Welche es denn nicht allein selber ge-
than/ und zwar viele/ ehe sie ausgesto-
sen worden/ sondern auch neue versam-
lungen angestellet/ die sie auch eine kir-
che genennet/ neue Prediger geordnet/
gelehret/
sacramente ausgetheilet/ und
zwar an vielen orthen wider das verbot
der Könige und Bischöffe/ zu dessen ent-
schuldigung sie gesaget/ gleich als hät-
ten sie einerley befehl mit den Aposteln/
man müste Gott mehr gehorchen/ denn
den menschen. Sie hätten auch darau
nicht gnug gehabt/ sondern sie hätten die
Könige als abgöttische und sclaven des
Pabsts durchgezogen/ das volck erreget
die bilder zu stürmen/ kirchen und altare
umzuwerffen/ ja öffentliche rebellionen
und kriege wieder die Potentaten anzu-
fangen. Jch sahe/ daß hiedurch viel
Christen-blut überall vergossen wor-
den/ und hingegen das leben meisten-
theils/ sonderlich wo es gute tage ge-
setzet/ nicht im geringsten besser wor-
den/ ja daß vielmehr durch die langwie-
rigen kriege die leute wild und von frem-
der
nationen lastern angestecket wären.
Als mich nun dieses mit meinem zuneh-
menden alter immermehr jammerte/
fing ich über die ursachen solches grossen
elendes bey mir selbst an nachzuden-
cken/ und auch mit andern zu
conferiren.
Diejenigen/ die sich also getrennet hat-
ten/ sagten zu ihrer
defension/ die Lehre
der Römischen kirche wäre verdorben
durch viel ketzereyen und abgötterey.
Dieses gab mir ursach die Lehren selbi-
ger kirche zu untersuchen/ und die bey-
derseits gewechselten schrifften nachzu-
lesen etc.

18. Und hierauff fährt er fort zuerzehlen/ wie
er so wol die alten als |neuen urkunden gegen ein-
ander gehalten/ und befunden/ daß zwar die
wahrheit durch die Scholasticos und Aristote-
lische Philosophie schrecklich verdunckelt ge-
wesen/ daß aber die so genanten Reformatores
fast unzehlich neue partheyen und Schismata
angerichtet/ auch ihre dinge mehr mit vielem
geschrey als mit gründlichen argumenten getrie-
ben gehabt. Dahero er diejenigen endlich auff-
gesuchet hätte/ welche unter den Partheyen
wiederum frieden machen wollen/ unter wel-
chen ihm von Casaubono der Cassander sonder-
lich wäre recommendiret worden.

Aus diesen und andern bekäntnissen Grotii
ist an sich selbst klar/ daß er die meisten mängel
[Spaltenumbruch] unter denen Protestanten und das Mysterium
iniquitatis
bey der orthodoxen clerisey zeitlich
tieff eingesehen und cordat entdecket gehabt. |Es
hat ihn aber seine spitzige vernunfft durch politi-
sche absichten dahin verleitet/ daß er dem
Pabstthum und sonderlich der Clericalischen
herrschafft mehr beygelegt oder zugegeben/ als
nach dem lauteren sinn des Evangelii gehörig
oder auch heilsamlich seyn möchte/ wie es viele
davor halten. Judessen hat Grotius bey die-
sen freilich grosses lob/ bey der clerisey aber den
bittersten haß und neid verdienet/ wie es die hi-
storien und schrifften beyderseits ausweisen.
Jch füge hier nichts weiter aus Grotii büchern
bey/ weil sie ohne dem in der Gelehrten händen
sind: Nur daß mir noch vergönnet sey/ einige
verse anzuhencken/ welche seine genaue erkäntnis
so wol des ersten wahren Christenthums als des
grausamen abfalls darlegen: Sie lauten aber
also in seiner silva ad Franciscum Augustum
Thuanum:

Istud ad exemplum crebram tibi pagina lasset
Sacra manum: patet illa piis. Sedsaepius annis
A nostris oculos ad saecula prisca retorque,
Cum rudis & simplex nondum se fecerat artem
Relligio: nondum titulum pietatis habebat
Fulmineus Mavors & sceptri dira cupido:
Cum brevis hoc totum, melior quo vita para-
tur
Regula dictabat, non solis nota magistris,
Sed populi commune bonum: neque docta
serebant
Jurgia dissidium, sed certabatur amando:
Omnibus idem ardor verum defendere tantum
Morte sua, nullusque alieni sanguinis usus.
NUM. IIX.
Proceß wider einen/ der die Gottheit
CHristi geläugnet.

Zu der historie derer streitigkeiten über der
Gottheit Christi kan noch aus den letztern
jahren mitgerechnet werden/ was Anno 1687.
in einer berühmten Hansee-stadt L. mit einem
schlosser oder kleinschmied-gesellen/ namens
Peter Günther/ bürtig aus Preussen/ vorge-
gangen. Dieser hatte lange zeit vorher in gros-
sen anfechtungen gestanden/ und insonderheit
über dem punct von der person und Gottheit
Christi sich immer mit allerhand zweiffel ge-
ängstet/ dabey aber doch den wahren GOTT
und Schöpffer aller dinge offte ängstlich an-
geruffen/ er möchte ihm seinen Sohn recht zu
erkennen geben. Er war auch über solchen
scrupeln lange zuvor in so grosse melancholey
gerathen gewesen/ daß ihn die Medici in Kö-
nigsberg als einen hominem corruptae & per-
turbatae mentis curi
ret/ wie solches nach ein-
ander in dem Wittenbergischen Responso ge-
standen wird. Was ferner diesem menschen bey
dieser seiner noth vor ausserordentliche dinge
begegnet gehabt/ wird baldeaus gewissen docu-
men
ten zu sehen seyn. Gleichwie er auch insge-
mein ein gut zeugnis seines frommen und stil-
len lebens halber gehabt/ über welchem ihn sei-
ne andere mitgesellen immerzu angefeindet/ zu-
mahl er auch ihr Gottloses und heuchlerisches
leben bey ihren zusammenkünfften und son-
sten offt ernstlich bestrafft gehabt. Nun ge-

schahe

Th. IV. Sect. III. Num. IIX. Proceß wider einen/
[Spaltenumbruch] Hierauff bedacht ich ferner/ daß unſere
voreltern gute leute geweſen/ feinde des
aberglaubens und der boßheit/ die ihre

familien zu GOttes ehre und des naͤch-
ſten liebe wol eingerichtet gehabt/ de-
rentod ich auch fuͤr ſelig gehalten/ wor-
inne mir
Franciſcus Junius vorging/ ein
mann von ſolcher billigkeit und
modera-
tion,
daß dahero andere hitzigere Pro-
teſtant
en ihm feind waꝛen/ und uͤbel nach-
redeten. Nun vernahm ich aber von
alten leuten und aus denhiſtorien/ daß
hernach leute gekommen/ welche ge-
ſagt/ man muͤſte die kirche/ darinne un-
ſere vorfahren geweſen/ gantz verlaſſen.
Welche es denn nicht allein ſelber ge-
than/ und zwar viele/ ehe ſie ausgeſto-
ſen worden/ ſondern auch neue verſam-
lungen angeſtellet/ die ſie auch eine kir-
che genennet/ neue Prediger geordnet/
gelehret/
ſacramente ausgetheilet/ und
zwar an vielen orthen wider das verbot
der Koͤnige und Biſchoͤffe/ zu deſſen ent-
ſchuldigung ſie geſaget/ gleich als haͤt-
ten ſie einerley befehl mit den Apoſteln/
man muͤſte Gott mehr gehorchen/ denn
den menſchen. Sie haͤtten auch darau
nicht gnug gehabt/ ſondern ſie haͤttẽ die
Koͤnige als abgoͤttiſche und ſclaven des
Pabſts durchgezogen/ das volck erreget
die bilder zu ſtuͤrmen/ kirchen und altare
umzuwerffen/ ja oͤffentliche rebellionen
und kriege wieder die Potentaten anzu-
fangen. Jch ſahe/ daß hiedurch viel
Chriſten-blut uͤberall vergoſſen wor-
den/ und hingegen das leben meiſten-
theils/ ſonderlich wo es gute tage ge-
ſetzet/ nicht im geringſten beſſer wor-
den/ ja daß vielmehr durch die langwie-
rigen kriege die leute wild und von frem-
der
nationen laſtern angeſtecket waͤren.
Als mich nun dieſes mit meinem zuneh-
menden alter immermehr jammerte/
fing ich uͤber die urſachen ſolches groſſen
elendes bey mir ſelbſt an nachzuden-
cken/ und auch mit andern zu
conferiren.
Diejenigen/ die ſich alſo getrennet hat-
ten/ ſagten zu ihrer
defenſion/ die Lehre
der Roͤmiſchen kirche waͤre verdorben
durch viel ketzereyen und abgoͤtterey.
Dieſes gab mir urſach die Lehren ſelbi-
ger kirche zu unterſuchen/ und die bey-
derſeits gewechſelten ſchrifften nachzu-
leſen ꝛc.

18. Und hierauff faͤhrt er fort zuerzehlen/ wie
er ſo wol die alten als |neuen urkunden gegen ein-
ander gehalten/ und befunden/ daß zwar die
wahrheit durch die Scholaſticos und Ariſtote-
liſche Philoſophie ſchrecklich verdunckelt ge-
weſen/ daß aber die ſo genanten Reformatores
faſt unzehlich neue partheyen und Schiſmata
angerichtet/ auch ihre dinge mehr mit vielem
geſchrey als mit gꝛuͤndlichen argumenten getꝛie-
ben gehabt. Dahero er diejenigen endlich auff-
geſuchet haͤtte/ welche unter den Partheyen
wiederum frieden machen wollen/ unter wel-
chen ihm von Caſaubono der Caſſander ſonder-
lich waͤre recommendiret worden.

Aus dieſen und andern bekaͤntniſſen Grotii
iſt an ſich ſelbſt klar/ daß er die meiſten maͤngel
[Spaltenumbruch] unter denen Proteſtanten und das Myſterium
iniquitatis
bey der orthodoxen cleriſey zeitlich
tieff eingeſehen und cordat entdecket gehabt. |Es
hat ihn aber ſeine ſpitzige vernunfft durch politi-
ſche abſichten dahin verleitet/ daß er dem
Pabſtthum und ſonderlich der Clericaliſchen
herꝛſchafft mehr beygelegt oder zugegeben/ als
nach dem lauteren ſinn des Evangelii gehoͤrig
oder auch heilſamlich ſeyn moͤchte/ wie es viele
davor halten. Judeſſen hat Grotius bey die-
ſen freilich groſſes lob/ bey der cleriſey aber den
bitterſten haß und neid verdienet/ wie es die hi-
ſtorien und ſchrifften beyderſeits ausweiſen.
Jch fuͤge hier nichts weiter aus Grotii buͤchern
bey/ weil ſie ohne dem in der Gelehrten haͤnden
ſind: Nur daß mir noch vergoͤnnet ſey/ einige
verſe anzuhenckẽ/ welche ſeine genaue erkaͤntnis
ſo wol des erſten wahren Chriſtenthums als des
grauſamen abfalls darlegen: Sie lauten aber
alſo in ſeiner ſilva ad Franciſcum Auguſtum
Thuanum:

Iſtud ad exemplum crebram tibi pagina laſſet
Sacra manum: patet illa piis. Sedſæpius annis
A noſtris oculos ad ſæcula priſca retorque,
Cum rudis & ſimplex nondum ſe fecerat artem
Relligio: nondum titulum pietatis habebat
Fulmineus Mavors & ſceptri dira cupido:
Cum brevis hoc totum, melior quo vita para-
tur
Regula dictabat, non ſolis nota magiſtris,
Sed populi commune bonum: neque docta
ſerebant
Jurgia diſſidium, ſed certabatur amando:
Omnibus idem ardor verum defendere tantùm
Morte ſua, nullusque alieni ſanguinis uſus.
NUM. IIX.
Proceß wider einen/ der die Gottheit
CHriſti gelaͤugnet.

Zu der hiſtorie derer ſtreitigkeiten uͤber der
Gottheit Chriſti kan noch aus den letztern
jahren mitgerechnet werden/ was Anno 1687.
in einer beruͤhmten Hanſee-ſtadt L. mit einem
ſchloſſer oder kleinſchmied-geſellen/ namens
Peter Guͤnther/ buͤrtig aus Preuſſen/ vorge-
gangen. Dieſer hatte lange zeit vorher in groſ-
ſen anfechtungen geſtanden/ und inſonderheit
uͤber dem punct von der perſon und Gottheit
Chriſti ſich immer mit allerhand zweiffel ge-
aͤngſtet/ dabey aber doch den wahren GOTT
und Schoͤpffer aller dinge offte aͤngſtlich an-
geruffen/ er moͤchte ihm ſeinen Sohn recht zu
erkennen geben. Er war auch uͤber ſolchen
ſcrupeln lange zuvor in ſo groſſe melancholey
gerathen geweſen/ daß ihn die Medici in Koͤ-
nigsberg als einen hominem corruptæ & per-
turbatæ mentis curi
ret/ wie ſolches nach ein-
ander in dem Wittenbergiſchen Reſponſo ge-
ſtanden wird. Was ferner dieſem menſchen bey
dieſer ſeiner noth vor auſſerordentliche dinge
begegnet gehabt/ wird baldeaus gewiſſen docu-
men
ten zu ſehen ſeyn. Gleichwie er auch insge-
mein ein gut zeugnis ſeines frommen und ſtil-
len lebens halber gehabt/ uͤber welchem ihn ſei-
ne andere mitgeſellen immerzu angefeindet/ zu-
mahl er auch ihr Gottloſes und heuchleriſches
leben bey ihren zuſammenkuͤnfften und ſon-
ſten offt ernſtlich beſtrafft gehabt. Nun ge-

ſchahe
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[482/0790] Th. IV. Sect. III. Num. IIX. Proceß wider einen/ Hierauff bedacht ich ferner/ daß unſere voreltern gute leute geweſen/ feinde des aberglaubens und der boßheit/ die ihre familien zu GOttes ehre und des naͤch- ſten liebe wol eingerichtet gehabt/ de- rentod ich auch fuͤr ſelig gehalten/ wor- inne mir Franciſcus Junius vorging/ ein mann von ſolcher billigkeit und modera- tion, daß dahero andere hitzigere Pro- teſtanten ihm feind waꝛen/ und uͤbel nach- redeten. Nun vernahm ich aber von alten leuten und aus denhiſtorien/ daß hernach leute gekommen/ welche ge- ſagt/ man muͤſte die kirche/ darinne un- ſere vorfahren geweſen/ gantz verlaſſen. Welche es denn nicht allein ſelber ge- than/ und zwar viele/ ehe ſie ausgeſto- ſen worden/ ſondern auch neue verſam- lungen angeſtellet/ die ſie auch eine kir- che genennet/ neue Prediger geordnet/ gelehret/ ſacramente ausgetheilet/ und zwar an vielen orthen wider das verbot der Koͤnige und Biſchoͤffe/ zu deſſen ent- ſchuldigung ſie geſaget/ gleich als haͤt- ten ſie einerley befehl mit den Apoſteln/ man muͤſte Gott mehr gehorchen/ denn den menſchen. Sie haͤtten auch darau nicht gnug gehabt/ ſondern ſie haͤttẽ die Koͤnige als abgoͤttiſche und ſclaven des Pabſts durchgezogen/ das volck erreget die bilder zu ſtuͤrmen/ kirchen und altare umzuwerffen/ ja oͤffentliche rebellionen und kriege wieder die Potentaten anzu- fangen. Jch ſahe/ daß hiedurch viel Chriſten-blut uͤberall vergoſſen wor- den/ und hingegen das leben meiſten- theils/ ſonderlich wo es gute tage ge- ſetzet/ nicht im geringſten beſſer wor- den/ ja daß vielmehr durch die langwie- rigen kriege die leute wild und von frem- der nationen laſtern angeſtecket waͤren. Als mich nun dieſes mit meinem zuneh- menden alter immermehr jammerte/ fing ich uͤber die urſachen ſolches groſſen elendes bey mir ſelbſt an nachzuden- cken/ und auch mit andern zu conferiren. Diejenigen/ die ſich alſo getrennet hat- ten/ ſagten zu ihrer defenſion/ die Lehre der Roͤmiſchen kirche waͤre verdorben durch viel ketzereyen und abgoͤtterey. Dieſes gab mir urſach die Lehren ſelbi- ger kirche zu unterſuchen/ und die bey- derſeits gewechſelten ſchrifften nachzu- leſen ꝛc. 18. Und hierauff faͤhrt er fort zuerzehlen/ wie er ſo wol die alten als |neuen urkunden gegen ein- ander gehalten/ und befunden/ daß zwar die wahrheit durch die Scholaſticos und Ariſtote- liſche Philoſophie ſchrecklich verdunckelt ge- weſen/ daß aber die ſo genanten Reformatores faſt unzehlich neue partheyen und Schiſmata angerichtet/ auch ihre dinge mehr mit vielem geſchrey als mit gꝛuͤndlichen argumenten getꝛie- ben gehabt. Dahero er diejenigen endlich auff- geſuchet haͤtte/ welche unter den Partheyen wiederum frieden machen wollen/ unter wel- chen ihm von Caſaubono der Caſſander ſonder- lich waͤre recommendiret worden. Aus dieſen und andern bekaͤntniſſen Grotii iſt an ſich ſelbſt klar/ daß er die meiſten maͤngel unter denen Proteſtanten und das Myſterium iniquitatis bey der orthodoxen cleriſey zeitlich tieff eingeſehen und cordat entdecket gehabt. |Es hat ihn aber ſeine ſpitzige vernunfft durch politi- ſche abſichten dahin verleitet/ daß er dem Pabſtthum und ſonderlich der Clericaliſchen herꝛſchafft mehr beygelegt oder zugegeben/ als nach dem lauteren ſinn des Evangelii gehoͤrig oder auch heilſamlich ſeyn moͤchte/ wie es viele davor halten. Judeſſen hat Grotius bey die- ſen freilich groſſes lob/ bey der cleriſey aber den bitterſten haß und neid verdienet/ wie es die hi- ſtorien und ſchrifften beyderſeits ausweiſen. Jch fuͤge hier nichts weiter aus Grotii buͤchern bey/ weil ſie ohne dem in der Gelehrten haͤnden ſind: Nur daß mir noch vergoͤnnet ſey/ einige verſe anzuhenckẽ/ welche ſeine genaue erkaͤntnis ſo wol des erſten wahren Chriſtenthums als des grauſamen abfalls darlegen: Sie lauten aber alſo in ſeiner ſilva ad Franciſcum Auguſtum Thuanum: Iſtud ad exemplum crebram tibi pagina laſſet Sacra manum: patet illa piis. Sedſæpius annis A noſtris oculos ad ſæcula priſca retorque, Cum rudis & ſimplex nondum ſe fecerat artem Relligio: nondum titulum pietatis habebat Fulmineus Mavors & ſceptri dira cupido: Cum brevis hoc totum, melior quo vita para- tur Regula dictabat, non ſolis nota magiſtris, Sed populi commune bonum: neque docta ſerebant Jurgia diſſidium, ſed certabatur amando: Omnibus idem ardor verum defendere tantùm Morte ſua, nullusque alieni ſanguinis uſus. NUM. IIX. Proceß wider einen/ der die Gottheit CHriſti gelaͤugnet. Zu der hiſtorie derer ſtreitigkeiten uͤber der Gottheit Chriſti kan noch aus den letztern jahren mitgerechnet werden/ was Anno 1687. in einer beruͤhmten Hanſee-ſtadt L. mit einem ſchloſſer oder kleinſchmied-geſellen/ namens Peter Guͤnther/ buͤrtig aus Preuſſen/ vorge- gangen. Dieſer hatte lange zeit vorher in groſ- ſen anfechtungen geſtanden/ und inſonderheit uͤber dem punct von der perſon und Gottheit Chriſti ſich immer mit allerhand zweiffel ge- aͤngſtet/ dabey aber doch den wahren GOTT und Schoͤpffer aller dinge offte aͤngſtlich an- geruffen/ er moͤchte ihm ſeinen Sohn recht zu erkennen geben. Er war auch uͤber ſolchen ſcrupeln lange zuvor in ſo groſſe melancholey gerathen geweſen/ daß ihn die Medici in Koͤ- nigsberg als einen hominem corruptæ & per- turbatæ mentis curiret/ wie ſolches nach ein- ander in dem Wittenbergiſchen Reſponſo ge- ſtanden wird. Was ferner dieſem menſchen bey dieſer ſeiner noth vor auſſerordentliche dinge begegnet gehabt/ wird baldeaus gewiſſen docu- menten zu ſehen ſeyn. Gleichwie er auch insge- mein ein gut zeugnis ſeines frommen und ſtil- len lebens halber gehabt/ uͤber welchem ihn ſei- ne andere mitgeſellen immerzu angefeindet/ zu- mahl er auch ihr Gottloſes und heuchleriſches leben bey ihren zuſammenkuͤnfften und ſon- ſten offt ernſtlich beſtrafft gehabt. Nun ge- ſchahe

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/790>, abgerufen am 21.12.2024.